Lobbyisten gelten als obskur und verschwiegen. Doch um den schlechten Ruf ihrer Branche abzustreifen, setzen deutsche Politikberater und Interessenvertreter sich mittlerweile dafür ein, dass ihr eigener Berufsstand strenger reguliert wird. Bislang ohne Erfolg.
Axel Wallrabenstein ist seit über 18 Jahren in diesem Geschäft: Er berät Firmen dabei, wie sie über politische Themen kommunizieren sollen. Er stellt Kontakte zwischen Wirtschaftsvertretern und politischen Entscheidungsträgern her. Als Lobbyist will der Geschäftsführer der Beratungsagentur MSL Deutschland aber nicht gesehen werden: „Ich bin ein Dienstleister für Unternehmen oder Verbände. Als Agentur haben wir ja selbst kein Interesse an gewissen Themen, sondern wir unterstützen unsere Kunden bei ihrer Lobbyarbeit.“
Wie viele Berater scheut Wallrabenstein das klassische Lobbyisten-Image. Zum Interview empfängt er nicht in einem schicken Café im Regierungsviertel, sondern, ohne Krawatte, in der hip eingerichteten Cafeteria seiner Agentur in Charlottenburg. Das Interieur erinnert eher an ein Designer-Büro als an Hauptstadt-Politik: Vor einer Wand aus Schiefer stehen grellfarbene Hocker um eine lange Tischplatte aus Holz. An den Espresso-Maschinen kann man sich selbst bedienen.
„Wir sind nicht die klassische Lobbyagentur, sondern eher die kreative Public-Affairs-Agentur, die auch Kommunikation mitdenkt,“ sagt Wallrabenstein. Und fügt hinzu: „Klassische Hinterzimmer-Treffen in Nadelstreifenanzügen sind mittlerweile überlebt.“ Seine Arbeit sei oft „unspektakulärer“ als Außenstehende sich das vorstellen: „Da wird viel recherchiert, es werden viele Memos geschrieben.“ Nach dem Antritt der neuen Regierung sei es im Moment wichtig sich zu informieren, „wer in den neuaufgestellten Ministerien für welches Thema zuständig sein wird.“
Wider das obskure Image
Wallrabensteins Auftreten zeigt: Die deutsche Lobby-Branche ist bemüht, ihr obskures Image abzustreifen. Man kommuniziert offen über die Arbeit, man sucht das Gespräch mit Journalisten. Doch der Sinneswandel in der Branche beschränkt sich nicht auf das rein Äußerliche: Mitte April wandte sich der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) gemeinsam mit der Antikorruptionsorganisation „Transparency Deutschland“ an die Öffentlichkeit. Die ungewohnten Partner machen sich für mehr Transparenz im Lobbygeschäft stark. Ihre gemeinsame Forderung: Ein gesetzlich verpflichtendes Lobbyregister für alle Interessenvertreter in Deutschland.

In Washington und Brüssel gibt es bereits seit Jahren solche öffentlich einsehbaren Datenbanken. Wirtschaftsvertreter, Gewerkschafter oder Berater, die sich mit Politikern oder Beamten treffen, werden in diese Register eingetragen. Auch in Deutschland fordern Anti-Korruptions-Aktivisten ein öffentliches Lobbyregister. Umgesetzt wurde die Forderung bisher nicht. Zuletzt haben CDU/CSU und SPD das entsprechende Vorhaben kurz vor Ende ihrer Koalitionsverhandlungen wieder verworfen. In Luxemburgs politischem Betrieb diskutiert man über das Thema noch nicht einmal.
Die deutsche Politik sei beim Thema Transparenz leider sehr „skandalgetrieben“, bedauert Timo Lange ferner. Als Mitarbeiter der NGO „LobbyControl“ wirbt der ausgebildete Politikwissenschaftler schon seit Jahren für ein verpflichtendes Lobbyregister. Seiner Meinung nach braucht es in Deutschland aber Skandale damit sich etwas ändert: „Die Regeln werden nur dann verschärft, wenn etwas passiert, das in der Öffentlichkeit für Empörung sorgt.“
Warten auf das Lobbyregister
Für Lange wäre ein Lobbyregister ein wichtiger Schritt, weil ein solches Verzeichnis hilft „Verflechtungen zwischen Politik und Lobbyorganisationen sichtbar zu machen und somit auch zu kontrollieren“.
Das sieht auch Hans-Martin Tillack so, der als Investigativreporter beim Wochenmagazin „Stern“ ein kontrollierendes Auge auf die Berliner Lobbyszene wirft. Das öffentliche Interesse am Thema Lobbying, sei zwar „nicht immer riesig“, so Tillack. Aber: „Ein Register würde denen die Arbeit erleichtern, die in diesem Bereich recherchieren.“
Axel Wallrabenstein kennt die Forderungen der Lobby-Kritiker, doch sie überzeugen ihn nicht. „Ganz ehrlich, mir ist es am Liebsten, es bleibt alles so wie es im Moment ist. Da haben wir am wenigsten Probleme und Ärger damit,“ so der MSL-Chef. Er habe nicht den Eindruck, dass Deutschland korrupter sei als Orte, wo der Austausch zwischen Politikern und Interessensvertretern bereits strenger geregelt ist.
Doch querstellen will Wallrabenstein sich nicht, im Gegenteil: „Aus Sicht der Branche macht es durchaus Sinn ein solches Register einzuführen. Weniger um investigativen Journalisten ein nettes Recherchetool zu bieten, sondern eher um die schwarzen Schafe in der Branche auszusortieren.“
Wer ist schon kein Lobbyist …?
Mit dieser Meinung steht er in der Branche nicht alleine da. Auch der gebürtige Österreicher Karl Jurka, der seit 28 Jahren als Politikberater aktiv ist, hat „überhaupt nichts dagegen“ zu veröffentlichen, mit welchen Politikern und Beamten er sich verabredet. Allerdings müssten dann auch alle Interessenvertreter sich an die gleichen Regeln halten: „Es kann nämlich nicht sein, dass Gespräche mit Politikberatern veröffentlicht werden müssen während Treffen mit Rechtsanwälten und NGOs geheim bleiben dürfen,“ so Jurka.

Rechtsanwälte würden sich gerne auf ihre Verschwiegenheitspflicht berufen, obwohl auch sie Interessen gegenüber der Politik vertreten. NGOs würden derweil oft behaupten sie würden kein Lobbying, sondern „Advocacy“ betreiben, so Jurka weiter. „Bislang konnte mir aber noch keiner erklären, was der Unterschied ist.“
Jurkas Position gilt mittlerweile als Konsens unter Berliner Lobbyisten: Lobbyregister ja, aber dann auch für alle. So spricht sich neben dem Verband der Chemischen Industrie, auch der Branchenverband der Politikberater (Degepol) für ein verpflichtendes Register aus.
Timo Lange ist sich bewusst, dass er als Mitarbeiter von LobbyControl selbst in die Kategorie der „Interessenvertreter“ gehört: „Wenn man den Begriff ‚Lobbyismus‘ benutzt, um das professionalisierte Vertreten von politischen Interessen neutral zu beschreiben, dann betreiben wir bei LobbyControl natürlich auch selbst Lobbyarbeit.“
„Im ständigen Austausch mit der Politik“
Für Lange ist daher klar, dass auch seine Organisation sich in ein Lobbyregister eintragen müsste. Wie ein entsprechender Register-Eintrag aussehen könnte, zeigt LobbyControl online. Auf der Webseite der NGO kann man in einem Beispiel-Formular ablesen, dass 2016 Einnahmen in Höhe von rund einer Million Euro gemacht wurden, die sich zu 74 Prozent aus Spendengeldern speisten. Neben einem Büro in Köln, finanziert LobbyControl damit auch das Hauptstadtbüro in Berlin-Kreuzberg, wo fünf Mitarbeiter angestellt sind.
Dass seine NGO damit ein kleiner Player im großen Getriebe der Berliner Politik ist, lässt sich am Stadtbild ablesen. An der Allee Unter den Linden, hinter der Deutschen Staatsoper und unweit des Regierungsviertels, steht ein prunkvolles Bankgebäude aus dem späten 19. Jahrhundert. Hier an der Behrenstrasse 35A residiert seit 2010 der Verband der deutschen Automobilindustrie. Auf Nachfrage teilt ein Sprecher mit, der Verband beschäftige 80 feste Mitarbeiter in Berlin, die „im ständigen Austausch mit der Politik“ stehen. Wie viel das im Jahr kostet, will man uns nicht verraten. Neben dem Branchenverband sind die verschiedenen Autokonzerne auch mit eigenen Büros direkt im Berliner Regierungsviertel vertreten.
Die Vorteile der zentralen Lage kennt man auch bei LobbyControl. „Unser erstes Büro in Berlin lag super. Mitten im Zentrum: drei Minuten vom Bundestag, und fünf Minuten vom ARD-Hauptstadt-Studio entfernt,“ erinnert sich Timo Lange. Doch ein Büro im Regierungsviertel ist teuer. LobbyControl entschied sich deshalb 2016 für den Umzug in eine Büroetage in Kreuzberg. Lange verbringt nun manchmal „zwei Stunden am Tag in der U-Bahn“, wenn er Abgeordnete im Stadtzentrum treffen will. Auch ein Lobbyregister wird daran nichts ändern.