Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Wochen zurück. Dieses Mal: Der Brexit wird verschoben, Arbeitslosengeld für Grenzgänger und die Fidesz wird suspendiert.
Auf ein Neues drehte sich diese Woche alles um den EU-Austritt Großbritanniens. Stichdatum wäre eigentlich Freitag. Diesen Freitag. Nachdem das britische Parlament wiederholt gegen den Deal stimmte, den die Premierministerin mit Brüssel ausgehandelt hatte, versuchte Sie am Donnerstag, eine Verschiebung des Austrittsdatums zu erzielen.
Weder Luxemburgs Staatschef Xavier Bettel noch Außenminister Jean Asselborn zeigten sich von dieser Idee besonders begeistert. Eine Verschiebung ohne Aussicht auf ein Weiterkommen im Brexit-Dossier fanden sie wenig zielführend, wenn auch sympathischer als ein No-Deal Szenario.
Verlängerung an Bedingungen geknüpft
Doch auch rechtlich blieb im Vorfeld einiges unklar. Konkret stellt sich mit dem Brexit-Datum nämlich die Frage nach der britischen Teilnahme an den Europawahlen im Mai. Ein Austritt nach den Wahlen, also nach dem ersten Zusammentritt des EU-Parlaments, würde zu einem rechtlichen und demokratischen Chaos führen: Das britische Volk wäre dann im Parlament nicht vertreten.
Obwohl ein entsprechendes EU-Gutachten zu dieser Frage im Vorfeld zirkulierte, beantragte May eine Verlängerung bis zum 30. Juni – also nach den Wahlen. Und das ohne Absicht Großbritanniens an diesen Wahlen teilzunehmen. Ein No-Go, nicht nur für Xavier Bettel. Wie zu erwarten, wurde Theresa May dieser Wunsch nicht erfüllt. Verlängerung ja, aber zu den Bedingungen der EU27, lautete die Nachricht aus Brüssel.
EU27 responds to UK requests in a positive spirit and:
👉 agrees to Art. 50 extension until 22 May if Withdrawal Agreement approved next week
👉 if not agreed next week then extension until 12 April
👉 approves ‘Strasbourg Agreement’
👉 continues no-deal preparations— Donald Tusk (@eucopresident) March 21, 2019
Zwei Optionen für Großbritannien
Im Klartext: Schafft es May nicht, das britische Parlament diese Woche von ihrem Deal zu überzeugen, wird der Austritt am 12. April erfolgen – es sei denn die Briten würden dann entscheiden, an den Europawahlen teilzunehmen. Sollte die Abstimmung über den Austrittsvertrag mit der EU in Großbritannien positiv ausgehen, könnte London eine Verlängerungsfrist bis zum Vorabend der Europawahlen am 22. Mai erhalten.
Was dann passiert, ist weiterhin unklar. So betonte etwa Ratspräsident Donald Tusk nach der Sitzung, dass alle Optionen offen bleiben: „Die britische Regierung hat immer noch die Wahl zwischen einem Deal, einem No-Deal, einer langen Verschiebung oder einem Widerruf des Artikel 50.“ Ist Großbritannien allerdings in der Zeit vom 23. bis 26. Mai noch Mitglied der Europäischen Union, müssen auch in London EU-Wahlen abgehalten werden, legte der Rat am Freitag nach.
Vorerst bleibt abzuwarten, wie das britische Unterhaus diese Woche entscheidet. Beliebt hat sich Theresa May bei den Volksvertretern jedenfalls nicht gemacht: So machte sie in einer Rede das britische Unterhaus für das Brexit-Chaos verantwortlich. Schließlich würden sich die Abgeordneten gegen jegliche von May vorgeschlagenen Optionen stellen. Die Premierministerin dagegen würde lediglich das abliefern, was das britische Volk beim Referendum 2016 forderte.
Allerdings dürfte die Zeit der Premierministerin noch schneller abgelaufen sein, wie bisher angenommen wurde. Am Wochenende spekulierten die Medien jedenfalls über eine partei- und kabinettsinterne Revolte gegen May. „Time’s up, Theresa“, titelte die „Sun“ am Montag.
Arbeitslosengeld für Grenzgänger
Vergangene Woche haben sich Rat, Parlament und Kommission auf klarere Regeln zur Koordinierung der europäischen Sozialversicherungssysteme geeinigt. Eine Konsequenz der neuen Vorschriften: Luxemburg muss das Arbeitslosengeld für Grenzgänger zahlen, wenn diese länger als sechs Monate im Land gearbeitet haben.
Eigentlich soll dies ab 2021 gelten. Für Luxemburg – das aufgrund der vielen Pendler aus der Großregion maßgeblich von den Vorschriften betroffen ist – gilt aber eine Sonderregelung. So sollen dem Großherzogtum sieben statt zwei Jahre Zeit bleiben, um die Maßnahme umzusetzen.
Luxemburg hatte die Entscheidung maßgeblich blockiert und hätte vorgezogen, dass sich Rat, Kommission und Parlament so schnell nicht einig geworden wären. Gleichzeitig haben Arbeitsminister Dan Kersch und Sozialminister Romain Schneider (beide LSAP) aber an Brüssel appelliert, eine „wahrhafte Sozialunion“ ins Leben zu rufen. Für Luxemburg könnten durch die neue Regelung Kosten von rund 60 Millionen Euro jährlich entstehen.
Suspendierung der Fidesz-Partei
Die Fidesz soll aus der Europäischen Volkspartei (EVP) ausgeschlossen werden. Mit der Haltung nahm die CSV an der Zusammenkunft der EVP in Brüssel Teil. Und feierte lediglich einen Teilerfolg.
Die Fidesz wurde suspendiert, zu einem Rauswurf kam es nicht. So kann die Partei aktuell nicht mehr als „EVP-Mitglied agieren“, wie es CSV-Chef Frank Engel ausdrückte. Orbáns Partei darf keine Kandidaten für Posten innerhalb der Parteifamilie vorschlagen, nicht an Versammlungen teilnehmen, nicht abstimmen und muss die Mitarbeit in EVP-Gremien auf Eis legen.
With values it is like virginity… you can only lose them once #Fidesz
— Christophe Origer (@OrigerC) March 20, 2019
Nun soll eine Kommission unter der Führung des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy entscheiden, ob und wann die Suspendierung der Fidesz aufgehoben werden kann. Auch die Rechtstaatlichkeit der Partei wird überprüft.
Ein Ausschluss sei nicht auszuschließen, betont derweil Frank Engel. Er glaube immerhin nicht, dass sich Victor Orbán ändern könne. Im Vorfeld des Zusammentreffens ließen die Christsozialen wiederholt verlauten, wenn die Fidesz in der EVP bleiben würde, würde man selbst aussteigen. Das käme aber aktuell nicht in Frage, sagte Engel dem „Radio 100,7“. Ohnehin seien die „glorreichen Zeiten“ Victor Orbáns innerhalb der Parteifamilie nun vorbei.
#Fidesz will be suspended with immediate effect and until further notice following today’s vote of EPP members (190 in favour, 3 against). The suspension entails:
▪No attendance at any party meeting
▪No voting rights
▪No right to propose candidates for posts— Joseph Daul (@JosephDaul) March 20, 2019