Der „New Pact on Migration and Asylum“ der Europäischen Kommission verspricht „einen menschlichen und menschenwürdigen Ansatz“ zu verfolgen. Von NGOs wird das Dokument jedoch scharf kritisiert. Außenminister Jean Asselborn betont den Konsenscharakter des Dokuments.
Mit dem „New Pact on Migration and Asylum“ stellt die Europäische Kommission Ende September neun Maßnahmen vor, die zu einem „neuen Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Solidarität“ führen sollen. Ein „obligatorisches Screening vor der Einreise“ soll etwa für „raschere Asylverfahren an der Grenze“ sorgen.
Die Kommission erhofft sich durch dieses zusätzliche Schnellverfahren vor allem eine Deeskalation in den Flüchtlingslagern in der Ägäis. Menschenrechtsorganisationen bezweifeln dies und sprechen von der Einführung eines „Zwei-Klassen-Systems“. Schutzsuchenden aus Ländern mit einer niedrigen Anerkennungsquote für internationalen Schutz werde so die Möglichkeit genommen, ein reguläres Verfahren zu bekommen.
Vor allem die Rechtsberatung und das Recht, die Entscheidung anzufechten, fielen der Neuregelung zum Opfer, schreibt etwa die Nichtregierunsorganisation „Human Rights Watch“ in ihrer Stellungnahme. Der Fokus des Paketes liege auf „Abschreckung, Eindämmung und Rückführung“.
„Vorsortieranlage“ an der EU-Grenze
Die deutsche Stiftung „Pro Asyl“ befürchtet ihrerseits durch die „Einführung einer Vorsortieranlage an der EU-Grenze“ die Aushebelung des Rechts auf Asyl, das nur noch als „Menschenrechtstrophäe“ erhalten bleibe. Faktisch sei dieses fundamentale Recht für viele Schutzsuchende allerdings nicht mehr erreichbar. Es sei mehr als irritierend, dass dieser Vorstoß nicht von asylpolitischen Hardliner-Mitgliedstaaten komme, sondern von der Europäischen Kommission, der Hüterin der EU-Verträge, des Rechtsstaates und der Menschenrechte.
Von einem „teuflischen Pakt der Entrechtung“ spricht gar Günter Burkhardt, Geschäftsführer von ProAsyl in einer ersten Analyse. „Wir fordern das EU-Parlament auf, Rechtsstaat und Menschenrechte zu verteidigen und diesen Pakt abzulehnen.“ Kernanliegen des Paketes sei es, so ProAsyl weiter, die Flucht in die EU so schwer wie möglich zu machen und Abschiebungen aus der EU zu erleichtern.
Besonders kritisiert werden in diesem Zusammenhang die vorgesehenen „Abschiebe-Patenschaften“, die nicht aufnahmewillige Mitgliedsländer abschließen können, um andere Länder bei den Abschiebungen zu unterstützen. Als „Einknicken vor fremdenfeindlichen Ansprüchen bestimmter Mitgliedsländer“ bezeichnet dies die „Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés“ (ASTI) in ihrer Stellungnahme. Der Pakt falle noch schlimmer aus als erwartet, Solidarität zeige das Dokument einzig und allein in der „gemeinsamen Feigheit“.
Asselborn: „Europa verdient mehr als das“
Ein „Dokument seiner Zeit“ nannte hingegen Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn (LSAP) den Migrationspakt beim Treffen der EU-Justiz- und Innenminister am 8. Oktober. Er sei das „Spiegelbild einer nicht ganz ergiebigen Politik“ seit 2015. Der Pakt stelle jedoch eine gesunde Basis dar, da „für jeden in diesen Vorschlägen etwas dabei“ sei. Asselborn legte der Kommission nahe, darauf zu achten, nicht auf einen „minimalen Konsens“ hinzuarbeiten. „Europa verdient mehr als das.“ Womit er sich wirklich schwer tue, sei die im Pakt vorgesehene „flexible Solidarität“.
Luxemburgs Außen- und Immigrationsminister spricht an, was der Pakt seiner Ansicht nach versäumt hat. Menschenrechtsorganisationen hatten erwartet, dass die Kommission Maßnahmen treffen würde, um die Situation an den Außengrenzen schnell zu verbessern. Doch nötige Mittel, um etwa Griechenland verstärkt zu unterstützen, sieht der Pakt nicht vor. Ebenso wenig wie eine von Menschenrechtsorganisationen geforderte grundlegende Reform der Dublin III-Verordnung.
Eine Folge sei, dass die Verantwortung nicht aufgeteilt werde, sondern in der Praxis weiterhin bei den ersten Ankunftsländern verbleibe, wie zum Beispiel „Human Rights Watch“ analysiert. Über eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen an den Außengrenzen brauche man sich unter diesen Umständen nicht zu wundern.