Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Wochen zurück. Dieses Mal: Die Brexit-Abstimmung im britischen Parlament, Steuerdebatte und ein fragwürdiger Deal mit Marokko.
In Brüssel, genau wie in Luxemburg, gab es diese Woche vor allem ein Thema: die Brexit-Abstimmung im britischen Parlament. Die Reaktionen auf das Nein der Abgeordneten waren gemischt. Während die grüne EU-Parlamentarierin Tilly Metz das „Nein“ geradezu als Chance für ein zweites Referendum und einen „Exit“ vom Brexit wertet, sind die meisten Politiker weniger optimistisch und unterstützen die Forderung der Europäischen Kommission, wonach Großbritannien möglichst zeitnah Klarheit schaffen müsse.
Auch Luxemburgs Journalisten konnten den Optimismus von Tilly Metz nicht teilen, sondern bezeichneten die Situation wahlweise als „Scherbenhaufen“, „Zerfall“ und „Demütigung„.
I take note with regret of the outcome of the vote in the @HouseofCommons this evening. I urge the #UK to clarify its intentions as soon as possible. Time is almost up #Brexit https://t.co/SMmps5kexn
— Jean-Claude Juncker (@JunckerEU) January 15, 2019
Et gëtt Zait dat déi britesch Politiker ophaalen sech eenzeg an alleng op hier perséinlech Muechterhaalung ze konzentréiren an endlech am Interessi vun hier Bierger handelen. Dat do ass e geféierlecht Trauerspill!!!! #brexitdebate #BREXIT https://t.co/sPPg1liWVB
— Christophe Hansen (@CHansenEU) January 15, 2019
I deeply regret the outcome of the vote as I regret Brexit as such. Now we need a fast and clear plan on how to proceed.Because that’s what we need to do:finding solutions,not problems.Our internal preparations to limit the damage in case of a No-Deal shall go ahead in full steam
— Xavier Bettel (@Xavier_Bettel) January 15, 2019
Vorbereitung auf den harten Brexit
Einen treffenden Überblick über Theresa Mays Optionen nach dem Wahlausgang lieferte übrigens die „New York Times“. So viel ist inzwischen klar: Nachdem May am vorigen Mittwoch ein Misstrauensvotum überstanden hat, will sie an diesem Montag einen alternativen Plan vorstellen, wie die Scheidung mit der EU aussehen könnte. Über diesen soll am 29. Januar abgestimmt werden. Zur Erinnerung: Dann sind es gerade einmal acht Wochen bis zum geplanten EU-Austritt Großbritanniens. Dem bayerischen Rundfunk sagte Jean Asselborn, dass „eine magische Formel“ nicht zu erwarten sei. Bei „Anne Will“ sprach Luxemburgs Lieblingsgast der deutschen Medien dagegen von einer nahenden „Katastrophe“.
In der Zwischenzeit laufen die Vorbereitungen auf einen harten Brexit auf Hochtouren. Nachdem Brüssel bereits im Dezember einen Notfallplan für den No-Deal vorgelegt hatte, treffen nun die nationalen Regierungen eigene Maßnahmen. In Deutschland beschloss etwa der Bundestag letzte Woche ein Brexit-Übergangsgesetz. In Luxemburg ginge so etwas nicht so schnell, erklärte Außenminister Asselborn noch vor ein paar Wochen im Gespräch mit REPORTER.
„Mir sinn am Modus Attente“, meinte seinerseits Staatsminister Xavier Bettel am Freitag nach einer Kabinettssitzung. Der Ball liege immer noch im Feld der Briten und man wolle weiterhin geschlossen auf EU-Ebene verhandeln. Dennoch hat auch Blau-Rot-Grün Notfallmaßnahmen beschlossen. Sie betreffen etwa das Aufenthaltsrecht der Briten in Luxemburg, die Anerkennung von Diplomen, die Schadensbegrenzung im Finanzsektor und die Klärung der Flugrechte. Spätestens in der ersten Februarwoche müssen die entsprechenden Brexit-Gesetze jedoch auf den Instanzenweg, so Jean Asselborn. Sonst reiche die Zeit nicht mehr.
Nein zur Abschaffung des Steuervetos?
Für Sorgenfalten war – jedenfalls für so manche Mitgliedsstaaten – auch die Ankündigung der Juncker-Kommission verantwortlich, das Vetorecht der Mitgliedstaaten in Steuerfragen abzuschaffen. Bisher müssen Entscheidungen zu Steuerfragen im EU-Rat einstimmig getroffen werden. Das blockiert die EU in diesen Fragen aber immer wieder, klagt die Kommission. Besonders Frankreich übt seit langem Druck auf Brüssel aus, damit sich diese Vorgehensweise ändert.
Der Debattenvorschlag der Kommission sieht nun vor, dass ab 2025 die qualifizierte Mehrheit gelten soll. Jedoch müssen die Staaten dem Vorschlag einstimmig zustimmen. Luxemburg gehört traditionell zu den Befürwortern der Einstimmigkeit in Steuerfragen.

Handelsdeal mit Marokko
Die Plenarwoche des EU-Parlaments in Straßburg blieb wegen der neuesten Brexit-Etappe etwas unter dem Radar. Eine Abstimmung lässt sich dennoch hervorheben. So gab das Parlament letzte Woche seine Zustimmung für einen Handelsdeal mit Marokko. Der nordafrikanische Staat ist besonders in Migrationsfragen ein wichtiger Partner der EU. Der Deal gilt jedoch als problematisch, weil es sich dabei um eine Ausweitung des EU-Marokko-Freihandelsabkommens auf das Westsahara-Gebiet handelt.
Dort herrscht seit Jahren der Westsahara-Konflikt: Während Marokko das Gebiet, auf dem der Großherzog übrigens vor kurzem Kitesurfen war, für sich beansprucht, fordert die von der UN anerkannte „Frente Polisario“ die Unabhängigkeit der „Demokratischen Republik Sahara“. 2016 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH): Ohne das Einverständnis des Sahrawi-Volkes, das die „Frente Polisario“ offiziell vertritt, gilt das Freihandelsabkommen mit Marokko nicht für Westsahara.
Nun aber will die EU, dass jene Erzeugnisse aus der Westsahara, die der Kontrolle der marokkanischen Zollbehörden unterliegen, die gleichen Handelspräferenzen genießen wie jene aus Marokko – wohlgemerkt ohne Vereinbarung mit der „Frente Polisario“. Beim Votum im Parlament ging es um die Frage, ob der EuGH die Rechtmäßigkeit des Deals untersuchen solle. „Nein“, meint die Mehrheit der Abgeordneten.
Press release: @Polisario_ condemns @EUCouncil approval of amended EU-Morocco trade deal
The Council’s vote to include Western Sahara in the trade deals threatens the UN political process and violates intl law. POLISARIO has no choice but legal action at the #ECJ. #WesternSahara pic.twitter.com/58Uo1e1sFI
— PolisarioEU (@PolisarioEU) 17. Juli 2018
Dabei ist es nicht das erste Mal, dass ein Abkommen mit Marokko für Probleme sorgt. Das Fischereiabkommen zwischen der EU und dem nordafrikanischen Staat landete ebenfalls vor dem EuGH: Vor knapp einem Jahr beschloss das Gericht, dass dieses Abkommen nur gültig sei, wenn es das völkerrechtlich umstrittene Westsahara-Gebiet nicht mit einschließt. Nun stellt sich also bereits zum dritten Mal die Frage, wie die EU ein Abkommen über das umstrittene Gebiet aushandeln kann, sich gleichzeitig aber nicht im Westsaharastreit positionieren will.
Eine öffentliche Debatte über das problematische Votum gab es übrigens nicht: Wie der „EU-Observer“ schreibt, wurde diese vom Präsidenten der liberalen ALDE Gruppe Guy Verhofstadt blockiert. Die ALDE-Gruppe, zu der auch der DP-Abgeordnete Charles Goerens gehört, hat gegen eine Prüfung durch das EuGH gestimmt.
„Die Parlamente müssen vor den Gerichten zu Wort kommen“, meint der liberale Abgeordnete auf Nachfrage von REPORTER. Ferner sagte Goerens, dass eine Ausweitung des Abkommens den Sahrawi eher nutzen als schaden würde. Schließlich würde es ihnen die gleichen Vorteile einräumen wie den Marokkanern. Den Einwand der Polisario-Front wertet Charles Goerens als politisch motiviert. Davon, dass sein Fraktionschef die öffentliche Debatte blockiert haben soll, wusste der DP-Politiker laut eigener Aussage allerdings nichts.