Mit der Bezeichnung „logement encadré“ vermarkten einige Immobilienmakler Seniorenwohnungen zu überteuerten Preisen – ohne diesbezügliche Zulassung des Ministeriums. Konkurrenten beklagen irreführende Werbung und mögliche Manipulationen.
„Betreutes Wohnen“, „24-Stunden-Betreuung“, „altersgerechte Umgebung“: Es sind Werbesprüche wie diese, die Senioren aufhorchen lassen, wenn sie über den Umzug in eine Seniorenresidenz nachdenken. Überhöhte Tarife und versteckte Zusatzkosten fallen oft erst später auf. Bestimmte Anbieter haben keine staatliche Zulassung und verkaufen ihre Wohnungen weit über dem durchschnittlichen Marktpreis.
Die Politik ist sich des Problems bewusst: Das zuständige Familienministerium hat bereits mehrere Immobilienmakler verwarnt. Das Ministerium für Verbraucherschutz prüft derzeit fragliche Werbekampagnen auf diversen Webseiten. Es besteht der Verdacht, dass Immobilienmakler ältere Menschen mit irreführenden Slogans zum Kauf verleiten. Die ältere Bevölkerung erhalte zudem nicht unbedingt jene Dienstleistungen, die sie sich unter einer betreuten Wohnung vorstellen, so der Vorwurf von der Konkurrenz.
Im Fall der Homepage logementencadre.lu handelt es sich um einen Immobilienmakler, der sich zumindest nicht ausschließlich um die Bedürfnisse der Senioren sorgt. „Auch Kapitalanleger sind herzlichst eingeladen, sich dieses zukunftsorientierte Projekt präsentieren zu lassen, welches eine gute Rendite verspricht“, heißt es in einer Anzeige für eine Seniorenwohnung, die im „Luxemburger Wort“ veröffentlicht wurde.
900.000 Euro für eine Wohnung in Diekirch
In der Seniorenresidenz „Am Park“ in Berdorf steht derzeit eine 110-Quadratmeter-Wohnung für 670.000 Euro zum Verkauf. In Diekirch sollen Senioren für eine ähnlich große Zweizimmerwohnung, die auf der gleichen Webseite vermarktet wird, über 900.000 Euro auf den Tisch legen (932.003 Euro für 102 Quadratmeter und Garage). Der Quadratmeterpreis von rund 9.000 Euro liegt bis zu 50 Prozent über dem 2017 ermittelten durchschnittlichen Marktwert von neuen Wohnungen in der Gemeinde.
Die Wohnungen, die nur von Personen über 60 Jahren oder mit einer Behinderung bezogen werden sollen, werden zum Teil mit dem Logo „Betreit wunnen“ vermarktet. Ihre Einrichtung unterscheidet sich kaum von gewöhnlichen Wohnungen: Die Gänge und Türen sind etwas breiter als üblich, die Wohnungen selbst sind aber nicht unbedingt rollstuhlgerecht. Weitere räumliche Besonderheiten sind auf der Homepage nicht aufgeführt.
Einige dieser Seniorenresidenzen machen Werbung mit betreuten Wohnungen, erfüllen aber nicht die Regeln, die betreute Wohnungen erfüllen müssen.“
Netty Klein, Generalsekretärin der Copas
Eine der Agenturen, die Seniorenwohnungen auf diese Weise vermarkten, ist die „Immobilière Pierre Weydert SA“. Wie andere wirbt die Immobilienfirma für Wohnprojekte von Betreibern, die nicht alle über eine Zulassung des Familienministeriums für betreutes Wohnen verfügen. Laut ihrer Webseite war die Firma an der Vermarktung von 82 Wohnungen in drei Seniorenresidenzen in Kehlen und Mertzig beteiligt. 85 weitere Einheiten sind in Diekirch und Berdorf in Planung.
Das Betreiben einer Seniorenresidenz ist an sich auch ohne ministerielle Zulassung möglich. Problematisch ist neben den hohen Preisen jedoch die Bezeichnung „Logement encadré“ auf der Webseite. Wer diese Bezeichnung benutzen will, braucht eine Zulassung des Familienministeriums. Das bestätigt das Ministerium auf Nachfrage.
Umstrittene Werbekampagnen
Der Dachverband der Pflegedienstleister Copas sieht die Aktivität von privaten Immobilienmaklern kritisch. „Einige dieser Seniorenresidenzen machen Werbung mit betreuten Wohnungen, erfüllen aber nicht die Regeln, die betreute Wohnungen erfüllen müssen. Von der Bevölkerung werden sie aber als ähnliche Dienstleister wahrgenommen“, warnt die Copas-Generalsekretärin Netty Klein.
Ein Dorn im Auge der Konkurrenz ist auch die Werbung einiger Immobilienmakler, die der älteren Bevölkerung ein gewisses Sicherheitsgefühl vermittelt. So werben einige Immobilienmakler mit der 24-Stunden-Verfügbarkeit eines Pflegers. Kontrolliert wird diese Präsenz vom zuständigen Ministerium jedoch nicht.

Seniorenresidenzen und betreute Wohnungen funktionieren in der Regel im Gegensatz zum Altenheim ohne eigenes Pflegepersonal, das sich tagtäglich nach dem Wohlergehen der Bewohner erkundigt. Oft arbeiten diese Einrichtungen mit einem externen Pflegedienst, der den Bewohnern separat verrechnet wird.
„Aus einigen Werbungen lässt sich herauslesen, dass Senioren versorgt werden, wenn sie zum Pflegefall werden. Doch es stellt sich heraus, dass dann Zusatzkosten anfallen“, sagt Djuna Bernard (Déi Gréng). Die Abgeordnete informierte sich jüngst bei einem Treffen mit der Copas eingängig über die Problematik.
Hier wird etwas angepriesen, was falsch ist.“Djuna Bernard, Abgeordnete von Déi Gréng
Ihrer Ansicht nach handelt es sich eindeutig um einen Fall für den Verbraucherschutz. „Hier wird etwas angepriesen, was falsch ist“, so Djuna Bernard. Private Immobilienmakler, die seniorenfreundliche Einrichtungen anbieten, „müssten klipp und klar sagen, dass es sich dabei nur um eine Wohnung handelt und dass die Bewohner separat einen Betreuungsdienst beantragen können.“
Das Ministerium für Verbraucherschutz prüft derzeit, ob es sich etwa bei den Anzeigen auf der Homepage logementencadre.lu um irreführende Werbung handelt, um gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Die Copas hat ihrerseits bereits im November letzten Jahres eine Unterlassungsklage eingereicht, damit ein in ihren Augen verunglimpfender Werbespot der gleichen Webseite eingestellt wird.
Für die Webseite ist laut Impressum die Firma „Immobilière Pierre Weydert SA“ verantwortlich. Auf Nachfrage von REPORTER wollte die Geschäftsleitung zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben.
750 Euro Nebenkosten im Monat
„Ich finde die Werbung einiger Seniorenresidenzen extrem problematisch. Ich denke, dass das Angebot ganz bewusst auf diese Weise präsentiert wird, damit ältere Menschen darauf hereinfallen“, so Djuna Bernard. Netty Klein von der Copas teilt diese Meinung. „Der älteren Bevölkerung wird ein Angebot vorgeschwärmt, das überhaupt nicht erfüllt wird.“
Ein weiteres Problem sind die nicht immer nachvollziehbaren Zusatzkosten. Für eine angezeigte 56-Quadratmeter-Wohnung im nördlichen Mertzig werden etwa zusätzlich zum Mietpreis von 1.200 Euro monatlich 720 Euro für Nebenkosten fällig. Diese Nebenkosten können je nach Betreiber das Gehalt eines Portiers oder einer Pflegekraft vor Ort beinhalten. Die Pflege selbst ist in einigen Fällen aber nicht inbegriffen.
Der Haken: Diese Wohnungen sind eigentlich für noch selbstständige Senioren gedacht. „Eine nicht pflegebedürftige Person, die eine solche Wohnung bezieht, benötigt keine kontinuierliche Anwesenheit einer Pflegekraft, zahlt sie aber automatisch mit“, so Netty Klein.
Ministerium greift nur bedingt durch
Es gebe mehrere Bauherren und Immobilienfirmen, die private Seniorenwohnungen anbieten, heißt es auf Nachfrage im zuständigen Familienministerium. Mit ihrer Preispolitik befasse man sich nicht. Dem Ministerium ist vor allem daran gelegen, dass der Begriff „logement encadré“ nicht missbraucht wird. „Wird dieser Begriff fälschlicherweise genutzt, stellt das die ältere Bevölkerung vor eine Herausforderung, weil viele dann kaum den Unterschied zwischen einer zugelassenen betreuten Wohnung und einer Seniorenresidenz erkennen“, so Jacques Küntziger vom Familienministerium. Eine Webseite der Regierung listet die anerkannten betreuten Wohnungen des Landes auf.
Das Ministerium würde sich immer dann einschalten, wenn dieser Begriff ohne die diesbezügliche Zulassung genutzt würde. Bis dato hätten die Immobilienmakler die Begriffe nach einer Verwarnung nicht wieder verwendet, heißt es. Dennoch könne man nicht alle Internetauftritte permanent überwachen, so der Beamte. Laut Recherchen von REPORTER gibt es in der Tat Anbieter, die trotz Verwarnung durch das Ministerium den Begriff „logement encadré“ weiter verwenden.
„Ein Handel mit der Ware Mensch“
Dabei sind die Anforderungen, um eine Zulassung für ein „logement encadré“ zu erhalten, nicht allzu hoch: Der Betreiber muss die 40-Stunden-Bereitschaft eines Ansprechpartners vor Ort garantieren, der im Notfall eine Krankenschwester, ein Pfleger oder einen Krankenwagen rufen kann. Der Wachdienst muss von jeder Wohnung aus kontaktiert werden können. Hinzu kommen räumliche Vorgaben wie eine festgelegte Breite der Gänge und Handläufe, an denen sich die Bewohner beim Gehen stützen können.
Jenen Anbietern, die freiwillig auf die Zulassung verzichten, bietet sich allerdings ein ganz bestimmter Vorteil: In ihren Wohnungen können Senioren bis zum Lebensende bleiben – unabhängig ihres Pflegebedarfs. Anders verläuft es in dem gesetzlich geregelten betreuten Wohnen: Hier sind nur Personen erlaubt, die weniger als 12,5 Stunden Pflege pro Woche benötigen und von der Pflegeversicherung entsprechend eingestuft werden. Überschreitet der Pflegebedarf eine bestimmte Stundenzahl, ist ein Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim Pflicht.
Auch Gemeinden tun sich schwer damit, zum Wohl des Verbraucherschutzes gegen Immobilienmakler oder private Betreiber vorzugehen. Der Verwaltung seien die Hände gebunden, so ein Verantwortlicher einer betroffenen Gemeinde. Werden die Wohnungen dieser Seniorenresidenzen einzeln zum Verkauf angeboten, obliegt es jedem Käufer, sich im Vorfeld über Kaufverträge, Nebenkosten und Bedingungen zu erkundigen.
„Die ältere Bevölkerung erwartet natürlich, dass sie für das bezahlte Geld ein gewisses Angebot bekommt“, so der kommunale Amtsträger, der nicht namentlich genannt werden will. „Man bekommt das Gefühl, dass die älteren Bewohner möglicherweise nicht das bekommen, das sie sich für teures Geld gekauft haben. Einige Immobilienmakler bewegen sich mit ihrer Werbung zumindest in der Grauzone. Es ist ein Handel mit der Ware Mensch.“
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