Im belgischen Turnhout standen 15 Finanzberater vor Gericht und wurden teils zu Haftstrafen verurteilt. Drei Luxemburger Einwohner sind unter den Verurteilten. Es geht um Urkundenfälschung, Geldwäsche und eine Betrugssumme von 84 Millionen Euro. 

„Ein Monsterprozess“, titelten die flämischen Regionalzeitungen. Am 19. September 2018 urteilte das Erstinstanzliche Gericht von Turnhout über insgesamt 15 Finanzberater. Für zehn Angeklagte endete der Prozess mit Haftstrafen von bis zu fünf Jahren, darunter drei mit Wohnsitz in Luxemburg.

Am Ursprung steht eine Klage des Luxemburger Lebensversicherer Excell Life von 2011 – ein Unternehmen, das ein Jahr später in einer spektakulären Pleite unterging. Bis heute läuft ein Prozess, in dem Anleger mit der Aufsichtsbehörde Commissariat aux Assurances (CAA) und dem Buchprüfer EY über die Verantwortung für das Desaster streiten. Das Urteil aus Turnhout spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Hochspekulative Fonds mit zweifelhaften Geschäften

Vier belgische Finanzberater starteten 2004 mit einem Goldhandel in Ghana mithilfe einer Unzahl an Offshorefirmen. Über ihr Versicherungsmaklerbüro D&D Financials suchten sie nach wohlhabenden Investoren, die eine ordentliche Rendite wünschen. Parallel lancierten sie 2006 in Luxemburg die Verbriefungsgesellschaft Insolux, die in ihr Produkt „Orelius Golden Invest“ investierte.

Excell Life bot seinen Kunden an, über fondsbasierte Lebensversicherungen in dieses Produkt zu investieren. Orelius Golden Invest wurde in Broschüren dabei als besonders sichere Anlage vorgestellt. Doch das CAA wies Ende 2007 die Versicherungsgesellschaft darauf hin, dass dieses Produkt nicht an Privatanleger verkauft werden dürfe. Es sei zu spekulativ und Investitionen in Rohstoffe wie Gold seien für Lebensversicherungen nicht zugelassen. Excell Life verkaufte die Anlage trotzdem weiter. Die Behörde unterließ eine spätere Kontrolle, heißt es in einer Klageschrift der Anleger vor dem Luxemburger Gericht, die REPORTER einsehen konnte.

Tatsächlich wurden nie Investitionen in den Goldhandel getätigt.“Urteil des Gerichts Turnhout

Das gleiche Schema nutzten die Gruppe rund um D&D Financials mit dem Fonds Cubex, in den weitere Kunden via den Versicherer Irish Life investierte. Der Hauptbeschuldigte Dirk de G. und seine Partner blendeten Investoren mit großspurigen Versprechen. Ein früherer Kollege beschrieb ihn gegenüber „Het Nieuwsblad“ als begnadeten Verkäufer: „Er hätte Eskimos Eiswürfel andrehen können“. Insgesamt betrogen die Angeklagten vor allem belgische Anleger über knapp 84 Millionen Euro.

Der Goldhandel war eine Chimäre

Doch die Geschäfte mit dem Gold, die so hohe Renditen einfahren sollten und mit den Hochglanzbroschüren warben, waren ein Fiasko. Zwar kaufte die Schweizer Firma Aurex Management & Investment mit dem aus dem „Orelius“-Fond Gold und Silber in Ghana und Mexiko. „Die importierten Goldmengen waren jedoch so gering, dass die beabsichtigten Gewinne zur Zahlung der hohen Provisionen und/oder Zinsen niemals realisiert werden konnten“, schreiben die Turnhouter Richter in ihrem Urteil.

Im Fall Cubex hatten die Versprechen genauso wenig mit der Realität zu tun: „Tatsächlich wurden nie Investitionen in den Goldhandel getätigt“, heißt es weiter im Urteil. Die in Luxemburg aktiven Manager John T., Jean-Marc T. und Marc G. investierten stattdessen die Gelder des Cubex-Fonds über ihre Schweizer Gesellschaft Caprinco Gestion in Finanzprodukte. Allerdings erreichen sie nie die versprochenen Erträge.

Stattdessen floss das Geld des Cubex-Fonds an die drei Manager, an ihre zahlreichen Firmen oder andere Bestimmungen, die nichts mit dem zu tun hatten, was den Anlegern versprochen worden war. Der zugehörige Fonds, der auf den Kaiman-Inseln seinen Sitz hatte, war am Ende komplett leergeräumt.

Haftstrafen für in Luxemburg wohnhafte Manager

Aufgrund der Aktivitäten rund um den Cubex-Fonds wurden die drei Manager in Turnhout wegen Betrug verurteilt. Die belgischen Richter verhängten gegen jeden von ihnen eine Gefängnisstrafe von drei Jahren, davon zwei auf Bewährung, und Geldstrafen von jeweils 8.250 Euro. Dazu kommen Entschädigungszahlungen gegenüber den Investoren.

Weitere Anklagepunkte der Urkundenfälschung und Geldwäsche hielten die Richter nicht zurück. Zwei weitere Manager, die in den Betrug verwickelt waren und von Luxemburg aus operierten, wurden ganz freigesprochen.

John T. und Jean-Marc T. gingen gegen das Urteil in Berufung, Marc G. akzeptierte das Urteil, heißt es auf Nachfrage von der Staatsanwaltschaft Turnhout. In Luxemburg liegen keine Gesuche der belgische Behörden für eine Auslieferung vor, sagte der Sprecher der Luxemburger Justiz.

Zwei gescheiterte Immobilienprojekte in Frankreich

Das Geld aus dem Cubex-Fonds floss unter anderem in zweifelhafte Immobilienprojekte in Frankreich. Im nordfranzösischen Arras soll ein Ökoviertel entstehen. Aus dem Cubex-Fonds fließen 2010 1,5 Millionen Euro in das Projekt. Diese Transaktion stand unter Geldwäscheverdacht der belgischen Justiz, doch die Richter in Turnhout ließen diesen Punkt im Urteil fallen.

Die Käufer der Passivhäuser, die mit den 1,5 Millionen gebaut werden sollten, zogen jedoch nie ein. Unzählige Fehler des zuständigen Notars verhinderten das Projekt und ließen den Verdacht eines Betrugs aufkommen. Erst Jahre später wurden manche Käufer entschädigt.

Ein zweiter Fall betraf die Investition in ein Projekt in Siouville in der Normandie. Hier waren John T, Jean-Marc T. und Marc G. über ihre Vermögensverwaltungsgesellschaft Fival beteiligt. Sie legten mehrere Fonds auf, um das Projekt zu finanzieren. Auch in diesem Fall floß ein – wenn auch geringer – Betrag aus dem Cubex-Fonds. Doch sie verstießen gegen zahlreiche französische Gesetze. Die französische Finanzaufsicht verurteilte sie 2012 zu einer Geldstrafe von jeweils 80.000 Euro und einem zehnjährigen Berufsverbot.

Bestens am Finanzplatz vernetzte Manager

Bei allen fünf Angeklagten handelt es sich um Manager, die in der Luxemburger Finanzbranche bestens vernetzt waren. Die beiden Freigesprochenen waren vor den Betrugsfällen bei der Deutschen Bank Luxemburg angestellt. Der Luxemburger John T. war Anfang der 1990er Jahre einer der Spitzenleute der Banque Degroof in Luxemburg.

Die Wege von John T., Jean-Marc T. und Marc G. kreuzen sich an einer ganz bestimmten Adresse: 39, Avenue Monterey. Ab 2002 ist dort der Sitz von Excell Life sowie weiteren Gesellschaften, in denen Jean-Marc T. und Marc G. unterschiedliche Funktionen wahrnehmen. Zusätzlich waren sie in die Verwaltung der Schweizer Gesellschaft Caprinco Gestion eingebunden, in der John T. Hauptaktionär war.

Excell Life beauftrage Caprinco mit der Verwaltung seiner Anlagen. Jean-Marc T. saß gleichzeitig im Verwaltungsrat des Lebensversicherers. Die Anwälte der belgischen Investoren wunderten sich vor dem Luxemburger Bezirksgericht, warum das Commissariat aux Assurances diese Vermischung der Rollen zuließ. Zu den Managern von Insolux und dessen Fonds „Golden Orelius Invest“ gab es laut den Anwälten ebenfalls Verbindungen.

Aufarbeitung steht noch aus

Seit der Klage von Excell Life von 2011 arbeitete die belgische Justiz an den Betrugsfällen. Der Großteil der Anleger investierte zwischen 2008 und 2010. Fast zehn Jahre später haben sie ihr Geld noch immer nicht gesehen und die möglicherweise Verantwortlichen wurden noch nicht bestraft.

Neben des Berufungsverfahren in Turnhout, steht ein weiterer Strafprozess in Nivelles gegen einen früheren Direktor von Excell Life bevor. Und auch die zivilen Klagen gegen das CAA und den Buchprüfer EY in Luxemburg wegen der Pleite des Lebensversicherers sind längst nicht abgeschlossen.