Eine Welle internationaler Regulierungen bedroht das Geschäftsmodell der Steueroasen in der Karibik. Der Fall der Britischen Jungferninseln zeigt: Die Zeit des „wilden Westens“ ist vorbei. Die Welt der Steueroptimierung steht vor einem tiefgreifenden Wandel.

Im Januar 2024 beginnt vor einem Gericht in Miami die Anhörung zu einem ungewöhnlichen Prozess. Der Angeklagte ist Andrew Fahie, der ehemalige Premierminister der Britischen Jungferninseln (BVI). Er wurde 2022 in den USA verhaftet. Die US-Behörden behaupten, er habe einem verdeckt für sie arbeitenden Informanten versprochen, gegen eine Gebühr illegale Drogen, die für die USA bestimmt seien, durch die Häfen seines Territoriums schleusen zu lassen. Andrew Fahie, der in Miami unter Hausarrest steht, plädiert auf nicht schuldig. Der Rohbau eines Hauses, das er bauen wollte, steht noch immer unvollendet außerhalb der Hauptstadt Road Town.

Der Anschein einer korrupten Regierungsführung ist das Letzte, was die Britischen Jungferninseln brauchen. Seit vier Jahrzehnten verdient dieses herrliche Fleckchen in der Karibik einen Teil seines Lebensunterhalts mit dem Verkauf von Briefkastenfirmen an Ausländer – Scheinfirmen, die größtenteils auf dem Papier existieren, ohne echtes Personal oder Büros. Dieses Geschäftsmodell und die damit verbundenen Dienstleistungen haben in manchen Jahren mehr als zwei Drittel des Staatshaushalts finanziert und einem Territorium mit lediglich 33.000 Einwohnern in der Geschäftswelt eine gewisse Berühmtheit verschafft. „Es hat uns sehr gute Dienste geleistet“, sagt Natalio Wheatley, der Nachfolger von Andrew Fahie als Premierminister.

Doch in letzter Zeit haben weltweite Bemühungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung die Finanzdienstleistungsbranche der Britischen Jungferninseln unter Druck gesetzt. Die Gesamtzahl der dort registrierten Unternehmen ist seit 2011 um mehr als ein Fünftel gesunken. Wie Finanzzentren überall in der Karibik ist die Branche in unruhiges Fahrwasser geraten.

Bedrohliche Transparenz

Fast jeder Felsen in der Karibik hat irgendwann einmal versucht, einen Offshore-Sektor mit einem eigenen Format zu errichten. Die Bahamas waren die Ersten, die damit Erfolg hatten. Heutzutage erwirtschaftet der Inselstaat etwa zehn bis 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit Finanzdienstleistungen, insbesondere dem Private Banking …