Beim Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada kommt erstmals ein neues Schiedsgericht zum Einsatz. Der Gerichtshof für Investitionen soll Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren beilegen. Ein Überblick zu den wichtigsten Änderungen.

So groß war 2016 der Druck der Bevölkerung gegen das Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada, dass die beiden Partner nochmals nachbessern mussten, als sie CETA schon in trocknen Tüchern glaubten. Die Kritik der Gegner des Abkommens richtete sich insbesondere gegen das Verfahren zur Streitbeilegung durch Schiedsgerichte. Das System erlaubt es ausländischen Investoren, gegen einen Staat zu klagen, wenn dieser Maßnahmen ergreift, die dem Konzern finanziell schaden könnten.

Solche Investor-Staat-Schiedsverfahren (kurz ISDS) wurden ursprünglich im Rahmen bilateraler Investitionsabkommen zwischen Industriestaaten und Schwellenländern angewendet. Sie sollten den Investoren bei mangelnder Rechtssicherheit in diesen Ländern eine gewisse Investitionssicherheit bieten. Seit den 1990er Jahren wurden solche Schiedsgerichte zunehmend bei Handelsverträgen angewendet.

System mit Unionsrecht vereinbar

Auch das CETA-Abkommen sieht ein solches privates Schiedsgericht vor, allerdings mit einigen Anpassungen. So soll zunächst eine Rechtsbehelfsinstanz eingeführt werden, letztlich soll das ISDS einem sogenannten Investitionsgerichtshof (ICS) mit Berufungsgericht weichen.

Während beim gewöhnlichen ISDS-System Staat und Investor einen Schiedsrichter benennen und sich auf einen Vorsitzenden einigen, schafft CETA eine Instanz mit 15 Richtern, zusammengesetzt aus Vertretern Kanadas, der EU und Drittstaaten. Ferner haben nicht nur große Konzerne, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen Zugang zum Gerichtssystem.

Auch wenn diese Nachbesserungen für mehr Unabhängigkeit und Transparenz sorgen sollen, haben verschiedene Instanzen Bedenken angemeldet. So zweifelte Wallonien daran, dass dieses System mit dem EU-Recht vereinbar sei und brachte den Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Im April befand dieser, dass der Investitionsgerichtshof in der Tat mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

Das System kommt allerdings erst dann zum Einsatz, wenn alle Mitgliedsstaaten das CETA-Abkommen ratifiziert haben. Die luxemburgische Regierung hat dem Abkommen im Sommer zugestimmt. Die Abgeordneten stimmen voraussichtlich im Herbst über das Gesetz ab. Während etwa Marc Angel (LSAP) das System als „hieb- und stichfest“ bezeichnet und auch Laurent Mosar (CSV) sich zuversichtlich zeigt, sieht Stéphanie Empain (déi Gréng) die Schiedsgerichte als „nicht ideal“ an, gleichwohl sie die Nachbesserungen begrüßt.

Grundsatzkritik bleibt bestehen

Die Kritiker des CETA-Abkommens befürchten, dass das System insbesondere großen Konzernen zugutekommt. „Dass die Gerichte reformiert wurden, ändert nichts an der Möglichkeit, dass Konzerne gegen Staaten vorgehen können, wenn ihnen Gesetzte nicht passen“, sagt etwa das Mitglied der Plattform „Stop CETA & TTIP“, Jean Feyder. Der ehemalige Botschafter verweist auf den sogenannten Fall „Vattenfall“: Der schwedische Energiekonzern verklagte die Bundesrepublik Deutschland auf mehrere Milliarden, die ihm durch Deutschlands Atomausstieg entgehen würden.

„Wir haben ein gutes Justizsystem und brauchen solche Gerichte nicht“, betont Jean Feyder im Gespräch mit REPORTER. Er nennt das System der Schiedsgerichte eine „Bedrohung für die Demokratie“.

Auch Blanche Weber, Präsidentin des „Mouvement écologique“ kritisiert das überarbeitete System. Zwar seien die Richter jetzt vielleicht unabhängiger, doch die Gesetze an die sie sich halten müssten, seien die Gleichen. Ob ISDS oder ICS: Es gehe es bei den Gerichten weiterhin vorrangig um den Schutz der Investoren.

Erst kürzlich haben mehrere Umweltorganisationen, darunter der hiesige „Mouvement écologique“ eine Studie veröffentlicht, die solche Schiedsgerichtssysteme anhand von Fallbeispielen untersucht. Sie kommt zum Schluss, dass Konzerne bis 2019 über 900 Fälle vor Schiedsgerichte gebracht und insgesamt rund 623 Milliarden Euro eingeklagt haben. Erst im Juli machte die Plattform „Stop CETA & TTIP“ in einem Presseschreiben auf die Studie aufmerksam und rief die hiesigen Abgeordneten dazu auf, das Abkommen nicht zu ratifizieren.