Der Iran kämpfte jahrelang mit einem schlechten Image. Doch seit der Präsidentschaft Rouhanis trauen sich immer mehr Touristen ins Land und entdecken die einzigartige Kultur.

Als ich von meiner ersten Backpackerreise durch den Iran zurückkehrte, fühlte ich mich ein bisschen als Aufklärer. Nein, der Iran besteht längst nicht nur aus Wüste. Nicht alle Männer tragen Turbane und lange Bärte und nicht alle Frauen sind schwarz verhüllt, erklärte ich meinen Freunden in Deutschland. Es waren dieselben Freunde, die mich zuvor gewarnt hatten, das Land zu bereisen. Eine meiner Lieblingsgeschichten, die ich ihnen erzählte, war die Begegnung mit einem Taxifahrer in Schiras, der mir im Nachmitagsstau vor lauter Langeweile Gedichte des großen persischen Mittelalterdichters Hafis vorsang. Welch eine Kultur!

Das war 2010. In kaum einem Land schienen für mich damals Image und Wirklichkeit so weit auseinander zu klaffen wie beim Iran. Klar, an Abschreckungspotenzial fehlt es dem Iran nicht: Die Islamische Revolution von 1979 und die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft, die berüchtigte Khomeini-Fatwa gegen Salman Rushdie aus den achtziger Jahren und die Niederschlagung der Wahlproteste von 2009. Auch die relativ konservative Kleidungsordnung im Land oder die Abwesenheit von Nachtklubs können auf Urlauber abstoßend wirken.

Doch dagegen stehen eine überwältigende Gastfreundschaft und Herzlichkeit gegenüber Fremden, die Ästhetik der jahrtausendealten iranischen Kultur, die Schönheit von Sprache und Poesie und die landschaftliche Vielfalt zwischen Kaspischem Meer und Persischem Golf. All dies schien so gar nicht zum einseitigen Bild des islamistischen Schurkenstaats zu passen, das uns die Medien in zuverlässiger Manier servieren.

Der Iran ist nicht so wie er dargestellt wird – das ist nun längst Plattitüde

Inzwischen ist die Erkenntnis, dass der Iran gar nicht so ist wie er immer dargestellt wird, längst eine Plattitüde. Auf fast jedem Blog à la „Zehn Länder abseits des Mainstreams, die Sie bereisen müssen“ ist der Iran aufgeführt. Reportagen und Reisebücher aus den letzten Jahren zeigten den Iran durch die Brille neugieriger Entdeckungsjournalisten, wenn auch zuweilen recht oberflächlich.

Im 2015 erschienenen Bestseller Couchsurfing im Iran. Meine Reise hinter verschlossenen Türen vermittelte uns der Spiegel-Online-Reiseredakteur Stephan Orth einen jungen Iran, deren Bewohner sich vor allem nach einem Leben wie im Westen sehnten. Wer wie Orth in der Ferne vorzugsweise die vertraute westliche Spaßkultur sucht, tummelt sich folgerichtig auf den berühmt-berüchtigten Teheraner Untergrundparties, um sich hinterher zum Entdecker des „wahren Iran“ zu stilisieren.

Sheikh-Lotfallah-Moschee in Isfahan
Die Sheikh-Lotfallah-Moschee in Isfahan. (Foto: Marian Brehmer)

Wie auch immer unser Iran-Bild ausfällt – ob dem Westen feindlich oder zugeneigt – immer mehr Europäer trauen sich mittlerweile, das Land zu bereisen. Dank der Zeichen von politischer Öffnung ist der Iran unter dem wiedergewählten Reformpräsidenten Hassan Rouhani als Reiseziel attraktiver geworden. Neben dem Abschluss des lang erkämpften Atomabkommens war die Förderung des Tourismus eines der erklärten Ziele Rouhanis bei seinem Amtsantritt.

Seit einigen Jahren bekommen Reisende aus vielen Ländern Europas bei ihrer Ankunft am Flughafen ein einmonatiges Visum in den Reisepass geklebt. Auch wenn die Lockerung der Sanktionen bislang wenig an den wirtschaftlichen Problemen vieler Iraner geändert hat, sind ausländische Touristen mit Selfiesticks für viele im Iran ein hoffnungsvoller Anblick.

Den schlechten Ruf mit echter Gastfreundschaft bekämpfen

Besonders macht sich der Zulauf an Besuchern in Isfahan bemerkbar, der berühmten zentraliranischen Stadt, die auf Persisch den Ruf hat, “die halbe Welt” zu sein. Während nach einem Bericht der Zeitung „Isfahan Today“ im Jahr 2013 noch 5.000 Touristen pro Monat die Moscheen und Königspaläste von Isfahan besuchten, waren es 2017 schon 85.000. In der Stadt fehlt es jedoch an Hotels. Deshalb schaffte die lokale Verwaltung zuletzt die Steuern ab, die Unternehmer bei Neugründung von Hotels zu zahlen haben.

Nirgendwo lässt sich die Iran-Begeisterung zur Zeit besser ablesen als an der Popularität der Facebook-Gruppe „See you in Iran“. Der Exiliraner Navid Yousefian aus den USA gründete die Gruppe als Austauschsplattform zwischen Iranern und Iranreisenden um der weit verbreiteten „Iranophobie“ entgegenzuwirken. Inzwischen zählt die Gruppe über 140.000 Mitglieder und ist zu einer sozialen Organisation avanciert, die in Teheran ein Hostel und ein Kulturzentrum betreibt.

Enthusiastische Iraner beantworten hier Fragen von Reisenden zu ihrem Iranaufenthalt. Die Einheimischen handeln dabei, trotz offizieller Facebooksperre, nach dem dringenden Bedürfnis, langsam aber sicher den schlechten Ruf Irans in der Welt durch echte Gastfreundschaft abzubauen. Neben Tipps für die beste Reiseroute, den günstigsten Handynetzbetreiber oder vertrauenswerte Teppichhändler kann man bei „See you in Iran“ auch Berichte von zurückgekehrten Iranreisenden lesen.

Auch Enthusiasmus für die iranische Kultur gibt es viel: Eine Nutzerin bat kürzlich um die Übersetzung eines Hafis-Orakelgedichts, das sie vor ihrer Rückreise einem Straßenverkäufer abgekauft hatte. Prompt meldete sich jemand mit den Versen auf Englisch zurück. Ein polnischer Reisender versuchte sich sogar selbst am Dichten auf Persisch, meinte jedoch scherzhaft, dass er sich lieber zurückhalten wolle um nicht bald selbst als nächster Hafis zu gelten.

Wie Indien in den Achtundsechzigern

Unter den internationalen Mitgliedern von „See you in Iran“ jedenfalls herrscht das Gefühl, auf neuen Pfaden unterwegs zu sein und Eindrücke aus einem missverstandenen Land mitzubringen, dass sie verstehen und lieben gelernt haben. Pioniergeist, gepaart mit Abenteuerlust und einer Prise Exotik – das ist ein bisschen wie Indien in den Achtundsechzigern.

Für viele der Nutzer wird es nicht der letzte Iranbesuch sein. Doch beim nächsten Besuch werden sie sich die Sehenswürdigkeiten höchstwahrscheinlich schon mit mehr Touristen teilen müssen. Wenn der Tourismusplan der iranischen Regierung aufgeht, soll sich die Zahl der Besucher von 5,4 Millionen (2015) auf mehr als 20 Millionen Touristen im Jahr 2025 erhöhen. Steigt die Besucherzahl so exponentiell wie die Mitgliederschar bei „See you in Iran“, dann ist das gar nicht mal so unrealistisch.