Die Biolandwirtschaft ist bisher in Luxemburg langsam gewachsen. Aus 4,7 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen sollen nun in sechs Jahren 20 Prozent werden. Ein ambitioniertes Ziel, das nur mit der passenden Vermarktung und finanziellen Anreizen denkbar ist.

2050: Luxemburg ist das Bioland schlecht hin. Jedes Kind kennt das luxemburgische Bio-Logo. Die Produkte verkaufen sich nicht nur hierzulande, sondern auch international. 80 Prozent der Flächen sind bereits umgestellt, aber auch die restlichen Betriebe arbeiten extensiv und fast ohne chemische Dünger. Die Biodiversität nimmt zu und die Kulturlandschaften mit ihren zahlreichen Tierarten begeistern nicht nur die Einheimischen. Kurz: Luxemburg hat das Ziel 100 Prozent Biolandwirtschaft im Jahr 2050 fast erreicht.

Diese Zukunftsvision entspricht grob den Zielen im aktuellen Regierungsprogramm. Wie es aber genau dazu kommen soll, ist momentan alles andere als klar.

Im Sommer soll der neue Bio-Aktionsplan stehen

2004 gab es den ersten EU-Bio-Aktionsplan, ab 2009 kam die erste luxemburgische Version zum Einsatz. Das Ziel war den Anteil an Biolandwirtschaft bewusst zu fördern. Nach den ersten drei Jahren wurde der Aktionsplan jährlich verlängert. Die Beihilfen stiegen von 150 auf 220 Euro pro Hektar Grünland und 250 pro Hektar Ackerland. Die angestrebte Marke von zehn Prozent wurde dennoch weit verfehlt: 4,7 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden nach Bio-Regeln bewirtschaftet, das sind 137 Betriebe. Nun soll es von 4,7 auf 20 Prozent in sechs Jahren gehen.

Wie können wir so nachhaltig wie möglich produzieren?“Landwirtschaftsminister Romain Schneider

Ein solch ehrgeiziges Ziel fordert entsprechende Handlungen, Rahmenbedingungen und vor allem eine echte Überzeugung. Zumindest eine gewisse Entschlossenheit ist spürbar: „Der Bio-Aktionsplan soll noch im Juli vom Regierungsrat beschlossen werden“, sagt Landwirtschaftsminister Romain Schneider (LSAP) im Gespräch mit REPORTER.

In der Bioszene wird jedoch die Überzeugung vermisst: Solange die Politik sich nicht eindeutig zum Bio bekenne, bleibe die Entwicklung schwierig, sagen mehrere Akteure. Dabei sagt Romain Schneider im Bezug auf die konkrete Umstellung von Landwirten, dass es nicht so sehr der finanzielle Aspekt sei, sondern vielmehr die Überzeugung, die an erster Stelle stehe.

Die CSV-Fraktionspräsidentin Martine Hansen fordert hingegen eine neutrale Analyse, warum nicht mehr Landwirte umgestellt haben. Die konventionellen Bauern befürchten derweil, benachteiligt zu werden. Sie wollen im neuen Bio-Aktionsplan mitreden.

Der Graben zwischen der konventionellen und der biologischen Landwirtschaft besteht weiter: „Es wird immer Diskussionen geben“, meint der Landwirtschaftsminister dazu. Und noch immer ist von Ideologien die Rede. Deshalb möchte der Minister die Frage anders stellen: „Wie können wir so nachhaltig wie möglich produzieren?“ Denn auch die restlichen 80 Prozent Landwirte sollen fortan umweltschonender arbeiten.

Bio als vorteilhafteste Option

Das System Landwirtschaft funktioniert nicht ohne Beihilfen, ob konventionell oder biologisch: Die Betriebe sind auf das Geld aus dem Agrarbudget angewiesen. Und das Koalitionsabkommen ist in diesem Punkt zudem explizit: „Afin d’inciter un maximum d’exploitations de passer à l’agriculture biologique, il sera veillé à ce que l’agriculture biologique soit l’option la plus avantageuse en matière d’aides publiques.“

Dies war in der Vergangenheit nicht der Fall: Die konventionellen Landwirte konnten durch zusätzliche Umweltmaßnahmen weitere Beihilfen beantragen. Den Bio-Bauern blieb dies verwehrt, da solche Verfahren sowieso Teil der Biolandwirtschaft sind.

Wie viel Geld allerdings erforderlich wäre oder vorgesehen ist, wollte der Landwirtschaftsminister noch nicht beantworten. Die Plattform „Meng Landwirtschaft“ hatte bereits 2017 gerechnet, dass 1,8 Millionen Euro mehr in die Biolandwirtschaft in Luxemburg fließen müssten – zusätzlich zu den bestehenden Beihilfen.

Diese Zahlen leitet der Experte Raymond Aendekerk direkt aus dem dänischen Aktionsplan ab. Er habe die Summen aber an den hiesigen Kontext angepasst, betont er. Schließlich ist das skandinavische Land heute schon bei 18 Prozent und könnte Luxemburg Pisten aufzeigen. „Wir fangen niedriger an, in Dänemark haben sie mit acht Prozent den Aktionsplan gestartet“, bemerkt Aendekerk, ehemaliger Leiter des biologischen Forschungsinstituts IBLA und heute Direktor von Greenpeace Luxemburg.

Höhere Prämien und sinnvolle Investitionshilfen

Weitere Länder dienen als Beispiel, denn Luxemburg befindet sich unter den europäischen Schlusslichtern. In Österreich sind unter anderem spezielle Investitionshilfen für Bioställe vorgesehen, denn diese sind teurer als die konventionellen. Als Vorbild dient das Alpenland allemal, denn es ist europaweit Spitzenreiter: 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden dort biologisch bearbeitet.

Ohne Ambitionen geht es nicht.“Raymond Aendekerk

Aber ein Blick über die Grenze nach Belgien reicht schon. In Wallonien sind die Basisprämien für das Ackerland ausreichend hoch, 400 Euro pro Hektar, um die Schwierigkeiten der Vermarktung aufzufangen. Problematisch wird es nämlich, wenn biologische Produkte konventionell vermarktet werden müssen. Der Verkauf der Erzeugnisse ist allgemein ein Hindernis während der Umstellungsphase und wird auch als Hauptargument gegen das Wachsen des Bioanteils angeführt.

Sorgenkind Vermarktung

Daniela Noesen, Direktorin von Bio-Lëtzebuerg, sieht im wallonischen Beispiel eine Lösung für Luxemburg, der Markt könne sich dann parallel entwickeln. Während der Umstellung kriegt der luxemburgische Landwirt lediglich 50 Euro pro Hektar mehr, in Wallonien sind es 150 Euro.

Als abschreckendes Beispiel wird die Bio-Milch genannt: Sie muss zu einem guten Teil ins Ausland verkauft werden. Den Bauern drohen deshalb niedrige Preise. Doch bei konventionell produzierter Milch reicht der Absatzmarkt in Luxemburg ebenfalls nicht: „80 Prozent der konventionellen Milcherzeugnisse werden ins Ausland verkauft“, sagt Raymond Aendekerk.

„Die Politik muss größer denken und die Grenzen aufmachen“, fordert Patrick Kolbusch, Geschäftsführer bei „Biogros“. Es fehle an Unterstützung, die Produkte im Ausland zu vermarkten. Andere Länder wären da viel offensiver: Die niederländische Botschaft habe einen Firmenvertreter zum Großhändler geschickt, um herauszufinden, wie niederländische Produkte hierzulande verkauft werden könnten. Warum nicht luxemburgischen Erzeugern bei der größten Biofachmesse in Nürnberg einen Stand finanzieren?

Landwirtschaftsminister Romain Schneider setzt dagegen auf einen nationalen sogenannten „Matchmaker“ der die Verbindung zwischen den Produzenten und den späteren Abnehmern aufbauen soll. Hoffnungsträger der angedachten Strategie sind zudem öffentliche Kantinen und andere Großküchen.

Sensibilisierung der Kundschaft

CSV-Fraktionspräsidentin Martine Hansen plädiert in einem ersten Schritt für eine Bedarfsanalyse: Was sind gefragte Produkte? Die Nachfrage nach Bio-Hähnchen biete einen Anhaltspunkt, so die Abgeordnete. Da könne gezielt gehandelt werden. Auch Verarbeitungsstrukturen wie Bio-Schlachthäuser sind in Luxemburg kaum vorhanden und müssten im neuen Aktionsplan deutlich gefördert werden.

Der dänische Aktionsplan sieht die Sensibilisierung der Kunden als wichtigen Bestandteil. Raymond Aendekerk rechnet in seinem Modell, dass hierfür 600.000 Euro nötig wären. Josiane Willems, Direktorin der Bauernzentrale, möchte den Druck der Biovermarktung nicht auf den Verbraucher abwälzen. „Ich möchte den Konsumenten nicht sagen, du musst das jetzt kaufen”, sagt sie.

Die Nachfrage nach Bioprodukten steigt zwar weiter, aber der Konsument wählt nicht unbedingt die luxemburgischen Erzeugnisse aus, zumal die Produktpalette sehr schmal ist.

Förderung von Bio-Gemüsebauern

Ein Umdenken finde langsam statt, meint Romain Schneider. Trotz Mehrkosten würden auch große Firmen wie Arla (Milch) zur Biolandwirtschaft raten. Denn wer jetzt nicht auf den nachhaltigen Zug mit aufspringe, sei weg vom Fenster, so der Minister.

Um die Vermarktung zu garantieren, gelte es zudem auch Nischen zu finden und diese aufzubauen: Gemüse- und Obstanbau sollten verstärkt gefördert werden. Davon ist man im Landwirtschaftsministerium aber auch in den verschiedenen Organisationen überzeugt.

Mit Worldcafé zu mehr Biolandwirtschaft

In drei Monaten soll feststehen, wie genau das Ziel von 20 Prozent Anteil Biolandwirtschaft bis 2025 erreicht werden soll. Der erste Entwurf eines neuen Aktionsplans liegt bereits vor: Nach internen Diskussionen soll er rechtzeitig vor der Sommerpause mit den unterschiedlichen Akteuren in thematischen Ateliers – sogenannten Worldcafés – besprochen werden. Doch durch die Reformen der Europäischen Agrarpolitik gibt es noch einige Planungsunsicherheiten. Das Budget für einen Bio-Aktionsplan müsste aber unabhängig von europäischen Geldern vorhanden sein.

Den Stimmen, die von einem unrealistischen Ziel sprechen, widerspricht Raymond Aendekerk: „Ohne Ambitionen geht es nicht“. Doch die Zeit ist knapp und der Landwirtschaftsminister zurückhaltend: „Ich weiß, dass das Ziel bis zum Ende der Legislaturperiode nicht erreicht werden kann“.


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