Ab wann sprechen wir in Luxemburg eigentlich von Euthanasie? Was ist gesetzlich erlaubt? Welches Recht hat der Patient, welche Aufgabe hat der Arzt? Ein Überblick zu den wichtigsten Fragen der aktiven Sterbehilfe.
Selbst der Duden trifft die Definition von Euthanasie nicht. Er versteht sie als „die absichtliche Herbeiführung des Todes bei unheilbar Kranken durch Medikamente oder durch Abbruch der Behandlung“. Ein Abbruch der Behandlung gilt allerdings unter der medizinisch verbreiteten und auch im Luxemburger Gesetz festgehaltenen Definition weder als aktive noch als passive Sterbehilfe.
Es herrschen weiterhin viele Unklarheiten – auch bei Fachleuten. So ist etwa die Annahme falsch, dass man im Fall der Fälle automatisch von Euthanasie profitieren kann, weil diese in Luxemburg gesetzlich erlaubt ist. Das Gesetz erkennt die Gewissensfreiheit des Arztes an: Der Arzt kann die Sterbehilfe aus persönlicher Überzeugung verweigern. Kurz: Das Gesetz hält für Patienten kein Recht auf Euthanasie fest.
Das seit 2009 geltende Gesetz sieht die bedingte Entkriminalisierung der aktiven Sterbehilfe durch einen Arzt vor. Dies gilt für Euthanasie und für assistierten Suizid. In beiden Fällen wird der Tod mit sofortiger Wirkung mittels einer Injektion oder einer Pille herbeigeführt:
- Die Sterbehilfe wird vom Arzt selbst vollzogen
- Beim assistierten Suizid stellt der Arzt dem Patienten Mittel zur Selbsttötung zur Verfügung.
Das Gesetz vom 16. März 2009 hält folgende Bedingungen fest:
- Der Patient befindet sich in einer ausweglosen medizinischen Situation und hat durch einen Unfall oder eine Erkrankung ein dauerhaftes und unerträgliches physisches oder psychisches Leiden ohne Aussicht auf Besserung;
- Das Verlangen nach Sterbehilfe muss von einem handlungsfähigen volljährigen Patienten bei vollem Bewusstsein formuliert werden.
Der Arzt muss sich vergewissern, dass:
- Das Verlangen des Patienten freiwillig ist und möglicherweise wiederholt formuliert wurde
- Das physische oder psychische Leiden des Patienten anhält
Der behandelnde Arzt muss einen weiteren Arzt konsultieren. Auch dieser muss den Patienten untersuchen und den unumkehrbaren Gesundheitszustand laut heutigen medizinischen Erkenntnissen begutachten.
Den Euthanasiewunsch schriftlich festhalten
Das Verlangen des Patienten muss schriftlich festgehalten werden. Das Dokument wird vom Patienten selbst verfasst, datiert und unterzeichnet. Ist er dauerhaft physisch nicht in der Lage, sein Verlangen abzufassen und zu unterzeichnen, wird dieses von einer volljährigen Person seiner Wahl schriftlich niedergelegt. Die Entscheidungsfreiheit liegt stets beim Patienten. Kann der Patient nicken, den Kopf schütteln oder sich anders ausdrücken, muss stets gewährleistet werden, dass sein Verlangen respektiert wird.
Hinzu kommt: In der Theorie kann sich der Patient keinen beliebigen Arzt aussuchen. Das Gesetz schreibt ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und dem Patienten vor. Dies soll einen « Euthanasietourismus » verhindern. Dennoch definiert das Gesetz das Vertrauensverhältnis nicht ausgiebig. Auf Nachfrage hin erklärt Dr. Carlo Bock, Präsident der nationalen Kommission zur Kontrolle und Evaluation der Sterbehilfe, dass eine mehrfache persönliche Behandlung in der Theorie ausreichend ist, um als Vertrauensverhältnis eingestuft zu werden.
Das Gesetz soll Genauigkeit, Sorgfalt und Kontrolle für die medizinische Handhabung und Handlungen im Rahmen einer freiwilligen Beendigung des Lebens garantieren, um so Missbräuchen vorzubeugen.
Überwachung durch die Kontrollkommission
Innerhalb von acht Tagen nach der vollzogenen Sterbehilfe muss der Arzt die Euthanasie oder den assistierten Suizid bei der nationalen Kommission zur Kontrolle und Evaluation melden – diese überprüft dann die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften.
Schöpft die Kommission den Verdacht auf eine gesetzeswidrige Praxis, schaltet sie das „Collège médical“ und gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft ein. Bei möglichen Verstößen nimmt letztere dann ihre Ermittlungen auf und kann den Arzt strafrechtlich verfolgen. Denn Sterbehilfe und assistierter Suizid bleiben außerhalb des rechtlichen Rahmens weiterhin strafbar.
Bestimmungen zum Lebensende
Bei den Bestimmungen zum Lebensende handelt es sich um eine frühzeitige Anfrage für Euthanasie. So kann man bereits im Vorfeld festlegen, wie man sterben möchte. Das Dokument, das der Patient bei Wunsch gemeinsam mit seinem Arzt ausfüllt, geht an die Kommission zur Kontrolle und Evaluation der Sterbehilfe, die es aufbewahrt. Bei jeglicher Euthanasieanfrage muss der Arzt kontrollieren, ob ein diesbezüglicher Wunsch bei der Kommission schriftlich hinterlegt wurde.
Wer ein solches Dokument hinterlegt, wird alle fünf Jahre per Brief auf seine Entscheidung hingewiesen. Der Patient kann dieses Dokument dann oder zu jedem anderen Zeitpunkt für nichtig erklären und seine Einstellung bezüglich der Sterbehilfe ändern. Die Bestimmungen zum Lebensende kommen hauptsächlich dann zum Einsatz, wenn sich der Gesundheitszustand eines Menschen derart verschlechtert, dass er nicht länger in der Lage ist, seinen Wunsch zu äußern.
Ziel ist es, die Menschen dazu aufzufordern, sich bereits im gesunden Zustand Gedanken über ihr Lebensende zu machen – letztendlich auch, um der Familie eine schwere Entscheidung abzunehmen – und Konflikte zwischen der Familie und dem Pflegepersonal zu verhindern. Und ab wann sollte man sich eigentlich über das Lebensende Gedanken machen und eine Patientenverfügung oder seine Bestimmung zum Lebensende ausfüllen? „Mit 18 Jahren“, meint Marie-France Liefgen von Omega 90.
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