Die Erneuerung in der CSV muss warten. Die aktuelle Führung soll im Amt bleiben – zumindest bis die kommende Regierung steht. Die Hoffnung der CSV auf ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen von Blau-Rot-Grün ist jedoch vor allem ein Ausdruck von Verzweiflung. Eine Analyse.

« Eng Koalitioun ass nie gemaach bis se gemaach ass. » So lautet die Antwort von Spitzenkandidat Claude Wiseler auf die Frage, ob man noch Hoffnung habe, dass die Koalitionsverhandlungen zwischen DP, LSAP und Déi Gréng scheitern könnten. Die gescheiterten Verhandlungen zwischen der sogenannten « Jamaika »-Koalition in Deutschland Ende 2017 seien ein gutes Beispiel, ergänzt Parteichef Marc Spautz.

Der Spitzenkandidat, der Parteichef und Generalsekretär Laurent Zeimet traten am Dienstagabend vor die versammelte Presse. Zuvor hatte der Nationalrat der Partei in den Räumen der Franziskanerinnen von der Barmherzigkeit in Belair getagt. Das Gremium, in dem bis zu 160 Parteimitglieder vertreten sind, sollte sich in der Tat barmherzig zeigen. Der aktuellen Führungsmannschaft der CSV sei geschlossen das Vertrauen ausgesprochen worden, sagte Wiseler. Zitat: « Plebiszitéiert ». In der Tat gab es am Ende der Sitzung einhelligen Applaus und demonstrative stehende Ovationen.

Eine Parteispitze mit Verfallsdatum

Allerdings hat das ausgesprochene Vertrauen ein klares Verfallsdatum. Denn man habe sich laut Wiseler « nach langen Diskussionen » darauf verständigt, dass die aktuelle Parteispitze nur solange im Amt bleibe bis eine neue Regierung steht. Erst dann würden « definitive Personalentscheidungen » getroffen. Bis auf weiteres habe man also ein Mandat, « in den nächsten Wochen unsere Positionen zu verteidigen » – die da wären: « 1. Wir sind die stärkste Partei. 2. Wir sind nach wie vor bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. 3. Wir stehen weiter zur Verfügung für Gespräche mit anderen Parteien. »

Wiseler und Spautz erteilten damit auch den « Spekulationen » mancher Medien eine Absage, die in Aussicht gestellt hatten, dass bereits am Dienstag nach dem Nationalrat eine Entscheidung über eine personelle Neuaufstellung getroffen werden könnte. Richtig ist in der Tat, dass nicht der Nationalrat, sondern nur ein Nationalkongress der CSV einen neuen Parteipräsident und einen neuen Generalsekretär wählen kann. Und der Fraktionschef wird im Rahmen der ersten Sitzungswoche des Parlaments von den neuen Abgeordneten der Christsozialen gewählt.

Die aktuelle LSAP-Führung hat ihre Partei im Griff. Für eine Regierungsbeteiligung ist auch die sozialistische Basis vieles bereit zu opfern. »Ein Delegierter des CSV-Nationalrats

Richtig ist aber auch, dass die aktuelle Partei- und Fraktionsführung nur noch ein Provisorium ist. Wie REPORTER bereits am Montag berichtete, stehen mit Parteivize Martine Hansen und dem Abgeordneten Serge Wilmes schon mindestens zwei Politiker bereit, um die Erneuerung von Partei und Fraktion zu verkörpern. Spätestens auf dem nächsten CSV-Kongress, der im Januar stattfinden soll, wird jedenfalls ein neuer Parteivorstand gewählt. Die Entscheidung über einen neuen Fraktionschef könnte schon früher fallen.

Fragwürdige politische Strategie

Die Entscheidung, eine Neuaufstellung der CSV zu vertagen, ist freilich strategischer Natur. Wie es heißt, sei dies auch eine Argumentation von Wiseler und Spautz im Nationalrat gewesen. Man könne jedenfalls nicht ausschließen, dass die Gespräche über die Fortführung einer « Gambia »-Koalition scheitern könnten. Die Wahrscheinlichkeit dafür sei zwar « äußerst gering », wie es ein Teilnehmer der Sitzung am Dienstagabend im Gespräch mit REPORTER ausdrückt. Aber solange Xavier Bettel, Etienne Schneider und Felix Braz nicht vom Großherzog vereidigt sind, sei es « weder sinnvoll noch zielführend die eigene Führung abzuschießen ».

Man stelle sich also vor, so das Szenario der CSV, die LSAP kann nach den Verhandlungen mit Liberalen und Grünen nur wenige Erfolge vorweisen und die Delegierten stimmen auf dem verpflichtenden Parteitag der Sozialisten gegen ein Koalitionsprogramm. Dann, aber wohl auch nur dann, käme die CSV wieder ins Spiel und könnte mit der DP verhandeln. Dann sähe es komisch aus, wenn die Christsozialen ihre aktuelle Führung schon in die Wüste geschickt hätten oder noch keine Nachfolger installiert wären.

Im Juli bei der Präsentation eines Teils des Wahlprogramms war die Welt der CSV-Führung noch in Ordnung (v.l.n.r.): Generalsekretär Laurent Zeimet, Parteipräsident Marc Spautz und Fraktionschef Claude Wiseler. (Foto: Matic Zorman)

Doch selbst in der CSV glauben nur die wenigsten daran, dass dieses Szenario eintreffen könnte. « Die sozialistische Partei ist nicht mehr die, die sie einmal war », sagt ein Delegierter des Nationalrats. « Die aktuelle LSAP-Führung hat ihre Partei im Griff. Für eine Regierungsbeteiligung ist auch die sozialistische Basis vieles bereit zu opfern. » Manche CSV-Mitglieder sehen die Strategie der eigenen Partei demnach auch kritisch. Es könnte sogar sein, dass man mit der Haltung, immer noch gesprächsbereit zu sein, die Reihen bei Blau-Rot-Grün noch weiter schließe, hieß es etwa.

Der schiefe « Jamaika »-Vergleich

Man könnte also meinen, die CSV halte sich an den allerletzten Strohhalm, um vielleicht doch noch regieren zu können. Letztlich ist diese Haltung aber auch ein Ausdruck der Verzweiflung der Partei. Man will zwar nicht wie die SPD in Deutschland – um beim Vergleich von Spautz zu bleiben – den Gang in die Opposition ankündigen, um danach doch noch verhandeln zu müssen. Doch letztlich handelt es sich um eine Durchhalteparole.

Vor allem verkennt die Strategie der CSV die innenpolitische Lage in Luxemburg. Denn hier verhandeln nicht CDU/CSU, Grüne und FDP über das erstmalige bundespolitische Experiment von « Jamaika ». In Luxemburg verhandeln drei Parteien, die fünf Jahre bereits gemeinsam regiert haben und offensichtlich willens sind, diese Zusammenarbeit fortzuführen.

Während die CSV ihre Erneuerung also um einige Monate verzögert, wurde Xavier Bettel am Dienstag vom Großherzog zum « Formateur » ernannt. Damit beginnt bereits jetzt die formale Phase der Koalitionsverhandlungen zwischen DP, LSAP und Grünen. Am Mittwoch wollen sich Vertreter der drei Parteien bereits zu ersten Konsultationen treffen. Die CSV wurde wohlgemerkt wie schon 2013 nicht zu formalen Gesprächen eingeladen.

Blau-Rot-Grün ohne Zeitdruck

Der Zug der Regierungsbeteiligung ist für die CSV also schon wieder abgefahren. Die Fahrt bis zum Zielort dürfte dieses Mal zwar etwas länger dauern, wie es heißt. Denn die Verhandlungspartner von Blau-Rot-Grün stehen anders als vor fünf Jahren nicht unter Zeitdruck. Die CSV stellt sich nicht auf stur und beschwört bei ihren Anhängern den vermeintlich verletzten « Wählerwillen », sondern wartet ab jetzt brav ab, was aus den Verhandlungen der drei anderen Parteien wird. 2013 stand die Regierung schon Anfang Dezember. Dieses Mal ist eher von Weihnachten oder sogar Anfang Januar die Rede.

Zudem dürfte es aber auch deshalb länger dauern bis ein Koalitionsabkommen steht, weil das gemeinsame Projekt der drei Parteien dieses Mal nicht so klar und absehbar ist wie noch 2013. Die Grünen dürften zwar sowohl inhaltlich als auch bei der Anzahl der Regierungsmitglieder mehr herausschlagen als beim letzten Mal. Das Paradox der heutigen Ausgangslage besteht jedoch darin, dass DP und Déi Gréng der eindeutig geschwächten LSAP eigentlich Zugeständnisse machen müssten, damit deren Parteibasis am Ende einem Abkommen auch sicher zustimmt.

Die CSV macht sich wohl vergebens noch Hoffnungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verhandlungen für « Gambia II » scheitern, ist minimal. Ähnlich minimal wie die Aussicht, dass sich Claude Wiseler, Marc Spautz und Laurent Zeimet über den kommenden Januar hinaus in ihren Ämtern halten können.