Luxemburg wird nicht wie bisher angekündigt gegen das Ökosiegel für Atomenergie und Gas klagen. Die EU-Kommission hatte diese Energien als „nachhaltig“ eingestuft. Die Regierung wird Österreich aber zur Seite stehen, falls das Land juristisch gegen die Entscheidung vorgeht. 

Die Frist läuft am 10. Oktober ab: Bis spätestens dann müssen Mitgliedstaaten gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission, Atomenergie und Gas als „nachhaltige“ Technologien zu definieren, klagen. Im Rahmen der Taxonomie würden Investments in diese Energien als „grün“ und dem Klimaschutz dienlich gelten.

Bereits jetzt ist klar: Luxemburg wird innerhalb dieser Frist keine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einreichen. Das bestätigte ein Sprecher des Energieministeriums auf Nachfrage von Reporter.lu. Anfang des Jahres hatte sich Luxemburgs Regierung noch für eigene rechtliche Schritte ausgesprochen.

Luxemburg will aber weiterhin Österreich bei dessen angekündigter Klage unterstützen. Die Regierung will den Weg der sogenannten Streithilfe gehen. Das bedeutet, dass ein Mitgliedstaat in einem Verfahren vor dem EuGH auf einer Seite interveniert und eigene Argumente im Rechtsstreit vorbringt. „Luxemburg muss jetzt auf die Einreichung der Klage durch Österreich warten, bevor wir aktiv werden können“, heißt es aus den zuständigen Ministerien.

Gegen „Greenwashing“

Nachdem die EU-Kommission den Entwurf des Rechtsakts an Silvester vorlegte, machte Luxemburg aus seiner Ablehnung dazu keinen Hehl. „Luxemburg wird alles in seiner Macht Stehende tun, um diese Entscheidung zu blockieren und dieses Greenwashing zu verhindern“, sagte die damalige Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) im Januar. Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) nannte das Vorgehen Brüssels „prozedural eine Provokation“.

Weder im EU-Ministerrat noch im Europaparlament fanden sich die nötigen Mehrheiten, um Einspruch gegen die Entscheidung der Kommission zu erheben. Nach der gescheiterten Kampfabstimmung im Europäischen Parlament im Juli bekräftigte die Regierung nochmals ihren Willen, rechtlich gegen die Taxonomie-Regelung vorzugehen: „Zusammen mit Österreich werden wir dagegen klagen“, twitterte die neue Umweltministerin Joëlle Welfring (Déi Gréng). In der gemeinsamen Pressemitteilung mit Energieminister Claude Turmes und Finanzministerin Yuriko Backes (DP) war die Formulierung aber bereits abgeschwächt: Luxemburg werde sich rechtlichen Schritten anschließen, die Österreich initiiere.

Die österreichische Umweltministerin sagte ihrerseits im Juli, die Nichtigkeitsklage vor dem EuGH sei bereits vorbereitet. Die Oppositionspartei FPÖ zweifelte allerdings im September am Willen der österreichischen Regierung, das auch tatsächlich zu tun. Sie irrten sich dabei allerdings bei der Frist, die nicht am 15. September, sondern am 10. Oktober abläuft. Der Rechtsakt zu Atom und Gas wurde am 15. Juli im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt unabhängig von möglichen Klagen am 1. Januar 2023 in Kraft.

Schwierige Rechtslage

Luxemburg könnte strengere nationale Kriterien für nachhaltige Investments festlegen, antworteten die Finanzministerin und die Umweltministerin noch im März auf eine parlamentarische Anfrage. Allerdings wird das am international ausgerichteten Finanzplatz mit Skepsis gesehen und einheitliche Regeln in der EU werden bevorzugt.

Österreichs Regierung hat indes ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um mögliche Einwände zu prüfen. Das Ergebnis: Die Atomenergie erfülle nicht die Kriterien der Taxonomie, um als „umweltfreundliche Tätigkeit“ oder „Übergangstätigkeit“, also als Brückentechnologie, zu gelten. Rein formal habe die Kommission ihre Kompetenzen überschritten, lautet die Einschätzung der Juristen im Auftrag Österreichs. Experten glauben dennoch, dass die Klage Österreichs wenig Aussicht auf Erfolg habe.

Greenpeace Luxemburg kündigte Mitte September an, zusammen mit sieben weiteren Verbänden der Umweltschutzorganisation gegen den Rechtsakt der Kommission klagen zu wollen. „Dieses fälschliche grüne Label ist nicht mit den Umwelt- und Klimagesetzen der EU vereinbar“, sagte Roger Spautz von Greenpeace Luxemburg. Die NGOs können allerdings anders als die Mitgliedstaaten nicht direkt vor dem EuGH klagen, sondern müssen erst einen formellen Antrag auf Überprüfung bei der Europäischen Kommission einreichen. Erst nach Ablauf der Frist im Februar 2023 kann Greenpeace sich dann an den EuGH wenden. Die Umweltschützer begrüßten deshalb den Willen der Luxemburger Regierung zu klagen. Was aber nun nicht passiert.

Die ADR-Abgeordneten Fernand Kartheiser und Fred Keup fragten die Regierung Mitte September, ob diese noch an einer Klage festhalte und ob dieser Schritt angesichts der Energiekrise noch angemessen sei. Die Antwort auf ihre parlamentarische Anfrage steht noch aus. Die Frist für die Antwort läuft am 13. Oktober ab.


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