Der Bachelor-Studiengang für Krankenpfleger und -pflegerinnen wird kommen. Das teilte die Regierung am Montag mit. Durch die Aufwertung der Pflegeberufe soll längerfristig dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Doch es gibt auch Kritik an den Reformen.  

Eine stärkere Valorisierung der Pflegeberufe, die ständige Anpassung an die Herausforderungen in der Praxis und der Ausbau akademischer Ausbildungen in der Medizin: So lauten nur einige der Empfehlungen einer Studie, die vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben und bereits 2019 erschienen ist. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müsse die Luxemburger Regierung Pflegeberufe attraktiver gestalten. Diese aus der Studie hervorgehende Erkenntnis wurde durch die Erfahrungen der Pandemie weiter verstärkt.

Am Montag stellten Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP), Bildungsminister Claude Meisch und Familienministerin Corinne Cahen (beide DP) nun die großen Linien der am vergangenen Freitag im Regierungsrat beschlossenen Reformen vor. Sieben unterschiedliche Bachelor-Studiengänge hat das interministerielle Komitee im letzten Jahr ausgearbeitet. Einige der Studiengänge sollen bereits im Wintersemester 2022 / 2023 starten, die restlichen dann ein Jahr später.

Sieben Bachelor-Studiengänge

Kern der neuen Ausbildungen ist der Studiengang für Krankenpflegerinnen und-pfleger, der drei Jahre dauern soll. Zugangsbedingung ist ein Abiturabschluss. Dieser allgemeine Studiengang wird durch vier spezialisierte Ausbildungen ergänzt, die allen Krankenpflegern offenstehen, die bereits ein Diplom (BTS oder anderes) besitzen. Zur spezialisierten Krankenpflegekraft soll man sich in den Bereichen Chirurgie, Pädiatrie, Psychiatrie, Anästhesie und Reanimation ausbilden lassen können.

Des weiteren sollen auch die Ausbildungen zur Hebamme und zum medizinisch-technischen Assistenten in der Radiologie zukünftig mit einem Bachelor-Diplom abgeschlossen werden. Zur Weiterführung soll ein einjähriger Aufbaustudiengang zu dem Titel „Krankenpfleger plus“ angeboten werden, der der Nachfrage nach besonders qualifizierten Krankenpflegern langfristig nachkommen soll.

„Akademisierung ist Paradigmenwechsel“

„Der Schritt in die Akademisierung der Gesundheitsberufe ist ein Paradigmenwechsel“, sagte Bildungsminister Claude Meisch auf der Pressekonferenz am Montag. Die Bachelor-Studiengänge für Pflegekräfte begleiteten den sich ebenfalls im Ausbau befindenden Medizinstudiengang samt Spezialisierungen. Diese Reformen seien „ein großer Schritt für die Medizin, aber auch ein großer Schritt für die Universität Luxemburg“, so der Bildungsminister.

Es gebe kaum einen Forschungsbereich, der sich so schnell entwickele wie die Medizin, unterstrich Paulette Lenert. „Deshalb ist es unabdingbar, die Attributionen der unterschiedlichen Gesundheitsberufe immer wieder zu hinterfragen und an die Bedürfnisse der Praxis anzupassen“, sagt die Gesundheitsministerin. Die Ausarbeitung der Studiengänge ginge deshalb Hand in Hand mit der Erstellung neuer Kompetenzprofile.

Kritik an Fortbestand des BTS

Die Bachelor-Studiengänge werden jedoch nicht die traditionelle Ausbildung zum Krankenpfleger am Lycée Téchnique des professions de santé ersetzen (BTS), sondern parallel dazu angeboten. Dies sorgt für Kritik von Seiten der Vereinigung der Krankenpfleger und -pflegerinnen, die sich zwar grundsätzlich darüber freuen, dass ihre langjährige Forderung nach einem Bachelor-Studiengang nun offiziell beschlossen wurde.

Anne-Marie Hanff, die Präsidentin der ANIL (Association Nationale des Infirmières et Infirmiers du Luxembourg) befürchtet jedoch ein „großes Durcheinander“ in der Hierarchisierung der Berufe, die sich negativ auf die praktische Arbeit in den Krankenhäusern und Pflegestrukturen auswirken könnte, wie sie am Dienstagmorgen bei Radio 100,7 sagte.

„150 Studenten pro Jahr“ nötig

Das Argument, dass die Akademisierung der Pflegeberufe auch Menschen ausschließen könne, möchte sie nicht gelten lassen. Schließlich gebe es noch den Beruf der Pflegehilfskraft („aide soignant“), wofür die Ausbildung auch weiterhin mit einem DAP (diplôme d’aptitude professionnelle) am Lycée Technique des professions de santé angeboten werde.

Des weiteren hofft die Vereinigung bei der konkreten Ausarbeitung der Studiengänge aktiv mit eingebunden zu werden. Anne-Marie Hanff gibt zu bedenken, dass die Studiengänge von Anfang an groß genug angelegt sein müssten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die in Rente gehenden Krankenpflegerinnen und -pfleger langfristig ersetzen zu können. „25 Studienplätzen reichen da nicht“, sagte Anne-Marie Hanff. „Nach meinen Rechnungen brauchen wir mindestens 150 Studenten pro Jahr.“

Perspektive für die Großregion

Den ebenfalls seit Jahren immer wieder zur Diskussion stehenden länderübergreifenden Campus für Gesundheitsberufe, der vor allem von den angrenzenden französischen Departements begrüsst werden würde, scheint die Regierung nicht unterstützen zu wollen. Die Befürchtungen der Großregion, Luxemburg könne auch weiterhin verstärkt Kranken- und Pflegepersonal aus dem Grenzgebiet abziehen, sieht Familienministerin Corinne Cahen als nicht gerechtfertigt: „Jede zusätzliche Ausbildungsmöglichkeit in der Großregion kommt allen Ländern zugute“, sagte die Familienministerin auf der Pressekonferenz. Zu dem Projekt einer grenzüberschreitenden Schule für Gesundheitsberufe äußerte die Familienministerin, die auch Ministerin der Großregion ist, sich nicht.

Auch Fragen zu den Ausgaben, die durch die Einführung der Studiengänge in den nächsten Jahren auf die Regierung zukommen werden, konnten auf der Pressekonferenz nicht beantwortet werden. Eine erste Evaluation der Reformen ist für 2028 geplant. Bis dahin wird die Luxemburger Bevölkerung wohl nicht nur um etwa zehn Prozent gewachsen, sondern auch deutlich älter sein. Handlungsbedarf besteht demnach allemal.