Luxemburgs Abtreibungsgesetz ist eines der modernsten Europas. Der Text ist liberal, die Einstellung der Politik aber weiterhin konservativ. Öffentlich will sie sich nur begrenzt mit dem Thema auseinandersetzen. Ein Kommentar.
2014 klopfte sich die Politik auf die Schulter. In einem neuen Gesetz wurden Abtreibungen als straffrei erklärt, eine zweite Zwangsberatung für Schwangere optional und der Begriff „Notlage“ aus dem Gesetz gestrichen. Die Frau sollte selbst bestimmen können, ob sie ein Kind will oder nicht und was mit ihr, ihrem Körper und ihrer Zukunft passiert. Für die Stärkung der weiblichen Selbstbestimmtheit feierte Blau-Rot-Grün sich selbst. Zurecht.
Der Text war verabschiedet, die Arbeit getan, das Problem gelöst. Zumindest theoretisch. Denn Frauen, die über eine Abtreibung nachdenken, brauchen mehr als ein liberales Gesetz. Sie brauchen ein aufgeklärtes Umfeld, das ihnen eine wirkliche Entscheidung ermöglicht. Oder zumindest eine offene, tolerante Debatte. Diese fehlt aber bis heute. Sie wird weder von der Gesellschaft noch von der Politik geführt, geschweige denn gefördert.
Obwohl die Entscheidung für oder gegen ein Kind, wohl die schwerste ist, mit der eine Frau konfrontiert werden kann, bleiben die meisten von ihnen mit dieser Entscheidung alleine. Abtreibungen bleiben ein Tabu. Die Politik hat es versäumt, neben einer Öffnung des Gesetzes auch den Weg hin zu einem aufgeklärten Umgang mit dem Thema zu öffnen. Stattdessen gehen Frauen den Weg hin bis zum Abbruch immer noch stillschweigend alleine. Hilfe gibt es kaum.
Stillschweigen bremst öffentliche Debatte aus
Abtreibungen dürfen zwar ganz legal vorgenommen werden, nur sprechen soll bitte niemand darüber. Ärzte haben weiterhin Vorbehalte gegen Schwangerschaftsabbrüche und wollen nicht als „Abtreiber“ abgestempelt werden. Es fehlen außerdem Statistiken beim Gesundheits- und Sozialversicherungsministerium sowie klare Regeln für gewollte Abtreibungen bei der nationalen Krankenkasse. Solange es keine konkrete Daten zu dem Thema gibt, kann die Wirkung und Sinnhaftigkeit eines Gesetzes nicht bewertet werden.
Auf Nachfrage hin schießen sich Sozialversicherungs- und Gesundheitsministerium gegenseitig die Bälle und die Verantwortung zu. Abtreibung? „Das geht nur die Patientin und den Arzt etwas an“, heißt es aus dem Sozialversicherungsministerium. Dieses Stillschweigen lässt tief blicken. Über Abtreibungen soll nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen werden. Damit werden aber zwangsläufig diejenigen stigmatisiert, die sich dafür entscheiden.
Dabei versprach bereits der frühere Gesundheits- und Sozialminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) 2012 einen Rückerstattungstarif für gewollte Abtreibungen bei der Gesundheitskasse. Er wollte Klarheit für die Frauen schaffen, passiert ist bis heute nichts. Weder unter Di Bartolomeo noch unter seinen Nachfolgern.
Geschichten müssen gehört werden
Sicherlich ist die Entscheidung für eine Abtreibung etwas Intimes. Wird der Frau von der Gesellschaft, den Ärzten und der Politik quasi vermittelt, dass das was sie tut, etwas Anrüchiges ist, behält sie ihre Entscheidung sicherlich lieber für sich – sogar, wenn sie gerne mit jemanden darüber sprechen wollen würde. Dabei geht es nicht darum, einzelne Betroffene zu „outen“. Im Gegenteil.
Wie kommt das Thema dann aber aus der Tabuzone? Abtreibungen sind heute kaum Gegenstand öffentlicher Debatten. Damit sich das ändert, muss die Politik den ersten Schritt machen und die Fakten rund um Schwangerschaftsabbrüche auf den Tisch legen. Hinter konkreten Zahlen verbergen sich auch immer persönliche Geschichten. Frauen werden aber wohl erst dazu bereit sein, ihre Geschichten zu erzählen, wenn Politik und Gesellschaft auch dazu bereit sind, zuzuhören.
Wenn das tatsächlich gelingt, dürfen sich die politischen Verantwortlichen auch wieder auf die Schulter klopfen.