Es musste ein neues Stadion her – darin waren sich der luxemburgische und der europäische Fußballverband einig. Die daran anschließende Suche nach einem geeigneten Standort erwies sich aber als politischer Zick-Zack-Kurs. Ein Rückblick.

„Les spectateurs sont exposés aux intempéries, (il y a des) carences au niveau de la restauration et divers autres manques d’attrait pour le public“, hieß es bereits 2007 vom damaligen Sportminister Jeannot Krecké (LSAP) über die Attraktivität des „Stade Josy Barthel“ an der Route d’Arlon. Bis 2012 prüfte die damalige schwarz-rote Regierung die Möglichkeit eines kombinierten Neubaus eines Nationalstadions und einer Shopping-Mall in Livingen.

Doch die Affäre „Wickréng/Léiweng“ mündete in einem Rechtsstreit und wurde zum Debakel. Nach den Legislativwahlen 2009 wurde Romain Schneider (LSAP) zum neuen Sportminister. Wenig später wurde klar: Die Zeit drängte. Die Warnung vom damaligen Präsidenten des europäischen Fußballverbandes UEFA, Michel Platini, im September 2012 war unmissverständlich: Sollte sich Luxemburgs Fußballverband FLF nicht um den Bau eines neuen, UEFA-konformen Fußballstadions bemühen, werde die UEFA keine offiziellen internationalen Spiele mehr in Luxemburg dulden. Ein neues Stadion müsse die Sicherheit und den Komfort der Zuschauer und der Presse garantieren, so der unmissverständliche Aufruf der UEFA.

Der steinige Weg zum Neubau

Wenige Tage nach dieser Androhung traf sich der Sportminister mit dem Schöffenrat der Stadt Luxemburg. Der damalige Bürgermeister war Xavier Bettel (DP) – er äußerte zunächst seine Zustimmung für eine Renovierung des „Stade Josy Barthel“. Der liberale Politiker hatte diese bereits 2011 selbst vorgeschlagen.

Als die Entscheidung der Regierung im November 2012 zugunsten des Josy-Barthel-Stadions fiel, lag neben Flavio Beccas Plan in Livingen ebenfalls ein Vorschlag für die Errichtung eines Nationalstadions in Differdingen vor – eingereicht vom damaligen Bürgermeister Claude Meisch (DP).

Im Gesetzesvorschlag zum staatlichen Finanzierunggesetz der Sportseinrichtungen hieß es 2013: „Après analyse des dossiers, le Gouvernement a pris la décision le 16 novembre 2012 d’entamer les travaux préparatoires dans la perspective d’une transformation de l’actuel site du stade Josy Barthel en un nouveau stade national de football.“ Dies sei in „schwierigen budgetären Zeiten“ eine „vernünftige Investition“, die den Anforderungen eines modernen, UEFA-konformen Stadions in allen Bereichen gerecht werde.

Die politischen Vorzeichen sollten sich aber bald ändern. Anfang 2013 stellte der Fußballverband der Regierung ein erstes Projekt für die Renovierung vor. Im Dezember 2013 wurde Xavier Bettel zum Regierungschef ernannt, Lydie Polfer (DP) löste ihn an der Spitze der Gemeinde ab.

Die Investition von 100 Millionen Euro in Sporteinrichtungen im ganzen Land wurde im Januar 2014 im Parlament abgesegnet. Für die Renovierung des Josy-Barthel-Stadions sollte die Hauptstadt 30 Prozent der Kosten stemmen, den Rest sollte die Regierung übernehmen.

Paukenschlag und Heimlichtuerei

Wenige Tage nach dem Votum zum neuen Sportsfinanzierungsgesetz äußerte die neue Bürgermeisterin in einem RTL-Interview jedoch Bedenken zum Standort des alten Stadions: „Et muss een eben elo kucken (…) ob dat do wierklech déi allerleschten a beschten Léisung ass. (…) Mir wäerten ons an deene nächste Wochen gesinn fir dat do definitiv ze klären“, so Lydie Polfer.

Ihre Aussage war überraschend. Und dann ging auf einmal alles sehr schnell: Der neue Standort zwischen Luxemburg-Gasperich und Kockelscheuer wurde der Presse und der Bevölkerung drei Wochen später, am 14. Februar 2014, vorgestellt. Damals hieß es bereits, alle Grundstücke seien im Besitz der Gemeinde.

Offiziell soll Lydie Polfer den Sportminister Romain Schneider bereits im Januar 2014 darüber informiert haben, einen alternativen Standort zu prüfen. Zu diesem Zeitpunkt war die Idee noch nicht mit dem Gemeinderat abgesprochen worden, so dass sich die Bürgermeisterin später Vorwürfe von Heimlichtuerei gefallen lassen musste. „Wir wollten es nicht sofort an die große Glocke hängen“, so die spätere Rechtfertigung der Bürgermeisterin. Man habe prüfen wollen, ob sich der anvisierte Standort auch tatsächlich für den Bau eines Stadions eignet.

Als Erklärung gegen die Renovierung des Josy-Barthel-Stadions wurde ein Kostenvoranschlag von 44 Millionen Euro angeführt, der dem Projekt einen schweren Dämpfer versetzt habe. Recht früh war die Erkenntnis gekommen, dass es nichts nütze, das Stadion bloß zu renovieren, sondern dass dieser ohnehin abgerissen werden und einem Neubau weichen müsste.

Mit der Tram zum Stadion

Hinzu kam das Argument einer schlechten Anbindung an den öffentlichen Verkehr – im Gegensatz zum neu gewählten Standort, der an die Tram angebunden werden könnte. Ein weiterer Punkt erfreute aber die Stadt Luxemburg: Mit dem Abriss des Stade Josy Barthel und dem Umzug des Recycling-Center sowie der Not- und Rettungsdienste sollte bald ein Areal von über fünf Hektar für den Wohnungsbau zur Verfügung stehen.

Und schließlich: Sollte ein geeigneter Alternativstandort gefunden werden, könnte das Stade Josy Barthel während der Bauarbeiten am neuen Stadion weiterhin genutzt werden. Sollte es zu einem Umbau des Stade Josy Barthel kommen, stünden die Infrastrukturen während der Bauzeit nicht mehr zur Verfügung.

Schnell wurde das Projekt ausgeschrieben, im September 2014 ging bereits das heute zurückbehaltene Projekt der Architektenbüros Geng in Esch/Alzette und Gerkan Marg + Partner aus Hamburg ein.

Als am fünften Dezember 2016 das endgültige Projekt vorgestellt wurde, wurde der Bau eines neuen Fußball- und Rugbystadions in Kockelscheuer einstimmig beschlossen. „Das neue Stadion wird zu einem Meilenstein der Sichtbarkeit der Stadt Luxemburg und des ganzen Landes werden“, freute sich die Sportschöffin Simone Beissel (DP).

Damals belief sich der Kostenanschlag noch auf exakt 61.150.076,8 Euro. Zweieinhalb Jahre später wurde er nach zahlreichen Planungsfehlern und Fehleinschätzungen auf fast 80 Millionen Euro revidiert. Das Eröffnungsdatum wurde von Ende 2019 auf Mitte 2020 verschoben.


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