Patienten müssen sich oft mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate für einen IRM-Termin in Luxemburg gedulden. Die Politik hat kurz vor den Wahlen vier zusätzliche Geräte versprochen. Ein wichtiger Schritt – aber nicht unbedingt die Lösung.

Strahlend weiß steht es da. Das MRT-Gerät (Französisch IRM) in der Zitha-Klinik wirkt wie eine Mischung aus Raumschiff und futuristischem Tunnel. Es ist 21 Uhr, die letzte Patientin hat die Radiologie eben verlassen. Ab jetzt brummt der Apparat bis zum frühen Morgen ruhig vor sich hin, abschalten lässt er sich  nicht. Schichtende für Dr. Jean-Baptiste Niedercorn und sein Team.

„Ich bin mir sicher, dass in der Saturn V Rakete der Mission Apollo 11 weniger Technik steckt, als in diesem MRT“, sagt er stolz. Das Siemens-Gerät ist die neuste Errungenschaft seiner Radiologie. 1.100.000 Euro hat es gekostet, seit April dieses Jahres ist es im Einsatz.

Nur im Notfall geht es schnell

Niedercorn leitet den Radiologiebereich der Hôpitaux Robert Schuman. Obwohl die Ärzte ihren Patienten die neuste Technik bieten, stehen sie in keinem guten Licht. Das liegt weniger an ihnen selbst, als viel mehr an den extrem langen Wartezeiten für die Untersuchungen.

Tatsache ist: Damit es vorangeht, muss ein Notfall vorliegen. Ansonsten warten Patienten in der Regel Wochen, wenn nicht sogar Monate auf ihre Untersuchung.

In Deutschland lassen sich nur diejenigen behandeln, die es sich leisten können. Alle anderen müssen in Luxemburg über Monate hinweg auf ihren Termin warten.“Dr. Guillaume Steichen, AMMD

Es reicht, sich im Freundes- und Bekanntenkreis umzuhören, um festzustellen, dass es ein Problem ist. Praktisch jeder war schon mal in dem Fall – oder kennt zumindest jemanden, dem es so ergangen ist. Die einen warten also ungeduldig bis der Termin ansteht, die anderen beantragen einfach einen im Ausland. Weil es dort schneller gehen soll.

Exodus in die Großregion

Dass Luxemburger ins Ausland, vorzugsweise nach Deutschland gehen, ist demnach nachvollziehbar. Doch nicht jeder hat das nötige Budget. „Im Ausland sind die Behandlungen um einiges teurer. Dort lassen sich nur diejenigen behandeln, die es sich leisten können. Alle anderen müssen in Luxemburg über Monate hinweg warten“, sagt Dr. Guillaume Steichen, Generalsekretär der Ärztevertretung Association des Médecins et Médecins Dentistes (AMMD). Die Kosten können in Deutschland je nach Untersuchung zwischen 200 und 800 Euro variieren.

Luxemburger werden in Deutschland als Privatpatienten eingestuft – und bekommen dadurch meist innerhalb von einer Woche einen Termin. Das Problem: Wenn sie vorgezogen werden, müssen deutsche Kassenpatienten länger auf ihre Untersuchung warten.

Die Patienten würden somit die Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland unterstützen, sagt Dr. Niedercorn. „Es ist ganz einfach: In Luxemburg soll jeder auf die gleiche Art und Weise medizinisch versorgt werden. Deshalb muss auch jeder auf einen Termin warten. Werden Luxemburger in Deutschland aber als Privatpatient eingestuft, nehmen sie dort Kassenpatienten die Plätze weg.“

Momentan gibt es hierzulande nur sieben MRTs – für eine Bevölkerung von rund 600.000 Menschen.“Dr. Jean-Baptiste Niedercorn, Radiologe

Die nationale Gesundheitskasse CNS teilt mit, dass nur zwei Prozent aller MRT-Untersuchungen im Ausland durchgeführt werden. Auf Nachfrage heißt es aus dem Brüderkrankenhaus in Trier, man führe keine Statistiken der dort behandelten Nationalitäten.

Dennoch übernimmt die Krankenkasse auch einen Teil der Kosten von im Ausland durchgeführten Behandlungen. In Luxemburg kostet ein MRT in der Regel 151,30 Euro. Die CNS zahlt 88 Prozent davon zurück, sprich 133,14 Euro. Diese Rückerstattung bekommen Luxemburger auch ausgezahlt, wenn sie sich im Ausland behandeln lassen.

Wie auf Luxemburgs Straßen: Zu viel los

Die Radiologen kennen die Terminnöte der Patienten. „Wir wissen, dass die Menschen lange warten müssen“, sagt Dr. Niedercorn. Das habe aber auch einen Grund. Es gab bis jetzt einfach zu wenig MRT-Geräte für die große Nachfrage: „Momentan gibt es hierzulande nur sieben MRTs – für eine Bevölkerung von rund 600.000 Menschen.“

Dr. Jean-Baptiste Niedercorn
Dr. Jean-Baptiste Niedercorn leitet die Radiologie in den Hôpitaux Robert Schuman. (Foto: Matic Zorman)

Zwei MRT-Scanner stehen im Centre Hospitalier de Luxembourg, zwei in den Hôpitaux Robert Schuman, zwei im Centre Hospitalier Emile Mayrisch und einer im Centre Hospitalier du Nord. Zum Vergleich: Alleine das Brüderkrankenhaus in Trier verfügt über drei MRT-Geräte.

Die Anzahl der Apparate reicht hierzulande auf Dauer nicht aus. Eigentlich gibt es bereits jetzt zu wenige. Denn nicht nur wächst die Bevölkerung stetig, die Menschen werden auch älter und viele Grenzgänger hierzulande behandelt. MRTs werden demnach immer häufiger durchgeführt.

Das belegen auch die Zahlen der Gesundheitskasse. Laut CNS-Jahresbericht waren es im Jahr 2014 47.117 MRTs, im Jahr danach lag die Zahl bei 47.602 und 2016 bei 49.591 Untersuchungen.

Sie arbeiten den Tag über in Luxemburg. Dann ist es natürlich einfacher, sich auch hier behandeln zu lassen.“Dr. Niedercorn

Niedercorn vergleicht das Problem mit der Verkehrslage auf den Luxemburger Autobahnen. Die seien irgendwann für eine bestimmte Einwohnerzahl konzipiert worden. Da aber die Bevölkerung wächst und auch immer mehr Menschen aus dem Ausland sie nutzen, sei es normal, dass sie heute überlastet sind.

Insgesamt gehen rund 30 Terminanfragen pro Tag bei den Hopitaux Robert Schumann ein. Etwa drei davon seien im Schnitt von Grenzgängern. „Sie arbeiten den Tag über in Luxemburg. Dann ist es natürlich einfacher, sich auch hier behandeln zu lassen“, sagt der Radiologe. Dass auch sie Patienten in Luxemburg sind, werde allerdings oft vergessen – oder einfach ignoriert. Dabei waren im Jahr 2017 auch 288.479 nicht in Luxemburg Ansässige bei der CNS versichert.

Schlechte Werte im internationalen Vergleich

Im Vergleich mit anderen Ländern schneidet Luxemburg bei der MRT-Ausrüstung demnach schlecht ab. Das geht aus einem OECD-Bericht von 2017 hervor. Das Großherzogtum liegt weit hinter dem internationalen Durchschnitt. Dieser zählt für das Jahr 2015 15,9 Geräte pro einer Million Einwohner. Luxemburg hat gerade einmal 12,3 Geräte pro Million – oder eben sieben für 600.000.

Was der Bericht auch zeigt: Die vorhandenen Apparate sind vergleichsweise viel im Einsatz. Nur in sechs Ländern wird die Technik noch mehr genutzt als hierzulande, während in 18 Ländern pro Kopf mehr Apparate stehen als in Luxemburg.

Diese Statistik nehmen die Radiologen gerne zur Hand, um zu zeigen, dass es einen Versorgungsengpass gibt. „Im internationalen Vergleich haben wir einen massiven Nachholbedarf“, sagt Dr. Guillaume Steichen. Auch Dr. Niedercorn weist gleich mehrmals darauf hin.

„Dass wir jetzt aber zusätzliche MRTs bekommen, ist natürlich super“, räumt er dann ein. Die Ärzte würden allerdings schon seit Jahren darauf warten.

Vier „Neue“ sollen Abhilfe schaffen

Die Rede ist von den vier neuen Apparaten, die Gesundheitsministerin Lydia Mutsch (LSAP) bereits im Jahr 2016 angekündigt hatte. Doch damals kam es dann plötzlich anders: Im September 2017 wollte Sozialversicherungsminister Romain Schneider (LSAP) über die Gesundheitskasse vorerst nur zwei Geräte genehmigen – und abwarten, ob die Anschaffung sich auch lohne. Er war der Meinung, dass Ärzte viele Untersuchungen verschreiben, ohne dass sie notwendig sind.

Bevor das MRT startet, bekommt die Patientin Anweisungen.
Bevor das MRT startet, bekommt die Patientin Anweisungen. (Foto: Matic Zorman)

Das bestätigt auch Dr. Niedercorn. Er sagt allerdings auch, dass Patienten häufig Druck auf die Ärzte ausüben. „Sie fordern ein MRT, in der Hoffnung, dass schnell eine Lösung für ihr Problem gefunden wird.“ Es sei zwar ein wichtiges Diagnosewerkzeug, aber nicht immer die richtige Wahl.

Auf die Aussagen von Romain Schneider gab es heftige Kritik vonseiten der Ärztevertretung. Sie hat bemängelt, dass die Politik sich hinter Kostengründen verstecken wollte. Dabei sind die Kassen der CNS gut gefüllt. Wie aus dem Jahresbericht hervorgeht, wurde für 2017 ein Überschuss von 150 Millionen Euro erwirtschaftet, die Gesamtreserven liegen bei 737 Millionen Euro.

Schließlich hat Gesundheitsministerin Lydia Mutsch im Juni dieses Jahres dann doch vier MRTs für die Krankenhäuser angekündigt. Die neuen Scanner sollen ins Centre Hospitalier, ins Centre Hospitalier Emile Mayrisch in Esch, ins Centre Hospitalier de Luxembourg und nach Kirchberg ins Hopitaux Robert Schuman kommen.  Damit steigt die Zahl der Geräte von sieben auf elf.

Jedes Krankenhaus bestellt seinen Apparat selbst. Mit dem Einkauf sind auch Umbauarbeiten in den Radiologien verbunden. Die werden zu 80 Prozent vom Staat und zu 20 Prozent von der CNS subventioniert, teilt Dr. Elisabeth Heisbourg vom Gesundheitsministerium mit.

Längere Öffnungszeiten, ambulante Behandlungen

Wirft man einen Blick in die Wahlprogramme, scheint die MRT-Debatte damit aber nicht abgeschlossen zu sein. Zumindest manche Parteien wollen weiter optimieren. Aber eben auch nur manche. Déi Lenk präzisieren wenig zu ihren Plänen, schreiben lediglich: „Die Krankenhäuser müssen mit einer ausreichenden Anzahl an Geräten ausgerüstet sein (z.B. IRM), um inakzeptable Wartezeiten zu verhindern“. Die Piraten wünschen sich mindestens ein weiteres MRT-Gerät.

Und während die DP eine „Verlängerung der täglichen Betriebsdauer der Apparate“ in Betracht zieht, verlangt die CSV neben längeren Öffnungszeiten der Radiologie Scanner, Röntgen und MRT, die „außerhalb einer Spitalstruktur ambulant angeboten werden können“.

Längere Öffnungszeiten überzeugen aber längst nicht jeden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Patienten noch spät abends für ein MRT vorbeikommen würden“, sagt Dr. Niedercorn. Auf mögliche Wochenenddienste geht er erst gar nicht ein.

Dr. Steichen verschließt sich flexiblen Arbeitszeiten und einem Wochenenddienst hingegen nicht. Einen Bereitschaftsdienst gebe es an den Wochenenden sowieso, sagt er. Das könnte man theoretisch auch ausweiten – aber: „Es sind vor allem die Gewerkschaften des Krankenhauspersonals, die sich dagegen wehren.“

Ein Problem bleibt: Die Bevölkerung wächst weiter und die Menschen werden immer älter.“Nadine Kohner, CHL

Niedercorn spricht sich seinerseits dafür aus, dass jede Notaufnahme ein MRT zur Verfügung gestellt bekommen soll. Das würde den Tagesbetrieb um einiges entlasten, so der Radiologe.

Und es könnte stimmen. Aktuell werden in der Radiologie Zeitfenster für Klinik- und Notfallpatienten freigehalten. Werden sie behandelt, muss ein anderer notgedrungen länger auf seinen Termin warten.

Vier neue MRTs – sind sie die Lösung?

Die Politik verschafft nun also jedem Krankenhaus ein zusätzliches Gerät. So soll das System entlastet und die Wartezeiten verkürzt werden. „Die Frage ist, ob alleine das aber die Lösung für das Problem ist?“, fragt Dr. Niedercorn.

Auch Nadine Kohner aus dem Centre Hospitalier de Luxembourg findet eine Aufstockung von vier Geräten eigentlich gut. Aber: „Wir müssen schauen, wie sich die Lage entwickelt, wenn die Geräte in Betrieb genommen werden. Denn ein Problem bleibt: Die Bevölkerung wächst weiter und die Menschen werden immer älter.“

Auch müsse man abwarten, ob die Patienten, die sich bisher für eine MRT-Untersuchung für das Ausland entschieden haben, dann nicht auch Termine in Luxemburg anfragen, so Kohner. Die Zahl der Untersuchungen wird demnach auch weiter steigen.