Mehr Flexibilität, eine bessere Mobilität, weniger Steuern für Familien und Betriebe – und das alles möglichst schnell. Die DP stellte am Sonntag in Limpertsberg erste Punkte ihres Wahlprogramms vor. Bis zur finalen Version müssen die Bürger sich aber noch gedulden.

Licht aus, Spot an. Der DP-Wahlkongress im Tramsschapp beginnt mit einem Video. Premierminister Xavier Bettel tritt ins Bild. „DP 2018. Si mer prett?“, fragt er in die Kamera. Dann werden die anderen 59 Kandidaten praktisch im Millisekundentakt nacheinander eingeblendet. Die Liberalen stellen sich vor. In 39 Sekunden. Kurz und knapp.

Nicht nur dieser Clip zeigt, dass die DP es eilig hat. „Unsere Ideen stehen auf Papier. Aber Papier, liebe Freunde, ist geduldig“, sagt DP-Generalsekretär Claude Lamberty. „Es ist jetzt unsere Aufgabe, alle zusammen diese Ideen und Überzeugungen auch an die Frau und an den Mann zu bringen.“

Andere Parteien würden ihre Zeit mit „jammern“, „schlechtreden“ oder „schmollen“ verbringen. Die DP nutze sie dagegen, um „für die Zukunft und für die Menschen des Landes“ zu arbeiten, lobt er seine Parteifreunde und sich selbst. Und in der Tat: Der Optimismus und der Tatendrang der Liberalen scheinen nach fünf Jahren an der Regierung immer noch authentisch.

„Ich kann extrem ungeduldig sein“

An Tempo will die DP auch beim Thema Mobilität gewinnen. Der öffentliche Transport soll für jeden kostenlos, die Tram in Richtung Mamer, Leudelingen, Esch, Junglinster und darüber hinaus ausgebaut und Straßen und Autobahnen durch intelligente Verkehrsleitsysteme modernisiert werden. „Wir müssen unser Verkehrsnetz konsequent ausbauen. Und das jetzt. Heute. Sofort“, schleudert Parteipräsidentin Corinne Cahen ihre Botschaften wie Speere in den Saal.

Wenn vor zehn, fünfzehn Jahren die richtigen Entscheidungen getroffen worden wären, dann wäre der Stau heute weniger lang.“DP-Spitzenkandidat Xavier Bettel

Alles soll praktisch mit einem Fingerschnippen erledigt werden. Nicht noch lange Konzepte und Studien ausarbeiten, sondern Ideen dank „schneller Prozeduren“ einfach umsetzen. Hauptsache es passiert was – und zwar zügig: „Die, die mich kennen, wissen: Ich kann manchmal extrem ungeduldig sein. Manchmal sogar zuviel“, sagt Corinne Cahen. „Ich bin aber der Meinung, dass ich in diesem Bereich für uns alle sprechen kann: unsere Zeit ist zu wertvoll, um sie im Stau zu verbringen.“ Geduld ist bei der DP demnach keine Tugend, stattdessen will Cahen, dass die Partei „den Blinker setzt und auf die Überholspur wechselt“. Bei solchen Floskeln geht der Saal mit. Applaus.

Erst gegen, jetzt für die Tram

„Wir haben keine Zeit“, sagt auch DP-Spitzenkandidat und Premierminister Xavier Bettel. Er wirft den Vorgängerregierungen vor, beim Thema Mobilität zu langsam gearbeitet zu haben: „Wenn vor zehn, fünfzehn Jahren die richtigen Entscheidungen getroffen worden wären, dann wäre der Stau heute weniger lang.“

Vergessen sind demnach die Zeiten, in denen die hauptstädtische DP sich gegen eine Tram stemmte. Für die damalige und heutige Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg war die Straßenbahn lange keine Lösung für das Verkehrsproblem. Um das zu beweisen, ließ sie am 19. März 1999 vier Busse aneinanderketten und von einem Abschleppwagen vom Hauptbahnhof zum Centre Hamilius fahren. Es sollte die Simulation einer Tramfahrt werden – und der Beweis dafür, dass dadurch das Verkehrschaos auf den Straßen der Stadt nur verschlimmert werde.

Die Wende kam bei der DP erst im Jahr 2014, als Infrastrukturminister François Bausch und Mobilitätsschöffin Sam Tanson ein neues Tram-Konzept vorstellten. Und jetzt, da die Straßenbahn endlich rollt, würden selbst die Liberalen wohl nicht mehr auf die Idee kommen, sie gegen eine Bus-Karavane austauschen zu wollen. Stattdessen plädieren sie lieber für mehr Tramlinien.

Ein neues Steuerkonzept muss her

Weiteres zentrales Thema im Tramsschapp: Steuerentlastungen – sowohl für Privatleute als auch für Betriebe. Auch für diese Vorschläge gibt es Applaus vonseiten der Delegierten. Applaus dafür, dass Bürger nicht mehr danach besteuert werden sollen, ob sie verheiratet oder ledig sind, sondern nach der Anzahl der Kinder in einem Haushalt. Und Applaus dafür, dass kleine und mittelständische Betriebe weiter steuerlich entlastet werden sollen.

Wie aber werden die Steuerklassen in den Haushalten angepasst, wenn die Kinder erst einmal aus dem Haus sind? Wie viel kostet die Reform? Und wie weit kann der Steuersatz für die Betriebe weiter sinken? Für Details fehlte dann einfach die Zeit.

Haben sie noch nicht gemerkt, dass die Krise vorbei ist?“DP-Präsidentin Corinne Cahen

Am Montag sagte Xavier Bettel dann im Interview bei Radio 100,7 zum Thema Besteuerung der Privathaushalte: „Das System soll individualisiert werden.“ Eine steuerliche Ungerechtigkeit dürfe nicht dadurch entstehen, ob ein Paar verheiratet ist oder nicht. Es gehe der DP vor allem darum, Familien mit Kindern zu entlasten.

Und die Betriebe? Corinne Cahen sagt am Sonntag, man müsse ihnen die Möglichkeit geben, „zu investieren, zu innovieren und Arbeitsplätze zu schaffen“. Dabei ist erst durch die Reform von 2017 die Körperschaftssteuer der Betriebe progressiv bis auf 18 Prozent gesunken. Für kleine und mittelständische Betriebe mit einem Einkommen unter 25.000 Euro ist der gesamte Steuersatz von 28,15 Prozent (2016) auf 22,80 Prozent gesunken. Wie weit die DP diesen Wert noch drücken will, das sagt weder Cahen noch Bettel.

Weniger Steuern, mehr Geschenke

Jahresarbeitszeit und ein Elternurlaub plus, ein größeres Angebot an Sprachkursen für Angestellte im Pflege- und Gesundheitssektor und kostenlose Musikkurse für Kinder – auch diese Wohltaten sieht das DP-Wahlprogramm vor. Corinne Cahen listet sie alle auf. Sie sollen den Bürgern mehr Flexibilität und mehr Lebensqualität bringen. Fest steht demnach: „Méi mat manner“ ist nicht mehr. Jetzt gilt eher „Méi mat méi“ – und das am besten rasend schnell.

Klatschen für ein „Sowohl-als-auch“-Wahlprogramm: Die Delegierten beim DP-Kongress. (Foto: DP)

Denn die finanzielle Schieflage des Landes sei längst überstanden. Und auch der entsprechende Diskurs der DP vor den letzten Wahlen gehört damit der Vergangenheit an. Die DP will nach den Wahlen lieber wieder investieren. Wer jetzt noch ans Sparen denkt, ist quasi selber schuld. „Warum hat die Opposition alle Maßnahmen abgelehnt, die zum Ziel hatten, junge Menschen und Familien hier im Land zu unterstützen? Haben sie noch nicht gemerkt, dass die Krise vorbei ist?“, fragt Corinne Cahen.

Die Partei des „Sowohl-als-auch“

Die Liberalen haben es eilig. Eilig, um in den Wahlkampf zu starten. Eilig, um zu gewinnen. Und eilig, um ihre Ideen umzusetzen. „Ich bin motiviert und brenne, um raus zu gehen und mit den Menschen zu sprechen. Und ich bin überzeugt davon, dass wir nicht nur genau wissen, was wir alles vorhaben, sondern auch, dass dies der richtige Weg für Luxemburg ist“, so Bettel am Ende seiner Rede. „Lasst und alles geben, unsere Kräfte bündeln und auch die nächsten Wahlen gewinnen – im Interesse von Luxemburg“, lautet seine finale Botschaft. Es folgen tosender Applaus und stehende Ovationen.

Und der umstrittene Wahlslogan „Zukunft op Letzebuergesch“? Er wurde während des Parteitages immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt. Laut der DP kann er letztlich so ziemlich alles bedeuten. Geht es nach der liberalen Lesart bedeutet „Zukunft op Letzebuergesch“ sowohl Tradition als auch Innovation, Luxemburger Sprache und Mehrsprachigkeit, nationale Identität und Multikulturalität. Der Spruch soll, wie das gesamte Wahlprogramm, nicht für ein „Entweder-oder“ stehen, sondern für ein „Sowohl-als-auch“. Anders gesagt: Er ist ziemlich beliebig.

Wahlprogramm in der Warteschleife

Die DP will an Fahrt aufnehmen, die Bürger müssen sich aber in Geduld üben. Denn die endgültige Form des Wahlprogramms lässt noch auf sich warten. Ende Juli soll es auf der Internetseite der Partei erscheinen, später dann auch in gedruckter Form veröffentlicht werden. Schreib- und Grammatikverbesserungen sowie einige Änderungen müssten erst noch vorgenommen werden, so Xavier Bettel im Gespräch mit „Radio 100,7“.

Es geht dann aber doch nicht nur darum, den Text noch einmal durch den Spellchecker laufen zu lassen. Eine programmatische Hintertür lässt sich die Partei nämlich offen. Nach der Präsentation am Sonntag muss das mächtige „Comité directeur“ das Programm noch absegnen. Die großen Leitlinien stehen zwar fest, das Komitee hat aber theoretisch die Möglichkeit noch Änderungen vorzunehmen. Danach soll die finale Version präsentierfähig sein.

Warum stellt man das komplette Programm nicht erst vor, wenn es fertig ist? Darauf gab es am Sonntag keine Antwort. Der Schönheitsfehler scheint aber auch keinen in der Partei zu stören. Vielleicht wird das Programm ähnlich beliebig und vage bleiben wie die Leitlinien. Vielleicht fehlte selbst einer so schnellen und zielstrebigen Partei wie der DP für die Fertigstellung bis jetzt aber auch einfach nur die Zeit.