Für jedes Problem gibt es eine Lösung – und ein passendes Gebet. So das Motto des Centre d’Accueil Universel. Die evangelikale Gemeinschaft wächst rasant in Luxemburg. Auch durch cleveres Marketing. Sie setzt auf Flyer, Smartphone-Apps und ein neues Lokalradio.

Die beiden Familien strahlen die Passanten förmlich an. Vater, Mutter, Tochter und Sohn liegen auf einer perfekt grünen Wiese. Bei perfektem Wetter. Mit einem perfekten Lachen. Dieses allzu perfekte Werbeplakat hängt an einem eher unauffälligen Gebäude mitten in Esch-Alzette. Daneben der Schriftzug „Centre d’Accueil Universel“.

Die Familien zeigen: Wir sind glücklich, unbeschwert, sorgenfrei. Wer das auch werden will, muss einfach nur einen Fuß ins Centre d’Accueil Universel setzen. Die Eingangstür ist direkt nebenan.

Und tatsächlich: Wer dort eintritt, ist nicht lange alleine. Obwohl der Versammlungsraum an diesem Dienstagnachmittag leer ist, kommt plötzlich ein Mann aus dem ersten Stockwerk die Treppen hinunter und streckt sofort die Hand zur Begrüßung aus. Er sei der Pastor des Centre d’Accueil Universel sagt er mit einem sanften Lächeln auf den Lippen.

„Seien Sie in drei Minuten von Depressionen befreit.“Infoblatt des „Centre d’Accueil Universel“

Sofort fängt er an zu erklären: Egal, ob finanzielle Sorgen, gesundheitliche Schwierigkeiten oder familiärer Stress – das Zentrum sei für jeden da und würde den Menschen Hilfe anbieten. Für jedes Problem gibt es eine Lösung und eine passende Veranstaltung. Montags werden Finanzfragen behandelt, Dienstags die Gesundheit, Mittwochs die innere Ausgeglichenheit. „Wir verbreiten dabei nicht unsere eigene Überzeugung, sondern Gott spricht durch uns“, sagt der Pastor.

Spätestens jetzt ist klar: Das Zentrum ist mehr als nur ein Zentrum. Es ist eine Kirche, die sich nur anders nennt. Die Glaubensgemeinschaft „Eglise Universelle du Royaume de Dieu“ hat sich vor ein paar Jahren in „Centre d’Accueil Universel“ umgetauft. Doch ihre Mission bleibt bis heute die gleiche. Die Menschen zu Gott führen, damit Gott sie von ihren Sorgen befreit.

Anschluss durch Sprache und Glaube

Der Pastor in Esch ist einer von insgesamt sieben, die für das Centre d’Accueil tätig sind. Die Glaubensgemeinschaft gibt es mittlerweile seit 27 Jahren in Luxemburg, hat sieben Zentren quer durch das Land verteilt: Neben dem in Esch, gibt es zwei in Luxemburg-Stadt, jeweils eines in Helmsange, Ettelbrück, Echternach und neuerdings in Wiltz. Eingetragen ist die Glaubensgemeinschaft, wie viele kleine Gruppen hierzulande, nicht als Kirche, sondern als Verein ohne Gewinnzweck (Association sans but lucratif – Asbl).

Sie bietet den Menschen Hilfe und Unterstützung. So geht es aus ihren Statuten hervor („L’objet de l’association pourra en outre s’étendre à l’aide et au soutien de personnes nécessiteuses“). Ob die Menschen diese auch bekommen, sei dahingestellt. Was sie aber sicherlich dort finden, ist Anschluss an eine Gemeinschaft.

„Das Problem bei dieser Gruppe ist, dass sie den Menschen Wunder verspricht. Trifft dieses Wunder nicht ein, liegt die Schuld aber nicht bei der Kirche, sondern bei den Menschen selbst.Paul Goerens, Sektenbeauftragter der katholischen Kirche

Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die meisten Veranstaltungen in portugiesischer Sprache abgehalten werden, einige auch auf Französisch. Die Anhänger haben meist kapverdische und portugiesische Wurzeln.

„Dort finden sie sicher schneller Anschluss als in einer traditionellen Luxemburger Kirche“, meint Paul Goerens. Und das schon alleine durch die Sprache. „Dass die Gottesdienste auf Portugiesisch abgehalten werden, mag für einige eine Art Exklusion sein, für sie ist es aber eine Inklusion“, sagt der Sektenbeauftragte der katholischen Kirche im Gespräch mit REPORTER.

Der Prozess ist dabei ein natürlicher: Die gemeinsame Sprache verbindet, man wird Teil der Gruppe, findet Bekannte und Freunde, beginnt, sich zu engagieren und wird schließlich Mitglied. Dass sich die Gruppe seit einigen Jahren nicht mehr „Kirche“, sondern „Zentrum“ nennt, hilft auch bei der Suche von neuen Anhängern. Das wirke unverbindlicher, meint Goerens. Die Hemmschwelle, sich die Gruppe und ihr Zentrum anzuschauen, sei niedriger. „Das ist natürlich eine gelungene Marketing-Strategie.“

Alle Register des modernen Marketing

Marketing ist ohnehin eine Stärke der Glaubensgruppe. Vor dem Gebäude im hauptstädtischen Bahnhofsviertel steht ein Informationsstand, es liegen Flyer und Prospekte aus, Mitglieder in leuchtend roten Westen teilen regelmäßig Werbeblätter vor den unterschiedlichen Zentren aus. „Seien Sie in drei Minuten von Depressionen befreit“, heißt es auf einem Infoblatt.

Das Signal ist dabei klar: Wer Beistand braucht, findet ihn hier – sei es direkt vor Ort, via Telefon oder über Whatsapp. Hilfe gibt es immer und überall beim Centre d’Accueil Universel.

„Für jedes Problem gibt es eine Lösung“, und zwar scheinbar leicht und schnell: Ein Flyer des „Centre d’Accueil Universel“. (Foto: Reporter.lu)

Das gibt den Gläubigen ein Gefühl von Sicherheit, von Unterstützung und von Verständnis. Die Botschaft der Gruppe ist dabei aber immer klar: Es ist alleine Gott, der hilft. Es ist Gott, der erlöst. Es ist Gott, der von Problemen befreit. Tut er das nicht, dann glaubt der Gläubige eben nicht fest genug an ihn.

„Das Problem bei dieser Gruppe ist, dass sie den Menschen Wunder verspricht. Trifft dieses Wunder nicht ein, liegt die Schuld aber nicht bei der Kirche, sondern bei den Menschen selbst“, erklärt Paul Goerens das Prinzip der Universalkirche. Von einer Sekte will er aber nicht sprechen. Es handele sich eher um eine „konfliktträchtige Gruppe“, so der Experte.

Wir verbreiten dabei nicht unsere eigene Überzeugung, sondern Gott spricht durch uns.“Ein Pastor des „Centre d’Accueil Universel“

Fest steht: Diese Gruppe ist weltweit bekannt. Sie zählt sogar als die größte evangelikale Kirche Brasiliens. Gegründet wurde die „Igreja Universal do Reino de Deus“ im Jahr 1977 von Edir Macedo. Damals hat der brasilianische Geschäftsmann Macedo sich selbst zum Bischof erkoren, um seine Ideologie zu verbreiten. Und das offenbar mit Erfolg.

Obwohl in Luxemburg nicht viel über die Gruppe bekannt ist, breitet sie sich aber auch hier weiter aus. Wie viele Mitglieder sie hierzulande zählt? Darauf gibt nur das Handelsregister einen kleinen Hinweis. Die dort angegebene Mitglieder-Liste zählt lediglich 41 Personen und vier Gründungsmitglieder.

Dass es weitaus mehr sind, zeigt alleine der Fakt, dass die Gruppe sieben Veranstaltungszentren in Luxemburg besitzt. Und zwar vor allem dort, wo die Dichte an kapverdischen Bürgern besonders hoch ist.

Von der Kirche zum Radiosender

Neben den sieben Versammlungszentren will die Gruppe demnächst auch einen eigenen Radiosender starten. Die Frequenz dafür wurde ihr bereits zugesprochen. Im Frühling vergangenen Jahres hat die „Autorité Luxembourgeoise Indépendante de l’Audiovisuel“ (ALIA) insgesamt vier neue lokale Radiofrequenzen ausgeschrieben. In Esch hat das Centre d’Accueil Universel die Frequenz 106,0 für ihr „Radio Positiva“ den Zuschlag bekommen. Die Inhalte hat bisher niemand hinterfragt.

„Es ist eine Asbl wie jede andere auch“, sagt der Direktor der ALIA, Romain Kohn im Gespräch mit REPORTER. „Es liegt nichts gegen sie vor und sie haben alle Ausschreibungsbedingungen erfüllt. Weil es keine anderen Bewerber für die Frequenz gab, haben sie diese bekommen. Warum auch nicht?“ In Luxemburg gelte Meinungsfreiheit und man sei kein Zensurbüro, das sagt, was man zu tun oder zu lassen habe.

Wenn der Sender auf Antenne geht, müssen die Verantwortlichen jeden Monat einen Bericht an die Alia liefern. Erst dann könne man Abläufe kontrollieren, meint Romain Kohn. Bis es soweit ist, scheint es aber noch zu dauern. Wie das „Institut Luxembourgeois de Régulation“ mitteilt, seien noch technische Fragen zu klären.

Das ist natürlich eine gelungene Marketing-Strategie.“Paul Goerens, Sektenbeauftragter der katholischen Kirche

Das Konzept eines eigenen Radiosenders passt aber perfekt ins Bild der Glaubensgemeinschaft. Ihrem Anführer Edir Macedo gehört ein eigenes Medienimperium mit mehreren Fernseh- und Radiosendern, sowie Zeitungen. Der Fernsehsender „Rede Record“ zählt zu den wichtigsten Brasiliens.

Die Inhalte des „Radio Positiva“ gibt es aber auch bereits jetzt in Luxemburg zu hören – und zu sehen. Zwar nicht über die geplante offizielle Antenne, dafür aber online auf einer eigenen Internetseite und auf Facebook. Dort sprechen Mitglieder von ihrem Leidensweg, wie sie zur Gruppe gefunden haben – und vor allem darüber, wie ihnen die Gemeinschaft geholfen hat. Was aber niemand erwähnt, ist der Preis, den sie dafür zahlen müssen.

Ein teurer Weg bis zur Erlösung

Denn bei den Gottesdiensten – oder Versammlungen, wie die Verantwortlichen sie nennen – fließt jede Menge Geld. In Form von Spenden, versteht sich. „Es geht auch gar nicht anders, wenn man bedenkt, wie viele Immobilien die Gemeinschaft in Luxemburg mietet“, sagt Paul Goerens. „Das muss ja alles bezahlt werden.“

Hinzu kommen die Kosten für den Druck der Werbeflyer und Plakate sowie das Gehalt der fest angestellten Pastoren. Wie viel sie verdienen? Auch dazu steht nichts in den Dokumenten, die beim Registre de Commerce hinterlegt worden sind.

Auch zu den Spenden lässt sich wenig Konkretes herausfinden. Nur soviel: Der Gründer der Kirche, Edir Macedo, beruft sich gerne auf einen Bibelvers aus dem Buch Maleachi, nachdem jedes Mitglied ein Zehntel seines Einkommens an den Herrn geben soll. „Bringt den ganzen Zehnten in das Vorratshaus, damit Nahrung in meinem Haus ist! Und prüft
mich doch darin, spricht der Herr der Heerscharen, ob ich euch nicht die Fenster des Himmels öffnen und euch Segen ausgießen werde bis zum Übermaß!“, heißt es in Maleachi 3:10.

„Wenn man das so hin bekommt, kommt natürlich eine gewisse Summe zusammen“, sagt Paul Goerens. Dass in Luxemburg Spenden nach diesem Prinzip von der Kirche eingesammelt werden, sei ihm allerdings nicht bekannt.

Im Rahmen der Religionsfreiheit

Illegal ist das alles nicht. Und auch die Botschaft der Wunderheilung, die die Gruppe verbreitet, mag vielleicht naiv erscheinen, ist aber erlaubt. Laut der Verfassung gelte die Religionsfreiheit, heißt es auf Nachfrage von REPORTER aus dem Kultusministerium. Solange man nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoße, bestehe kein Problem. Bei Vorfällen sei dann die Staatsanwaltschaft zuständig. Dort liegt nichts gegen die Gruppe vor, teilt ein Justizsprecher mit.

Die Gruppe breitet sich zwar kontinuierlich aus, verhält sich dabei aber eher unauffällig. Sie ist eben plötzlich da. Sei es in Form eines neuen Zentrums oder, wie demnächst, in Form eines Radiosenders. Und dabei hält sie sich ganz an das Motto des Pastors in Esch: „Wir sind für alle da, die Hilfe suchen.“

Und wenn es dann doch zu einem Problem kommen sollte, gibt es trotzdem immer die passende Lösung – und ein passendes Gebet.


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