Die Vorwürfe gehen von finanziellem Missmanagement über illegale Vorteilnahme bis zu sexueller Belästigung. Die Verantwortlichen des „CIGR Syrdall“ sollen jahrelang ohne die nötige politische Kontrolle agiert haben. Die kommunale Kontroverse beschäftigt nun die Justiz.
„Bei uns laufen schon lange viele Dinge falsch und außer jeglicher Kontrolle“, sagt ein Mitarbeiter des „Centre d’Initiative et de Gestion Regional“ (CIGR) Syrdall. Die Rede geht von Mobbing, Günstlingswirtschaft, aber auch von strukturellem finanziellem Missmanagement. Den Verantwortlichen der Beschäftigungsinitiative seien die Beschwerden einzelner Angestellter seit Langem bekannt. Das Problem: Manche von ihnen seien für die Missstände selbst mitverantwortlich, so der Mitarbeiter, der nur unter der Bedingung der Anonymität über die Sache sprechen will.
Seit vergangener Woche haben die Gerüchte und Beschwerden über Unregelmäßigkeiten beim CIGR Syrdall aber eine neue Dimension erhalten. In einer Pressemitteilung schrieb der Schöffenrat der Gemeinde Contern am vergangenen Mittwoch, dass er in dieser Angelegenheit Anzeige erstattet habe. Einerseits gegen Unbekannt, andererseits gegen einen „collaborateur“ des CIGR Syrdall.
Laut dem Kommuniqué seien der Gemeinde Informationen zugetragen worden über Unregelmäßigkeiten, die das Finanz- und Personalmanagement des CIGR betreffen. Auch das Arbeitsministerium teilte am Freitag auf Nachfrage von REPORTER mit, dass es durch den Anwalt der Gemeinde Contern über die Angelegenheit informiert wurde und die entsprechende Mitteilung „umgehend an die Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet“ habe.
Beschäftigungsinitiative zweckentfremdet
Zu den Missständen, die die Gemeinde Contern zu ihrer Klage bewogen, gehört unter anderem die Frage einer Auftragsvergabe zur Renovierung des aktuellen CIGR-Gebäudes in Sandweiler, wie das „Luxemburger Wort“ am Donnerstag berichtete. Die Kosten für den Umbau seien zunächst auf rund 250.000 Euro geschätzt worden, könnten sich aber jetzt verdreifachen, heißt es. Dem Verwaltungsrat seien dabei keinerlei Kostenvoranschläge gezeigt worden, kritisiert laut dem Bericht die Bürgermeisterin von Contern, Marion Zovilé-Braquet, die gleichzeitig Mitglied des Verwaltungsrats des CIGR Syrdall ist.
Laut Informationen von REPORTER ist dies jedoch nur einer von vielen Verdachtsmomenten, die das Misstrauen der Gemeindeverantwortlichen von Contern weckten. Einem leitenden Angestellten des CIGR Syrdall, von dem in der besagten Pressemitteilung ohne Namensnennung die Rede ist, wird unter anderem sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen vorgeworfen. Zudem geht es laut Personen, die mit Interna des Vereins vertraut sind, um eine fragwürdige Praxis beim Einsatz von Beschäftigten.
Regelmäßig sollen Angestellte des CIGR bei Mitgliedern des Verwaltungsrats und anderen Gemeindepolitikern Arbeiten vorgenommen haben, die über den eigentlichen Zweck der gemeinnützigen Initiative hinausgehen. In einem Fall sollen es gar mehrere Hundert Arbeitsstunden für aufwändige Renovierungsarbeiten gewesen sein, bezeugte ein ehemaliger Mitarbeiter der „Cellule de Coordination“ des CIGR Syrdall laut einer eidesstattlichen Erklärung bei einem Anwalt.
Eine Initiative für das Allgemeinwohl
Das „Centre d’Initiative et de Gestion Régional“ (kurz: CIGR) Syrdall ist ein Verein ohne Gewinnzweck, der von den Gemeinden Contern, Junglinster, Niederanven, Sandweiler und Schüttringen sowie vom Arbeitsministerium finanziert wird. Jahresbudget: rund 4,5 Millionen Euro. Seine Aufgabe besteht in der Entwicklung von Projekten, die im Allgemeinwohl der besagten Gemeinden liegen. Dazu gehört insbesondere die Einstellung und Weiterbildung von Arbeitsuchenden.
Die Zweckentfremdung einer Beschäftigungsinitiative hatte unter anderem in der „Affäre Traversini“ eine Rolle gespielt. Das Differdinger „Centre d’Initiative et de Gestion Local“ (CIGL) hatte auf dem Grundstück des ehemaligen Bürgermeisters Roberto Traversini gearbeitet, und das entgegen den Regeln der Initiative und ohne dass eine Rechnung ausgestellt wurde.
In den Fällen des CIGR Syrdall soll es zwar jeweils Rechnungen geben. Doch laut Konvention mit den Gemeinden sind die Arbeiten auf maximal vier Stunden pro Woche beschränkt. Diese Vorgabe werde laut einem ehemaligen Mitarbeiter aber nicht immer eingehalten.
Mangelnde Kontrolle durch Verwaltungsrat
Ein grundsätzliches Problem ist laut mehreren Quellen, dass der Verwaltungsrat seine Aufgabe als Kontrollorgan nicht ausreichend ausübe. Im Verwaltungsrat sitzen Vertreter von allen fünf Gemeinden und allen großen Parteien. Zwischen das Aufsichtsgremium und die operative Leitung ist ein Exekutivkomitee geschaltet, in dem wiederum Mitglieder des Verwaltungsrats sitzen.
Vorsitzender des Verwaltungsrats sowie des „Comité exécutif“ ist das Gemeinderatsmitglied aus Junglinster, Mike Hagen (LSAP). Der Präsident des CIGR Syrdall gilt als der starke Mann der Verwaltung, ein ehemaliger Mitarbeiter des CIGR Syrdall nennt ihn den „Alleinherrscher“ über den Betrieb und die über vier Millionen Euro, die die Beschäftigungsinitiative jährlich vom Arbeitsministerium und den beteiligten Gemeinden erhält.
Ohne die Courage des Gemeinderats von Contern wäre die ganze Angelegenheit wohl wie früher wieder vertuscht worden.“
Ein ehemaliger Mitarbeiter des CIGR Syrdall
Die Bürgermeisterin von Contern, Marion Zovilé-Braquet (CSV), hat laut eigener Aussage im Verwaltungsrat mehrmals auf alle im Raum stehenden Missstände aufmerksam gemacht. „Uns wurden Dinge zugetragen, die möglicherweise strafrechtlich verfolgt werden müssen. Trotz Bezeugungen von mehreren Mitarbeitern des CIGR, die bereit sind, bei der Polizei auszusagen, wollte niemand etwas unternehmen“, erklärt die Bürgermeisterin von Contern im Gespräch mit REPORTER ihre Beweggründe, als Gemeinde rechtliche Schritte einzuleiten.
Im Verwaltungsrat herrsche keine Transparenz, so Marion Zovilé-Braquet weiter. Mehr als ein Mal sei sie mit der Forderung nach einem externen finanziellen Audit abgeschmettert worden. Dass sich manche Personen im Aufsichtsgremium auch bei Ausgaben des CIGR in fünf- oder sechsstelliger Höhe mit „mündlichen Zusagen“ zufrieden geben, sei nicht akzeptabel. Es herrsche im Verwaltungsrat keinerlei Bewusstsein der finanziellen Kontrolle des Vereins, so die Bürgermeisterin.
Probleme sind schon seit vielen Jahren bekannt
Der Bürgermeister von Schüttringen, Jean-Paul Jost (Schëtter Bierger), kann die angesprochenen Probleme bestätigen. Er sitzt zwar nicht selbst im Aufsichtsgremium des CIGR Syrdall. Dennoch seien die Unregelmäßigkeiten des Vereins schon mehrmals Thema im Schöffenrat gewesen. Die Gemeinde habe über ihre Mitglieder im Verwaltungsrat mehrmals Aufklärung gefordert, doch dazu sei es nie gekommen. Teile des Verwaltungsrats hätten die Frage immer wieder hinausgezögert oder „regelrecht blockiert“, so Jost im Gespräch mit REPORTER.
Wir fordern lückenlose Aufklärung. Es geht hier um das Schicksal von vielen Mitarbeitern und nicht zuletzt um den Umgang mit öffentlichen Geldern.“
Jean-Paul Jost, Bürgermeister von Schüttringen
Die Gemeinde Schüttringen ist seit dem vergangenen Jahr überhaupt erst wieder Mitglied im CIGR Syrdall. Fast 15 Jahre lang war man an der interkommunalen Kooperation nicht beteiligt. Der Grund war schon damals, dass es beim CIGR „einige Unregelmäßigkeiten beim Management der Finanzen gab“, sagt der frühere Bürgermeister Jean-Pierre Kauffmann. Die Leitung habe Geld ausgegeben, ohne dafür Rechenschaft ablegen zu müssen. Deshalb habe sich die Gemeinde Schüttringen damals komplett aus der Partnerschaft zurückgezogen, so der DP-Gemeinderat.
„Jetzt sind wir wieder Mitglied und die ganze Sache geht wieder von vorne los“, sagt Jean-Pierre Kauffmann. „Es geht hier um sehr schwerwiegende Dinge.“ Er sei von vielen Personen darauf angesprochen worden und habe die Beschwerden auch im Gemeinderat thematisiert. Der heutige Bürgermeister, Jean-Paul Jost, bekräftigt, dass man jetzt nicht locker lassen werde. „Wir fordern lückenlose Aufklärung. Es geht hier um das Schicksal von vielen Mitarbeitern und nicht zuletzt um den Umgang mit öffentlichen Geldern.“
Jahresbudget von rund 4,5 Millionen Euro
Das CIGR Syrdall hat ein jährliches Budget von rund 4,5 Millionen Euro, mehr als drei Millionen alleine für Personalkosten. Laut der Bilanz von 2018 beschäftigte der Verein im vergangenen Jahr 94 Mitarbeiter (80 „bénéficiaires“, 14 „encadrants“). Die Gemeinden finanzieren einen Großteil der Kosten – Contern steuert 360.000 Euro pro Jahr bei, Junglinster rund 300.000 Euro und Schüttringen aktuell 110.000 Euro. In den Fällen von Niederanven und Sandweiler ist die Höhe der Subventionen nicht öffentlich bekannt.
Das Arbeitsministerium subventioniert das CIGR Syrdall aktuell (2019) mit einem Maximalbetrag von 3,64 Millionen Euro. 2,47 Millionen davon entfallen auf die Löhne der beschäftigten Arbeitsuchenden, rund eine Million Euro auf die Gehälter des fest angestellten Personals sowie weitere 173.000 Euro auf eine Beteiligung an Verwaltungskosten.
Ähnlich äußern sich auf Nachfrage von REPORTER weitere Mitglieder des Verwaltungsrats. Einige Gemeindepolitiker geben aber mittlerweile hinter vorgehaltener Hand zu, dass ohne die Klage der Gemeinde Contern die Sache wohl wieder im Sand verlaufen wäre. Und auch einer jener Ex-Mitarbeiter, die bereit sind, bei den Ermittlungsbehörden auszusagen, ist sich sicher: „Ohne die Courage des Gemeinderats von Contern wäre die ganze Angelegenheit wohl wie früher wieder vertuscht worden.“
Unliebsame Meinungen von bestimmten Personen können dabei schon mal beiseite geschoben werden. Wie der Erste Schöffe der Gemeinde Contern, Fernand Schiltz, im Gespräch mit REPORTER berichtet, werde er schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu Sitzungen des Exekutivkomitees eingeladen, obwohl er Mitglied in diesem Gremium ist.
„Diese Leute wollen dem CIGR Syrdall schaden“
Ein Name, der bei allen Diskussionen über das CIGR Syrdall immer wieder fällt, lautet Mike Hagen. Der Präsident des Exekutivbüros ist seit 2006 Mitglied des Verwaltungsrats, seit 2013 als Vorsitzender. Er gilt als Vertrauter und persönlicher Freund jenes CIGR-Leiters, dem diverse Belästigungen von Angestellten vorgeworfen werden. Hagen ist laut Aussagen von mehreren Mitarbeitern und Mitgliedern des Verwaltungsrats auch derjenige, der bisher eine transparente Aufklärung dieser Fälle sowie des fragwürdigen Finanzmanagements verhindert hat.
Auf Nachfrage von REPORTER streitet Mike Hagen jegliches Fehlverhalten ab. Es habe durchaus Kostenvoranschläge zu allen möglichen Projekten des CIGR Syrdall gegeben. Da viele Mitglieder des Verwaltungsrats in den Sitzungen nicht immer präsent oder aufmerksam seien, könne er aber verstehen, dass „das nicht immer jeder mitbekommt“. Ebenso verneint der Präsident die Frage, ob Mitarbeiter der Initiative im großen Stil bei Mitgliedern des Verwaltungsrats Arbeiten durchgeführt hätten. „Das höre ich heute zum ersten Mal“, so Hagen im Gespräch mit REPORTER.
Wir sind aktuell sicherlich nicht immer und in allen Punkten konform mit unseren Statuten.“Mike Hagen, Präsident des CIGR Syrdall
Generell bemängelt Mike Hagen, dass die anderen Mitglieder im Verwaltungsrat zwar oft Kritik anbringen würden, aber sich selbst nicht so sehr engagieren wie er selbst. „Dieser Scheinkampf in der Öffentlichkeit bringt uns nicht weiter. Diese Leute, die so vorgehen, wollen dem CIGR Syrdall doch nur schaden“, sagt der Präsident mit Bezug auf die Gemeinde Contern und andere Kritiker. Welches Interesse Gemeinden an einer Schwächung jener Initiative haben könnten, die sie mit Steuergeldern unterstützen, wisse er allerdings nicht.
Am Ende räumt Mike Hagen jedoch ein, dass es innerhalb der Beschäftigungsinitiative einen gewissen Bedarf an „Professionalisierung“ gebe. Die Arbeitsabläufe des CIGR Syrdall seien noch immer jene einer kleinen Asbl, doch ein Betrieb mit fast 100 Mitarbeitern könne nun einmal nicht wie ein „Kleingärtnerverein“ geführt werden. „Wir sind aktuell sicherlich nicht immer und in allen Punkten konform mit unseren Statuten“, gibt Mike Hagen freimütig zu. Demnach stelle er sich auch nicht gegen ein externes Audit. Wenn sich dafür eine Mehrheit im Verwaltungsrat finde, habe er „kein Problem damit“.
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