In Spanien wird an diesem Sonntag zum vierten Mal innerhalb von nur vier Jahren gewählt. In der politischen Auseinandersetzung tauchen die gleichen Methoden auf, die schon 2016 US-Präsident Donald Trump ins Amt beförderten. Nutznießer soll vor allem die konservative Partido Popular sein.

Großspurig hatte Alexander Nix vor drei Jahren behauptet, mit seiner Fima „Cambridge Analytica“ demokratische Wahlen maßgeblich beeinflussen zu können. „Wir sind begeistert, dass unser revolutionärer Ansatz der datengetriebenen Kommunikation einen derart grundlegenden Beitrag zum Sieg für Donald Trump leistet“, prahlte Nix Mitte September 2016 beim elitären Wirtschaftsforum „Concordia“ in New York.

Während seine skandalumwitterte Firma mittlerweile insolvent ist, bleiben die Gefahren, die von Algorithmen, Filterblasen und fake news in den sozialen Medien für die Demokratie ausgehen, eine politische Realität. „Cambridge Analytica“ war für ihre Methoden der Big-Data-Auswertung, psychologischen Verhaltensanalyse und entsprechende individualisierte Werbung in sozialen Netzwerken berüchtigt.

Mit einer deutlich groberen, destruktiven Methode feierten sie vor rund zehn Jahren im karibischen Trinidad und Tobago bereits einen ersten Erfolg. Die Kampagne „Do So!“ (Mach es) verfestigte das Nichtwählen als „Symbol des Widerstands gegen Politiker“. Im Vergleich zur vorherigen Wahl zog es 40 Prozent weniger Wähler unter 35 Jahren an die Urne. Dies betraf vornehmlich die afroamerikanische Gemeinde und trug zum Sieg der Partei UNC der indigenen Minderheit bei.

„Ich wähle nicht“ – eine gezielte Kampagne

Die gleiche Strategie von Cambridge Analytica und den russischen Geheimdiensten tauchte jetzt zugunsten der konservativen Partido Popular (PP) im spanischen Wahlkampf auf, wie die investigative Online-Zeitung „eldiario.es“ Ende Oktober enthüllte. Die Journalisten konnten mehrere Facebookseiten wie „Recuperar el PSOE“ (Die Sozialdemokraten zurück holen), „Con Rivera ¡No!“ (Nicht mit Rivera gegen die Partei „Ciudadanos“) oder „Contrapoder“ allesamt Javier Ager Solano zuschreiben. Dieser ist Aktivist der Jugendorganisation „Neue Generation“ der PP in Murcia und verantwortlich für die sozialen Medien. Der unabhängige Josep Lanuza zeichnet hingegen für die zentrale Kampagne „#Yo no voto“ (Ich wähle nicht) verantwortlich.

Sie sind wirkungsvoll, sind die, an die sich die Menschen am besten erinnern und sie zeigen sofort Resultate.“Aleix Sanmartin, politischer Berater

Neben den Fake-Gruppen und -Identitäten bei Facebook und Instagram tauchten in den letzten Wochen in eher linken Vierteln von Madrid, Huelva, Granada oder Murcia auch zahlreiche Plakate und Flyer mit den Gesichtern des amtierenden Präsidenten Pedro Sánchez (PSOE) und Pablo Iglesias (Podemos) auf – mit der Botschaft: „10-N No contéis conmigo“ (Rechnet am 10. November nicht mit mir) auf. Damit sollen innerparteiliche Differenzen oder Kritiken wie eine angebliche Annäherung von PSOE und Podemos aus der vermeintlichen Sicht eines empörten Parteigängers genutzt werden, um Frust und Zweifel und damit die mögliche Wahlenthaltung bei linken Parteigängern zu säen.

Der „Experte für schmutzige Kriege“

Zwar wies der PP-Vorsitzende und Spitzenkandidat Pablo Casado mit dem Satz „Diese Partei spielt sauber“ jegliche Vorwürfe von sich. Doch die Fakten sprechen dafür, dass es diverse Verbindungen zwischen den Verantwortlichen für die Desinformationskampagnen und Parteimitgliedern der Konservativen gibt. Josep Lanuza etwa ist Angestellter des politischen Beraters der PP, Aleix Sanmartin, der laut „eldiario.es“ in Lateinamerika als „Experte für schmutzige Kriege“, soziale Medien und provozierte Wahlenthaltung bekannt ist.

Dem spanischen Fernsehsender Antena 3 sagte er zu diesen Methoden: „Sie sind wirkungsvoll, sind die, an die sich die Menschen am besten erinnern und sie zeigen sofort Resultate (…) Was ich tue, machen in Wirklichkeit alle, die sich professionell damit beschäftigen.“

Die politische Neigung der Berater ist dabei kein Geheimnis. Sanmartin ließ sich mit seinem verantwortlichen Mitarbeiter Josep Lanuza dafür feieren, 40 Jahre PSOE-Präsidentschaft in Andalusien mit der Kampagne „Sozialisten für den Wandel“ beendet zu haben. Dabei spielten sie die Differenzen zwischen der Regionalpräsidentin Susana Díaz und Pedro Sánchez hoch. In einem Video leiteten sie sogar fälschlicherweise dazu an, wie man durch das Durchstreichen von „Diaz“ auf dem Wahlzettel weiter die PSOE, aber nicht Diaz wählen könnte. Was den Stimmzettel ungültig macht.

„Private“ Anzeigen mit großer Wirkung

Zwar spielt PP-Chef Pablo Casado die Rolle des aktuellen Wahlberaters seiner Partei Sanmartín herunter. Sanmartín distanziert sich seinerseits von #Yo no voto und Lanuza. Letzterer verteidigte sich unter anderem damit, dass er die besagten Facebook-Anzeigen privat bezahlt habe.

Mehr als 17.000 Euro alleine für Anzeigen bei Facebook zur Fehlleitung von Wählern anderer Parteien will auch der konservative Aktivist Javier Ager Solano privat gezahlt haben. Was insofern wichtig ist, da es ohne den Nachweis einer Verwendung von öffentlichen Geldern etwa zur Parteienfinanzierung sehr schwierig ist, diese Praktiken vor Gericht anzufechten. Ebenso schreibt „eldiario.es“, dass die Initiative darauf ausgelegt sei, die Verantwortung einzelnen Militanten zuzuschieben. „Die aktuelle Ära besteht darin, Politik zu betreiben ohne dich den Folgen auszusetzen, ein Manipulator zu sein“, so die Schlussfolgerung der investigativen Online-Zeitung.