Anfang des Jahres verschärfte Luxemburg sein Waffengesetz. Dabei geht es nicht zuletzt um eine stärkere Kontrolle der physischen und mentalen Gesundheit von Waffenbesitzern. Doch selbst die strengsten Auflagen können nicht alle Bedenken ausräumen.

„Man fühlt sich schon geplagt“, sagt ein passionierter Sportschütze im Gespräch mit Reporter.lu. Der Besitzer von mehreren Handfeuerwaffen findet, dass das neue Waffengesetz die Besitzer und Jäger etwas zu viel drangsaliert. In der Tat waren einige der angedachten Auflagen in der Praxis kaum bis schwer durchzusetzen. Der Staat reguliert an sich jeden Aspekt vom Schusswaffenbesitz: Welche Waffen erlaubt sind, wer sie besitzen darf, wie sie zu transportieren sind und wo geschossen werden darf.

Wer verstehen will, wieso Luxemburg im Vergleich mit dem Ausland eher ein strenges Gesetz hat, muss in die jüngere Vergangenheit zurückblicken. Als 2015 die islamistischen Attentate auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ und später auf den Konzertsaal „Bataclan“ sowie weitere Ziele in Paris die Welt erschütterten, stellte sich europaweit die Frage nach der Regulierung des Waffenbesitzes und des Verkaufs an Zivilisten.

Die Europäische Kommission schrieb den Mitgliedstaaten daraufhin ein einheitliches Regelwerk vor, um den Waffenbesitz besser kontrollieren zu können. Dem damaligen Justizminister Félix Braz (Déi Gréng) ging der Kompromiss aber nicht weit genug. Luxemburg verweigerte sich der sogenannten „Bataclan“-Richtlinie und arbeitete 2017 ein Gesetz aus, das über die EU-Vorgaben hinausgehen sollte – das aber auch der Waffenlobby missfiel. Sammlervereine, Sportschützen- und Jägerverbände warfen ihr politisches Gewicht in die Waagschale.

Bei Verdacht muss gehandelt werden

Eine zentrale Änderung des neuen Gesetzes ist eine Verstärkung der „background checks“. „Eine der Neuerungen ist die Bestimmung, dass private Waffenbesitzer alle fünf Jahre eine medizinische Kontrolle durchlaufen müssen. Dabei wird nicht nur auf die physische Gesundheit geschaut, sondern auch auf die mentale – denn die beschäftigt uns weit mehr“, erklärt Luc Reding, Berater im Justizministerium, im Interview mit Reporter.lu.

Menschen, die die Welt der Waffen nicht kennen, finden sie auch nicht gut. Heraus kommen dann Gesetze, die zu restriktiv gegenüber unbescholtenen privaten Bürgern sind.“
Ein Waffenbesitzer

Auch sonst können die Behörden nun schneller reagieren, wenn eine Person mit Waffenschein psychische Probleme oder sonstige Auffälligkeiten zeigt. Weil man nicht so leicht an medizinische Daten komme, setze man auch auf die Entourage der betreffenden Person, so das Justizministerium weiter. „Professionelle aus dem Gesundheitsbereich haben trotzdem die Möglichkeit anonym an uns heranzutreten. Wenn die Daten detailliert genug sind, können wir intervenieren“, so Luc Reding. Das Ministerium müsse auf Basis des Gesetzes handeln, wenn es entsprechende Informationen erhält.

Beim problematischen Waffenbesitz gibt es zwei Szenarien. Im „guten Szenario“ wisse das Ministerium, dass eine Person nicht mehr zurechnungsfähig sei, die Waffen seien jedoch in Sicherheit. „Das passiert öfter im Rahmen von Demenzerkrankungen. Dann können wir die Polizei vor Ort schicken, um die Waffen abzuholen“, erklärt Luc Reding.

Das andere, „nicht so gute Szenario“ trete dagegen ein, wenn die Behörden Informationen über eine Person mit Waffenschein haben, von der angeblich eine Gefahr ausgehe. „Sofort den Waffenschein einziehen können wir nicht, denn die Person könnte den Waffenschein vor Gericht wieder einklagen“, sagt Luc Reding. Dafür sieht das Gesetz nun eine temporäre Suspendierung vor. Während dieses Zeitraums kann das Ministerium eine Untersuchung einleiten, an deren Ende der Entzug des Waffenscheines stehen kann.

Auch automatische Waffen im Umlauf

Bei den Sportschützen wird dieser Aspekt der Reform im Grunde positiv gesehen: „Das ist eine gute Sache. Denn wenn etwas passiert, fällt dies auf den ganzen Verein zurück und stellt ihn in ein schlechtes Licht“, erklärt Mil Manderscheid von der „Fédération Luxembourgeoise de Tir aux Armes Sportives“ (FLTAS) im Gespräch mit Reporter.lu. Der technische Direktor verweist aber auch auf die bereits vor der Reform bestehenden Kontrollen, wie die polizeilichen Untersuchungen, die jeder Vergabe eines Waffenscheins vorausgehen. Ohnehin würden an den Schießständen „sehr strenge Auflagen“ gelten.

Unter den aktiven Schützen sind die Ansichten aber gemischt: „Heute hat doch jeder irgendein psychologisches Problem“, meint ein Sportschütze aus dem Süden des Landes, der sich im Rahmen eines Leseraufrufs bei Reporter.lu gemeldet hat. „Im Verein passen wir eh auf, dass sich keine John Waynes oder Rambos einschleichen. Wer sich daneben benimmt und die Sicherheit anderer gefährdet, fliegt raus“, sagt er. Auch ein weiterer Besitzer versucht gegen den schlechten Ruf der Waffenliebhaber anzukämpfen: „Es werden mehr Menschen mit Messern umgebracht als mit Schusswaffen. Félix Braz hat versucht, einfach alle Waffen zu verbieten. Das finde ich undemokratisch“.

Rund 15.000 Waffenbesitzer gab es 2019 offiziell in Luxemburg. Zusammen genommen besitzen diese um die 90.000 Waffen. (Foto: Mike Zenari)

Tatsächlich ist die Liste der verbotenen Waffen laut dem neuen Gesetz sehr lang. Sie umfasst auch vollautomatische Versionen von Maschinengewehren wie das Modell AR-15, das in den USA sehr beliebt ist und dort auch wiederholt bei Massenschießereien und Amokläufen zum Einsatz gekommen ist.

Gibt es solche Gewehre in Luxemburg? „Ja“, antwortet ein Waffenbesitzer, der angibt, selbst ein solches Gewehr zu besitzen. „Die AR-15 ist nichts anderes als die zivile Version des Militärgewehrs M-16. In Luxemburg darf man ein solches Gewehr besitzen, wenn es auf Halbautomatik umgestellt ist – also, wenn nur einzelne Schüsse abgefeuert werden können, im Gegensatz zur Vollautomatik, in der ein Druck auf den Auslöser gleich mehrere Schüsse abgibt“, erklärt er im Gespräch mit Reporter.lu.

Warum man sich ein solches Gewehr zulegt, ist für ihn eine Frage des Geschmacks und der Interessen: „Sehen Sie, manche Menschen fahren gerne Porsche, aber da fragt niemand, warum sie das machen. Menschen, die die Welt der Waffen nicht kennen, finden sie auch nicht gut. Heraus kommen dann Gesetze, die zu restriktiv gegenüber unbescholtenen privaten Bürgern sind.“

Harte Strafen bei Alkoholkonsum

Einige der Waffenbesitzer beschweren sich auch über in ihren Augen „lächerliche“ gesetzliche Auflagen. Wie zum Beispiel, dass ein Magazin nicht mehr als zehn Schuss haben darf – die üblichen Magazine für Maschinengewehre waren aber auf 20 Schuss ausgelegt. Dass dies ein Problem war, bestätigt Mil Manderscheid von der FLTAS: „Es gab am Anfang nicht genug Magazine, die nur für zehn Schuss Platz hatten. Der Markt hat das aber inzwischen geregelt und es gibt jetzt genug davon“, erklärt er Reporter.lu gegenüber.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die strengen Auflagen beim Transport von Waffen: Sie müssen getrennt von ihrer Munition transportiert werden, dürfen nicht sichtbar sein, die Läufe müssen abgeschlossen sein. Außerhalb des Schießstands dürfen sie auch nicht an andere Personen weitergegeben werden. Wer unter Drogen- oder Alkoholeinfluss Waffen transportiert und dabei erwischt wird, dem drohen harte Strafen.

Wer nach einer erfolgreichen Jagd oder einem gewonnenen Turnier vielleicht mal einen über den Durst trinkt, wird ziemlich hart bestraft.“Marc Reiter, Jägerverband

Dies macht vor allem der Jägerföderation zu schaffen: „Wer nach einer erfolgreichen Jagd oder einem gewonnenen Turnier vielleicht mal einen über den Durst trinkt, wird ziemlich hart bestraft“, beklagt sich der Vizepräsident des Verbandes, Marc Reiter, im Gespräch mit Reporter.lu. Dies sei schwer zu akzeptieren gewesen, aber die Politik habe in diesem Punkt nicht nachgegeben.

Was die Sicherheit bei Jagden angeht, verweist Reiter darauf, dass es in Luxemburg im Vergleich mit dem Ausland – vor allem Frankreich – zu relativ wenigen Jagdunfällen komme: „Das liegt vor allem daran, dass die Ausbildung zum Jäger in Luxemburg ein Jahr dauert, in Frankreich aber nur drei Wochen. Wir haben einen Sicherheitsparcours aufgebaut, den die Aspiranten durchlaufen müssen, und auch die älteren Jäger werden angehalten, diesen zu absolvieren.“

Trotzdem bieten diese Maßnahmen keinen hundertprozentigen Schutz vor dramatischen Fehlern. Wie wichtig die Schutzmaßnahmen und Überprüfungen sind, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2016 in Fentingen: Aus Fahrlässigkeit ging bei einer Jagd in der Nähe eines Wohngebiets eine Kugel „verloren“ und verletzte eine Frau, die auf einer Terrasse saß, schwer. Der Fall landete vor Gericht und der Jäger musste seine Waffe abgeben.

In Bezug auf den Umgang mit psychischen Erkrankungen betont Marc Reiter: „Das geht von Fall zu Fall – und immer mit Spitzengefühl. Wir haben in dem Kontext auch einen guten Kontakt zum Justizministerium. So können wir präventiv handeln“. Der Vizepräsident des Jägerverbandes kenne einen Fall, in dem ein Jäger seine Waffen und seinen Waffenschein wegen psychischer Probleme abgegeben habe: „Der Mann hat seine Probleme aber jetzt bewältigt und kann wieder zur Jagd gehen. Das ist auch das Resultat unserer Arbeit, bei der Sicherheit vorgeht“.

Das Problem der illegalen Waffen

Letztlich berührt das neue Gesetz auch die Waffenbesitzer, die nicht mit ihren Pistolen oder Gewehren auf den Schießstand oder zur Jagd gehen – die Waffensammler. Dies können historische Waffen aus dem 19. Jahrhundert oder den Weltkriegen sein. Der ursprüngliche Gesetzestext sah vor, dass solche Waffen unbrauchbar gemacht werden sollten. Dies ging aber nicht: „Wer seine Waffe unbrauchbar macht, kann sie dann auch nicht mehr weiterverkaufen, denn sie hat keinen Wert mehr“, so ein erprobter Sportschütze und Waffensammler.

Denn auch Sammler brauchen einen Waffenschein. Wenn sie ihre Waffen zu Hause lagern, gelten dort bestimmte Regeln. Sie müssen getrennt von der Munition in einem Waffenschrank gelagert sein. Die Fragen von Reporter.lu an die luxemburgische Vereinigung der Waffensammler blieben unbeantwortet.

Die Anzahl an Munition, die in den Magazinen von Maschinengewehren erlaubt ist, war einer von vielen Diskussionspunkten bei der Reform des Waffengesetzes. (Foto: Mike Zenari)

Dass die Polizei Waffensammlungen ernst nimmt, lässt eine Anekdote, die uns im Rahmen der partizipativen Leserumfrage zugetragen wurde, erahnen: „Ich bin selbst weder Jäger noch Schütze – aber mein Vater und Großvater gingen auf die Jagd. Die Gewehre, die in meinem Elternhaus hingen, sind mir nicht mal mehr aufgefallen. Als die Polizei kam, um einen Einbruch in dem Haus zu konstatieren, bemerkten sie die Gewehre und machten mich darauf aufmerksam, dass ich dafür einen Waffenschein haben muss und dass die in einen Schrank gehören“. Da der Leser sich aus nostalgischen Gründen nicht von den Gewehren trennen wollte, hatte er auch kein Problem damit, sie unschädlich zu machen und eine Erlaubnis anzufragen.

In Zusammenhang mit den Amokläufen in den USA kommt dagegen immer wieder ein anderes Argument auf: Wer ein Massaker oder einen terroristischen Anschlag verüben will, werde dies eher nicht mit legalen Waffen tun. Auch wenn niemand angibt, zu wissen ob und wie es möglich ist, sich in Luxemburg illegal Waffen zu beschaffen, so ist hier wohl der wunde Punkt der Waffengesetzgebung. Sie betrifft nur diejenigen, die sich ohnehin daran halten. Dabei ist Luxemburg 2016 als Dreh- und Angelpunkt des illegalen Kriegswaffenhandels, eben im Kontext der Pariser Attentate von 2015, in die Schlagzeilen geraten.