Warum müssen Patienten so lange in Polikliniken warten? Diese Frage richtete der Abgeordnete Jeff Engelen an Gesundheitsminister Etienne Schneider. Die Antwort: Das Ministerium sei gar nicht für die Organisation der Polikliniken zuständig. Wer also dann?

Immer wieder warten: Dass es in Luxemburgs Notaufnahmen auch mal länger dauern kann, ist kein Geheimnis. Das gleiche Problem bestehe aber auch in den Polikliniken, behauptet Jeff Engelen (ADR). Bis zu sechs Stunden kann es seinen Informationen nach dauern, bis ein Arzt sich um den Patienten kümmert. Deshalb wandte er sich mit einer parlamentarischen Anfrage an Gesundheitsminister Etienne Schneider (LSAP). Engelen wollte wissen, wie die Polikliniken organisiert sind und warum sich dort lediglich Allgemeinmediziner um die Patienten kümmern können.

Die Antwort des Ministers: Sein Ministerium sei gar nicht für die Polikliniken zuständig, weil sie nicht Teil des „Service hospitalier“ seien. Stattdessen würden sie einen zusätzlichen medizinischen Dienst für die Patienten bieten. Die Frage von Jeff Engelen kann oder muss er demnach nicht beantworten.

Eine Antwort liefert Schneider trotzdem. Die Behandlungen, die in der Poliklinik angeboten werden, seien Dienste, die nicht zu den regulären Krankenhausdiensten („services hospitaliers“) gehören. Ähnlich beschreibt es Dr. Jean-Paul Freichel, Mitglied der Geschäftsführung des Centre Hospitalier de Luxembourg (CHL): „Die Poliklinik ist ein Anhängsel des Notfalldienstes“, sagt er. „Sie kann eng an den Notfalldienst gekoppelt sein, muss es aber nicht sein.“

Verwechslung von Notaufnahme und Poliklinik

Früher war das anders. „Damals gab es die ‚Policlinique-urgence'“, sagt Freichel. „Da haben sich die Dienste noch recht stark überschnitten. Wer einen Notfall hatte, ging in die Poliklinik. Heute wird beides aber stärker voneinander getrennt.“

Auch aus den Hopitaux Robert Schuman (HRS) heißt es auf Nachfrage, dass zwischen Poliklinik und Notfalldienst Unterschiede liegen. In der Notaufnahme würden Notfälle behandelt – also ohne Termin. In der Poliklinik habe man in der Regel einen Termin – vor allem zur Nachkontrolle einer OP. Wie es aus dem HRS heißt, würden sich in ihrer Notaufnahme nur Notärzte um die Patienten kümmern – das sind meist Allgemeinmediziner mit einer zusätzlichen Ausbildung und Spezialisierung. Betreuungen, beispielsweise bei einem Verbandswechsel, könnten zudem in einer Poliklinik auch von einer Pflegekraft übernommen werden, statt von einem Arzt.

Anders ist dies in den Polikliniken. Patienten werden pre- oder postoperativ betreut, es werden aber auch Verletzungen, Wunden oder Brüche dort behandelt sowie die Analyse der Radiologieabteilung vorgenommen. Diese Bereiche sind in der Regel nur tagsüber geöffnet, die Notaufnahme 24 Stunden.

Die Dienste, die in einer Poliklinik angeboten werden, haben demnach nur oberflächlich etwas mit einer Notaufnahme gemeinsam. Sowohl die Organisation als auch die Aufgabenbereiche sind andere. Das bedeutet nicht, dass in der Poliklinik nicht auch mal ein Notfall behandelt wird – in der Regel ist aber die Notaufnahme dafür zuständig. Es hat demnach den Anschein, als hätte Jeff Engelen in seiner parlamentarischen Anfrage die Wartezeiten und die Organisation in der Notaufnahme gemeint, obwohl er von der Poliklinik spricht.

Was steht im Gesetzestext?

Obwohl die Unterschiede zwischen Notaufnahme und Poliklinik deutlich sind, hat Etienne Schneiders Antwort dennoch Fragen innerhalb der Branche aufgeworfen. Vor allem der Punkt, dass die Krankenhäuser selbst die Verantwortung über die Abläufe in den Polikliniken tragen – und das Gesundheitsministerium nichts damit zu tun hat. Das bestätigt allerdings auch Dr. Freichel. Er sagt, die Verantwortung liege alleine bei den Krankenhäusern selbst.

Tatsächlich ist im entsprechenden Gesetzestext, der „Loi hospitalière“ von 2018, keine Rede von den Polikliniken. Zum „Service hospitalier“ zählen alle Pflegedienste innerhalb einer Krankenhaus-Struktur. Die Poliklinik kann, muss den klinischen Notfalldienst aber nicht ergänzen. Sie ist somit optional.

Laut Etienne Schneider zählen die Polikliniken außerdem zu den „soins médico-techniques“. Mithilfe dieser Dienste kann zwar eine Diagnose oder eine passende Behandlung beim Patienten festgelegt werden. Langfristige Behandlungen werden dann aber in einer anderen, auf die Diagnose abgestimmten Abteilung („activité médico-soignante“) – oder von einem externen Experten übernommen.