Die Filmbranche wollte eigentlich nur mehr Geld vom Staat. Doch diese aggressive Forderung mündet nun in eine Grundsatzdebatte über Sinn und Zweck der Filmförderung. Das ist längst überfällig. Ein Kommentar.
„Nie gab es mehr Gegenwind“, heißt es von Filmproduzenten. Politiker, Journalisten und Kulturschaffende stellen vermehrt infrage, was eigentlich mit den 34 Millionen Euro passiert, die der „Film Fund“ jedes Jahr aus dem Staatsbudget erhält. Die Recherchen von REPORTER sind ein wesentlicher Anstoß der Debatte.
Der Hintergrund ist eine versuchte Erpressung, die gerade scheitert. Die Filmproduzenten reichten dieses Jahr deutlich mehr Projekte ein als in den Jahren zuvor. Das „Comité de sélection“ des „Film Fund“ verteilte großzügig Geld, so dass für das laufende Jahr nur noch zwei Millionen übrig sind. Das war für die Branche das Stichwort, eine Erhöhung der verteilten Beihilfen auf 50 Millionen Euro zu fordern.
Doch ein « Weiter so » mit mehr Geld ist keine Option: Es fehlt der Filmförderung an transparenten Kriterien, einer klaren Ausrichtung und einem realistischen Ziel.
Das Prinzip Durchfüttern
Inzwischen wird der Ton rauer. „Wir sind nicht dafür da, Produktionsgesellschaften am Leben zu erhalten“, stellte der Direktor des „Film Fund“ Guy Daleiden am Montag auf einer Pressekonferenz klar. Doch die Fakten lassen vermuten, dass genau das in den letzten Jahren der Fall war. Lehnt der „Comité de sélection“ die Förderung eines Filmes ab, kann die Produktionsfirma das gleiche Projekt mehrmals einreichen. Bei rein luxemburgischen Vorhaben ist das unbegrenzt möglich: „Sie arbeiten daran, bis wir das Dossier als akzeptabel einstufen“, erklärte der scheidende Präsident des Komitees, Jean-Louis Scheffen.
Auch finanziell angeschlagene Unternehmen werden nicht von Beihilfen abgeschnitten. Die Produktionsfirma „Tarantula Luxembourg“ durfte weiterhin Projekte einreichen, obwohl seit 2014 keine Bilanz des Unternehmens öffentlich vorliegt. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Gesetz.
Auf den Fall angesprochen, spielte Guy Daleiden im Gespräch mit REPORTER vergangene Woche allerdings den Überraschten. Zitat: „Das würde mich wundern“. Doch am Montag sagte er dann, dass der „Film Fund“ bereits Anfang des Jahres ein Audit von Tarantula und dessen belgischen Schwesterunternehmen in Auftrag gegeben hat.
Ein Fonds für alles
Streit gibt es aktuell auch, weil der „Film Fund“ es möglichst allen Recht machen will. Nicht nur klassische Spielfilme werden finanziert, sondern auch Fernsehserien, „Virtuelle Realität“, „Transmedia“, Musikvideos und Clips, die in Theater- oder Tanzproduktionen zum Einsatz kommen. Das hat zwar den Vorteil, dass auch Musiker und Theaterschaffende vom Manna des „Film Fund“ naschen können. Doch eine ernsthafte Debatte über Prioritäten bleibt aus. Der Fonds arbeite nun „transversal“, verkündete Guy Daleiden stolz.
Dabei bleibt offen, ob die staatliche Filmförderung wirklich einen überlebensfähigen Sektor geschaffen hat. Guy Daleiden beharrte am Montag auf der Zahl von 1.200 Filmschaffenden – ohne Belege. Er verwies auf die Debatte um das Gesetz von 2014 über die Filmförderung. Doch damals war die Rede von 600 Techniker, 40 Regisseuren und 45 Schauspielern. Seitdem seien etwa 200 Beschäftige hinzugekommen, so Daleiden. In der Summe sind das längst keine 1.200.
Gleichzeitig räumen Daleiden und die alteingesessenen Produzenten eben auch ein, dass Luxemburgs Filmbranche ohne die Millionen des Staates nicht überlebensfähig wäre. Das stellt auch niemand in Frage. Dass es eine subventionierte Luxemburger Filmindustrie geben soll, ist ein legitimes politisches und kulturelles Anliegen. Gleichzeitig hat die Öffentlichkeit aber ein Recht darauf, zu erfahren, wie sinnvoll und wirksam die öffentlichen Gelder eingesetzt werden.
Umbruch erfordert Debatte
Bisher war die Politik in einer komfortablen Lage: Die Filmbranche klärte die Details im kleinen Kreis, ließ das Parlament ein maßgeschneidertes Gesetz verabschieden und die Vertreter von CSV bis Déi Lénk durften sich bei Premieren oder dem „Lëtzebuerger Filmpräis“ im Glanze der Branche zeigen. Lange stellte dieses System niemand in Frage.
Immerhin forderten etwa Octavie Modert (CSV) und Franz Fayot (LSAP) gegenüber RTL eine Reform der Auswahlkriterien und des „Comité de sélection“. Der „Film Fund“ diskutiert bereits mit der Branche über das sogenannte Punktesystem, das die Verwaltung nutzt, um die Höhe der Beihilfen auszurechnen. Mit der Umsetzung wolle man aber warten, bis die Frage der Budgeterhöhung geklärt sei, so Daleiden.
Nach dem Rücktritt von Jean-Louis Scheffen preschte der Verwaltungsrat des Fonds bereits vor und ernannte den deutschen Juristen und Filmproduzenten Philipp Kreuzer in das „Comité de sélection“. Die drei Experten im Komittee stammen damit nun allesamt aus dem Ausland – ohne Luxemburger Erfahrung.
Was braucht es für einen erfolgreichen Luxemburger Filmsektor? Es ist höchste Zeit, darüber zu diskutieren. Nur als Hinweis: Geld allein ist es nicht. Der Animationskurzfilm „Mr. Hublot“, der bisher als einziger Luxemburger Film mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, erhielt vom „Film Fund“ 2010 exakt 112.495 Euro.
Nachtrag: Seit Dienstag 2. Oktober – nach Fertigstellung dieses Beitrags – sind die Jahresberichte von Tarantula Luxembourg für die Jahre 2015, 2016, 2017 im Unternehmensregister verfügbar. Interessant ist allerdings, dass der alleinige Geschäftsführer Donato Rotunno die Dokumente am Freitag, 28. September 2018 unterzeichnet hat. Dem Tag, an dem unsere Recherche zum « Film Fund » online ging und ein Tag nach unseren Fragen an Tarantula.