Welche Debatten haben das politische Luxemburg diese Woche geprägt? REPORTER-Chefredakteur Christoph Bumb wirft in unserer neuen Rubrik „De Briefing“ einen Blick hinter die Kulissen der politischen Aktualität. Diese Woche: Eine Ministerin verteidigt sich und eine Partei sortiert sich neu.

1. Fünf vor Zwölf

Krisenmodus 2.0. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Dabei ist es gerade einmal knapp zwei Wochen her, dass François Bausch von sich aus die Krise der eigenen Partei ausgerufen hat. Diesen Zustand machte der kommende Vize-Premier unter anderem am Tod des früheren Staatssekretärs Camille Gira, der Erkrankung von Felix Braz und der „Affäre Traversini“ fest. Was Bausch damals wohl erahnt haben dürfte: Diese Aufzählung war ein „work in progress“. In dieser Woche zündeten Déi Gréng jedenfalls die nächste Stufe ihres Krisenmodus. Getrieben durch die CSV sah sich Umweltministerin Carole Dieschbourg gezwungen, ihr längeres Schweigen in der „Causa Traversini“ zu brechen. Im Hintergrund soll es eine konzertierte Aktion von mehreren grünen Ministern und politischen Beamten gegeben haben, die eine Verteidigungsstrategie ausarbeiteten, mit der man die grüne Hoffnungsträgerin aus der parteipolitischen Schusslinie bringen könnte.

Spitzfindigkeiten. Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz bezog die Grünen-Politikerin am Montag im Detail Stellung zu allen noch offenen Fragen bezüglich der von ihrer Verwaltung erteilten Genehmigung für das wohl berühmteste Gartenhäuschen des Landes. Um sich versammelte die Ministerin mehrere Beamte, die ihr bei Bedarf mit sachlichen Stellungnahmen zur Seite standen. An die Journalisten wurde das komplette Traversini-Dossier verteilt – unter der Bedingung, dass die Medienvertreter vor Ort eine Datenschutzerklärung unterschrieben. Am Ende konnte Dieschbourg die meisten Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens entkräften. Die Reaktion von Dieschbourg sei wohl gerade noch rechtzeitig, quasi „Fünf vor Zwölf“, gekommen, räumte einer ihrer Beamten am Rande der Pressekonferenz ein. Übrig blieben am Ende nur ein paar juristische „Spitzfindigkeiten“, wie die Ministerin die unterschiedliche Auslegung von Gesetzen und Verordnungen mehrmals bezeichnete.

Anonymes Gutachten. Dass die Ministerin überhaupt so offensiv reagierte, lag auch daran, dass die CSV noch am Wochenende an mehrere Journalisten ein „rechtliches Gutachten“ verschickte. Kompakt, auf zwei DIN-A4 Word-Seiten, wurde darin argumentiert, warum die Genehmigung für die Arbeiten von Roberto Traversini an seinem Gartenhäuschen nicht rechtens sein könne. Das „Gutachten“ ist nicht unterzeichnet. Auch auf Nachfrage wollte die CSV nicht preisgeben, wer das Schreiben verfasst hat. Auch auf die Frage, ob das Gutachten von Juristen aus der eigenen Fraktion oder gar Abgeordneten, die von Beruf Anwalt sind, verfasst wurde, ging die Partei nicht ein.

Wenn sie auch sachlich und geduldig auf diverse Vorwürfe reagierte, war Ministerin Carole Dieschbourg und ihren Mitstreitern in dieser Woche eine gewisse Nervosität anzusehen. (Foto: Reporter.lu)

Parlamentarische Überstunden. Am Dienstag musste sich Carole Dieschbourg dann noch im zuständigen Parlamentsausschuss den Fragen der Opposition stellen. Während die Konfrontation mit den Journalisten am Tag zuvor noch zivilisiert ablief, kochten hier die Gemüter laut mehreren Beteiligten hoch. Das soll nicht zuletzt an Michel Wolter gelegen haben, der eigentlich nicht Mitglied im Umweltausschuss ist, sich aber dennoch als „Beobachter“ aktiv in die Diskussionen einbrachte. Wie es heißt, soll Wolter einer der Wortführer bei der Kritik an der grünen Ministerin gewesen sein. Der frühere CSV-Parteichef und Ex-Minister soll laut Anwesenden auch die Beamten aus dem Umweltministerium hart angegangen sein – manche sprechen gar von „Drohungen“. Auch nach der Sitzung ging es in den Gängen des Parlaments heißer her als bei gewöhnlichen Kommissionssitzungen. CSV-Abgeordnete diskutierten lautstark mit Dieschbourgs Mitarbeitern und grünen Abgeordneten. Am Donnerstag gab es dann noch eine Verlängerung im zuständigen Ausschuss. Doch selbst nach stundenlangem Austausch blieben für die Opposition immer noch Fragen offen. Dazu darf sich die Ministerin dann auch nächste Woche noch einmal äußern, wenn auch das Plenum erstmals nach der Sommerpause tagt. Alles Wesentliche über den bisherigen Verlauf der „Affäre Traversini“ hat diese Woche übrigens „Radio 100,7“ zusammengefasst.

2. Grüne Trotzstimmung

Traversini gibt auf. Auch der Rest der Woche stand im Zeichen der grünen Krisenbewältigung. Am Mittwoch kündigte Roberto Traversini per offenem Brief an, dass er nach seinem Rücktritt als Bürgermeister von Differdingen auch sein Mandat im Parlament aufgibt. Wie es aus Koalitionskreisen heißt, sei diese Entscheidung durchaus auf einen gewissen „subtilen Druck“ der grünen Parteigranden um François Bausch geschehen. In den parteiinternen Diskussionen soll es auch um eine mögliche berufliche Absicherung des von allen seinen politischen Ämtern zurückgetretenen Politikers gegangen sein. Ein Job als Mitarbeiter der Grünen-Fraktion oder in einem Ministerium stand etwa zur Debatte. Doch müsste man dafür zunächst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Traversini abwarten. Eine Aussage von Co-Parteichef Christian Kmiotek, wonach Traversini ab nun „Privatmensch“ sei, deutet ebenso nicht auf eine allzu weiche Landung des baldigen Ex-Politikers aus Differdingen hin.

Kämpferischer Kongress. Dass der außerordentliche Kongress der Grünen anlässlich der Wahl von Henri Kox zum neuen Regierungsmitglied emotional werden würde, war angesichts der beschriebenen Vorkommnisse nicht überraschend. Neben der Trauer um den im vergangenen Jahr verstorbenen Camille Gira und dem Mitgefühl mit dem schwer erkrankten Felix Braz schlugen die Emotionen aber auch in Trotz und Wut um. Der schnell ausgemachte Gegner war die CSV, die es laut François Bausch auf die Grünen abgesehen habe und mit ihrer Agitation das „politische Klima im Land versaut“. „Ich könnte kotzen“, lautete auch die Botschaft von Christian Kmiotek in Richtung der größten Oppositionspartei. Ausdrücklich sagten die Grünen der CSV den Kampf an und begruben faktisch die Perspektive einer schwarz-grünen Koalition. Carole Dieschbourg hatte übrigens Geburtstag und versuchte, sich auf dem Kongress nicht jegliche Freude darüber nehmen zu lassen.

3. Anti-Gambia-Träume

Gemischte Signale. Während die CSV sich in den vergangenen Wochen in ihrer Kritik tatsächlich zunehmend auf die grünen Regierenden einschoss, kam in dieser Woche wohl ein Moment, der für die Koalitionsparteien das Fass überlaufen ließ. Was die Vertreter der christlich-sozialen Abteilung Attacke wohl unterschätzten: Im Zuge der „Affäre Traversini“ rückten die Koalitionsspitzen näher zusammen und sagten sich gegenseitig eine noch engere Konsultation zu. Auch das Schicksal von Felix Braz bestärkte die Macher der Dreierkoalition darin, sich gemeinsam gegen die Dauerangriffe der Opposition zu wehren. Gleichzeitig sendeten manche Koalitionspolitiker, vor allem aus der DP, anscheinend Signale, wonach die Geduld mit dem grünen Partner auch ihre Grenzen habe. Geblendet durch die von ihr selbst angetriebene Skandal-Stimmung ließ sich manch einer aus der CSV wohl zum Träumen von einer „Post-Gambia-Periode“ hinreißen.

CSV-Boomerang. Wie das „Land“ am Freitag berichtete, soll die CSV ihre gefühlte Chance ergriffen und versucht haben, der DP (und anscheinend auch der LSAP) eine neue Koalition schmackhaft zu machen. Wer dieses „Angebot“ überbracht haben soll, und über welches Mandat er oder sie verfügte, ist nicht bekannt. Von einem hochrangigen Fraktionsmitglied der CSV heißt es jedoch, dass es sich dabei um „eine Mischung aus durchaus ernst gemeintem Vorgehen und reinem Wunschdenken“ handele. Womit selbst jene CSV-Leute mit den ausgeprägtesten Wunschträumen nicht gerechnet hatten: Die Koalition wusste diese „Mischung“ prompt für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Vor allem Etienne Schneider genoss es sichtlich, in die Mikrofone von „RTL“ und „Radio 100,7“ zu posaunen, dass sich die CSV eine Neuauflage der schwarz-roten Koalition mit ihm als Staatsminister vorstellen könne. Einen schwereren Schlag gegen die ohnehin tief gekränkte christlich-soziale Seele kann man sich kaum vorstellen. Angesichts des hektischen Verlaufs der vergangenen Wochen sollte man für die nähere Zukunft aber lieber nichts mehr ausschließen.