Ein Mietshaus in Bereldingen sorgt für Aufregung in der ungarischen Presse. Der Grund: Die Adresse zeigt bisher unbekannte Verbindungen zwischen reichen Unternehmern und dem Dunstkreis des ungarischen Premiers Viktor Orban.

Es ist eine wahre Hassliebe zwischen den Regierungen Ungarns und Luxemburgs. Außenminister Jean Asselborn nannte den ungarischen Premierminister Viktor Orban in der Vergangenheit einen „Tumor“ und „Diktator“. Orbans Außenminister Péter Szijjártó konterte: „Asselborn ist arrogant und frustriert“ und ein „Idiot“.

Doch Business ist Business. Asselborn freute sich vor wenigen Tagen über die exzellenten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Er nahm Anfang April an der Eröffnung des konsularischen Büros Ungarns in Luxemburg teil. Luxemburg sei der größte ausländische Investor im osteuropäischen Land, betonte Asselborn. Und dann folgte ein fester Händedruck mit Péter Szijjártó.

Diskrete Millionäre in Luxemburg

36 Milliarden US-Dollar: Das waren die Vermögenswerte, die Luxemburger Unternehmen oder Investmentfonds 2017 in Ungarn hielten. Wie so oft sind Holdings im Spiel. Ein Beispiel ist der drittreichste Ungar Gyorgy Gattyan. Er versteckt seinen Konzern Docler Holding in Luxemburg nicht – im Gegenteil.

Doch andere Millionäre sind deutlich diskreter. Zu ihnen zählt der Millionär Tamas Rakosi, dem die RTL Group 2011 seine Beteiligung am ungarischen Ableger „RTL Klub“ abkaufte. Rakosis Konzern IKO zählt bis heute zu den wichtigsten Medienunternehmen des Landes. Sein Vermögen wird auf knapp 250 Millionen Euro geschätzt, was ihn zum zehntreichsten Ungarn macht. Mehrere in Luxemburg angesiedelte Holdings helfen ihm bei der Vermögensverwaltung.

Business und Bling-Bling in Bereldingen

Ungewöhnlich ist die Adresse, die Rakosi in den Dokumenten der Gesellschaften S.I.G. Kapital SA, Opticorp SA und Gekoq SA im Luxemburger Handelsregister angibt. Ab 2006 war es 57, rue du Dix Octobre in Bereldingen. Das Miethaus direkt daneben, die Nummer 59, taucht ab 2012 auf. Beide sind unspektakuläre Häuser im Vorort der Hauptstadt und keine Adresse, an der man einen Multimillionär erwarten würde.

59, rue du Dix Octobre, Bereldingen
Das Mietshaus an 59, rue du Dix Octobre in Bereldingen. (Foto: Eric Engel)

Das ungarische Nachrichtenportal „444.hu“ berichtete vorige Woche erstmals über die bizarren Hintergründe dieser Adresse. Tamas Rakosi bestätigte dem Journalisten, dass er bis 2012 in Bereldingen eine Wohnung mietete.

Noch interessanter sind allerdings die Nachmieter, die ungarische Journalisten aufdeckten. Im Dezember 2018 gab Kata Sarka, Unternehmerin und Model, die Adresse 59, rue du Dix Octobre im ungarischen Handelsregister an. Das berichtete die Investigativplattform „Atlatszo“. Der Anlass: Mit Cecilia Rogan, Ehefrau des ungarischen Kanzleiministers, gründete sie das Medienunternehmen „Top News Hungary Kft“. Die beiden Freundinnen veröffentlichen regelmäßig gemeinsame Fotos auf Instagram und betreiben bereits zusammen eine Werbefirma.

Cecilia Rogan (l.) und Kata Sarka (r.)

 

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Villa in Budapester Vorort statt Wohnung in Bereldingen

Selbst für die Regenbogenpresse war diese Story von Interesse. Denn an der Bereldinger Adresse teilt sich Kata Sarka die Klingel und den Briefkasten mit István Bessenyei, einem regierungsnahen Unternehmer. Über eine Beziehung zwischen beiden war in Ungarn spekuliert worden, doch nun lag der Beweis vor.

Auf dem Briefkasten (rechts im Bild) stehen István Bessenyei und Katalin Sarka. (Foto: Eric Engel)

Niemand glaubt allerdings, dass Kata Sarka und István Bessenyei tatsächlich hierzulande wohnen. Sie bauen aktuell eine gemeinsame Villa in einem Vorort von Budapest. Auf den Luftbildern hat die Baustelle ähnliche Dimensionen wie das gesamte Mietshaus in Bereldingen. Im Grundbucheintrag für die Villa steht ebenfalls die Adresse 59, rue du Dix Octobre.

Warum das Paar vorgibt, in Luxemburg einen Wohnsitz zu haben, ist fragwürdig. Steuerlich scheint dies auf den ersten Blick wenig interessant. Der oberste Einkommenssteuersatz liegt in Ungarn bei 15 Prozent, die Unternehmenssteuer bei 9 Prozent – deutlich niedriger als in Luxemburg.

Verbindungen zu skandalbehafteter Buchhalterin

Auffällig ist, dass auf den Briefkästen im Miethaus in Bereldingen auch die Namen der Teilhaber von Cofidom-Gestman zu sehen sind – darunter Joëlle Mamane. Ihm sei Mamane als international aktive Buchhalterin empfohlen worden, sagte Rakosi dem „444“-Journalisten Peter Erdelyi. Die Bereldinger Wohnung habe Mamane ihm vermittelt. Deren Buchhaltungsfirma mit Sitz in der Rue Aldringen beherbergt alle Luxemburger Gesellschaften Rakosis. Eine Verbindung zu Sarka und Bessenyei taucht dort nicht auf.

Joëlle Mamane ist am Finanzplatz alles andere als unbekannt. Vorgeblich half sie dem israelisch-französischen Geschäftsmann Arcadi Gaydamak, mehrere hundert Millionen Euro vor der französischen Justiz zu verstecken. Nachdem Gaydamak in der „Angolagate“-Affäre freigesprochen wurde, warf er Mamane vor, sein Geld unterschlagen zu haben. Die Luxemburger Justiz wies ihn allerdings ab.

Wie Orban ihm treue Unternehmer fördert

Die in Abstand von mehreren Jahren geteilte Adresse ist allerdings kein Zufall. Rakosi und Bessenyei kennen sich seit langem und stehen in Geschäftsbeziehungen, berichtete „444.hu.“

Doch die Verbindungen zwischen Kata Sarka, István Bessenyei und Tamas Rakosi sind vor allem politisch interessant. Sie sind bezeichnend für das „System der nationalen Zusammenarbeit“, das Orbans Macht zementiert. Dazu zählt, dass Fidesz (Orbans Partei) den „Mediensektor in heimische Hände genommen“ habe, wie Orban in einer Grundsatzrede im Mai 2018 betonte.

Von dieser „Zusammenarbeit“ profitiert ein kleiner Kreis. „Die Fidesz hat um sich eine Gruppe von wohlhabenden Unternehmern geschart, eine Art Klan, der ständig bevorzugt wird. Sie erhalten alle Möglichkeiten dazu, sich zu entwickeln, bekommen die allermeisten staatlichen Aufträge, oft wird ihnen das auf korruptem Weg zugeschanzt“, erklärte der ungarische Ökonom András Vértes dem „Standard“.

Rakosi und Bessenyei profitieren von diesem System. Ein Unternehmen von Rakosis Konzern IKO erhielt 2017 etwa vom ungarischen Staat umgerechnet 2,66 Millionen Euro für eine dreimonatige Plakatkampagne, die sich gegen George Soros und die EU richtete. Rakosi ist ebenfalls an der Luxemburger Holding Mangusta Invest beteiligt, die Anteile an Atmedia hält – einer der größten Werbevermarkter Ungarns. Atmedia erhielt bei der gleichen Kampagne 2,8 Millionen Euro.

Bessenyei ist ein Teilhaber der Sicherheitsfirma Valton, die ihren Umsatz mit staatlichen Aufträgen vervielfachte.

Die eiserne Faust des Propagandaministers

„Die Konzentration des Medienbesitzes in den Händen Orban-naher Oligarchen steigt weiter an“, schreibt „Reporter ohne Grenzen“ in ihrem Bericht 2019 über die Pressefreiheit. Dass die Ehefrau des Orban-Vertrauten und „Propagandaministers“ Antal Rogan ein Medienunternehmen gründet, ist ein Vorgang, der in die gleiche Richtung deutet.

Es ist Rogan, der bei der wachsenden staatlichen Kontrolle über die ungarischen Medien die Fäden zieht, wie es „Politico“ beschreibt. Dass er dabei vor nichts zurückschreckt, zeigt eine Episode, die ebenfalls mit der Bereldinger Adresse zusammenhängt. Die Zeitung „Népszabadság“ berichtete 2016 über eine Helikopterreise des Ehepaares Rogan zur Hochzeit einer Schauspielerin. Diese ostentative Zurschaustellung von Reichtum kam in Ungarn nicht gut an. Daraufhin ließ der Minister kurzerhand die Zeitung schließen. Der Clou, den „444“ aufdeckte: Der Helikopter gehörte Gekoq SA – jener Luxemburger Firma, die Rakosi vorgab, von Bereldingen aus zu leiten.