Dass Luxemburg Firmen erlauben will, Rohstoffe im Weltraum abzubauen, schockt weiterhin andere Länder. Das zeigte sich in den letzten Wochen in einem Ausschuss der Vereinten Nationen. Doch Luxemburg hat einen Trumpf im Ärmel.
Ein kleines Land umgeben von Zweiflern – so in etwa könnte man die Diskussionen im Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums der Vereinten Nationen (COPUOS) zusammenfassen. In dessen Unterausschuss für Rechtsfragen zeigten sich gerade die Vertreter Belgiens, Deutschlands und Frankreichs skeptisch gegenüber dem Luxemburger Gesetz über Weltraumressourcen.
Am 13. und 16. April beschäftigten sich insgesamt 75 Länder in Wien mit der Frage, wie die Erkundung, Ausbeutung und Nutzung von Weltraumressourcen geregelt werden sollte. Dieses Gremium wird letztlich entscheiden, ob Luxemburg hier ansässigen Unternehmen erlauben kann, Rohstoffe im Weltall abzubauen. Sprich, ob das Projekt „Space Resources“ gelingt oder scheitert.
Die relative Dringlichkeit
Eigentlich gibt es bereits internationale Regeln. Seit über 50 Jahren regelt der Weltraumvertrag der Vereinten Nationen, was Staaten außerhalb der Erde dürfen und was nicht. Neben diesem Text von 1967 gibt es das internationale Mondabkommen von 1979. Auch dieser Text regelt in den Grundzügen die Nutzung von Ressourcen des Erdtrabanten und anderer Himmelskörper wie etwa Asteroiden.
Wir wissen buchstäblich nicht, über was wir reden, wenn es um Weltraumressourcen geht.“US-Vertreter in Wien
Das Problem: Die Staaten sind sich nicht einig, wie die Texte im Detail zu interpretieren sind. 1979 war etwa der Abbau von Metallen oder Wasser auf Asteroiden kein aktuelles Thema. Der Mondvertrag sah deshalb ausdrücklich vor, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, sobald der Punkt erreicht ist, wo die Ausbeutung möglich wird.
Die Frage ist, ob dieser Zeitpunkt nun da ist. Belgien vertrat in Wien den Standpunkt, dass es sich nicht mehr um ein theoretisches Problem handele, da Unternehmen bereits konkrete Pläne ausarbeiten. Es brauche deshalb internationale Regeln. „Wir sind jetzt in der Situation, dass die Ausbeutung bevorsteht“, sagte auch die österreichische Vertreterin. Eine Position, die die USA nicht teilten: „Wir wissen buchstäblich nicht, über was wir reden, wenn es um Weltraumressourcen geht“, sagte der US-Repräsentant. Ihre Nutzung stecke noch in den Kinderschuhen.
Nationale Alleingänge
Neben Luxemburg sind die USA bisher der einzige Staat, der ein nationales Gesetz verabschiedet hat, um die Nutzung von Weltraumressourcen zu erlauben. Die Vereinigten Arabischen Emirate kündigten in Wien an, noch dieses Jahr ein Gesetz zu verabschieden, das das Schürfen von Rohstoffen und das Ansiedeln von Menschen im Weltall ermögliche.
Die nationalen Alleingänge mehren sich demnach. Es gebe keine internationale Verpflichtung zu warten, bis die Vereinten Nationen sich auf Regeln einigten, so nützlich sie auch seien, lautet die US-Position. „Das Thema ist sehr komplex. Es wird so schnell nicht zu einem Konsens kommen“, sagte auch der Sondergesandte der Luxemburger Regierung für das Dossier der Weltraumraumressourcen, Georges Schmit, während der Sitzung in Wien. Luxemburg gehe deshalb in Etappen vor: Erst sei ein klarer nationaler Rechtsrahmen geschaffen worden, jetzt sei man offen für Diskussionen auf internationaler Ebene.
Im Wirtschaftsministerium scheint man noch unschlüssig, wie erfolgreich die Wiener Treffen aus Luxemburger Sicht waren. Man warte auf den Bericht der Delegation, bevor man eine Stellungnahme gebe, heißt es auf Nachfrage aus dem Ministerium.
Das Problem ist, dass es aktuell keine rechtliche Sicherheit gibt, über das was erlaubt ist und was nicht.“Tanja Masson-Zwaan
Doch aus den Aufzeichnungen der Sitzungen geht hervor, dass die siebenköpfige Delegation Gegenwind für das Luxemburger Vorpreschen erntete. Das Gesetz von Juli 2017 gefällt nicht jedem. Ohne nationale Initiativen in Frage zu stellen, sei ein multilaterales Vorgehen die richtige Verfahrensweise, so Frankreich. Nur eine Diskussion mit möglichst vielen Ländern ermögliche es, eine Lösung zu finden, sagte die französische Vertreterin. Im Grunde eine klassische Position der Luxemburger Außenpolitik.
Luxemburg verteidigte sich in Wien mit dem Hinweis auf bilaterale Abkommen, die man abgeschlossen habe. Tatsächlich reiste Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) in den vergangenen Monaten um die Welt. So kamen Kooperationen mit China, Japan, Portugal, den Vereinigten Arabischen Emiraten und bald Russland zustande.
Dem eigentlichen Außenminister Jean Asselborn (LSAP) ist diese Weltraumdiplomatie nicht geheuer – er erwähnte die „Space Resources“-Initiative mit keinem Wort in seiner außenpolitischen Erklärung vor dem Parlament. „Der Trend zum Unilateralismus ist klar“, sagte Asselborn und meinte das nicht positiv.
Bleibende Unsicherheit
Parallel zu den Gesprächen in Wien stritten Experten im amerikanischen Colorado Springs über die richtige Auslegung des Weltraumrechts. Einigkeit herrschte allein über den Punkt, dass es keine einheitliche Meinung gibt. „Das Problem ist, dass es aktuell keine rechtliche Sicherheit gibt, über das was erlaubt ist und was nicht“, sagte die niederländische Professorin Tanja Masson-Zwaan laut dem Portal „Space News“.
Dennoch verspricht die „Space Resources“-Initiative, dass das Luxemburger Gesetz Investoren Stabilität und ein hohes Maß an Schutz bietet. Unternehmen können demnach etwa Metalle von Asteroiden besitzen, obwohl der Weltraum eigentlich der ganzen Menschheit gehört.
Nationale Alleingänge würden rechtliche Unsicherheit schaffen, warnte dagegen die deutsche Delegation in Wien. Es sei nicht mehr klar, wie internationales Recht anzuwenden sei. Belgien betonte, es könne nicht sein, dass eine der drastischsten Entwicklung der modernen Raumfahrt von einer Handvoll von Staaten bestimmt werde. Es reiche nicht, sich mit der Interpretation einzelner Artikel bestehender Abkommen zu begnügen.
Luxemburg fährt zweigleisig
Doch der UN-Ausschuss vertagte das Thema auf nächstes Jahr. Die mexikanische Vertreterin zeigte sich frustriert: Es habe keine sinnvollen Fortschritte gegeben, um den Mondvertrag endlich anzupassen. „Der Mondvertrag ist das hässliche Entlein der Weltraumverträge“, sagte sie.
Fraglich ist sowieso, ob aus diesem Abkommen noch ein Schwan werden kann. Lediglich 17 Staaten haben es ratifiziert, Luxemburg gehört nicht dazu. Belgien wollte in Wien Schwung in die Debatte bringen und stellte fünf Fragen an die Delegationen. Doch das misslang. Die USA sagten, sie verstünden die belgische Position, seien aber nicht mit allem einverstanden. Die niederländische Delegation beschwerte sich über eine Fußnote. Das war’s.
Das schwerfällige Konsensverfahren innerhalb des UN-Ausschusses macht Fortschritte schwierig. Und manche Delegationen wollen die Debatte ganz outsourcen, klagte der belgische Vertreter. Tatsächlich verlagert sich die Diskussion langsam aber sicher in ein Gremium, das halb privat und halb staatlich ist: die „The Hague International Space Resources Governance Working Group“
Das Interessante dabei: Luxemburg ist bestens in der Haager Arbeitsgruppe vertreten. Ursprünglich wurde das Gremium von der Universität Leiden und dem niederländischen Außenministerium gegründet. Seit Anfang des Jahres ist die Universität Luxemburg Mitglied im Konsortium, das die Arbeitsgruppe leitet, bestätigt ein Sprecher der Uni auf Nachfrage. „Luxemburg intensiviert seine Beteiligung an den Arbeiten der Haager Gruppe“, kündigte Georges Schmit in Wien an.
Tatsächlich haben unter den 28 Mitgliedern der Gruppe gleich vier eine Verbindung mit Luxemburg. Es sind neben der Professorin Mahulena Hofmann noch Mathias Link vom Wirtschaftsministerium sowie Kyle Acierno von Ispace und Sagi Kfir von Deep Space Industries. Letztere Unternehmen brachte das Wirtschaftsministerium über die „Space Resources“-Initiative nach Luxemburg. Neben der Uni finanzieren beide Firmen ebenfalls die Haager Gruppe. Das ist etwas Anderes als eine von 75 Stimmen im UN-Ausschuss zu haben.
„Rosinenpickerei“ einer kleinen Gruppe
Die Mitglieder des Haager Gremiums werden sich diesen Herbst und im Herbst 2019 in Luxemburg treffen. Die von der Universität Luxemburg übernommenen Kosten stehen in Verbindung mit den beiden Veranstaltungen, so ein Sprecher.
Die Haager Gruppe hat in den vergangenen zwei Jahren 19 „Bausteine“ entwickelt, um die Nutzung von Rohstoffen im Weltall zu regeln. In den kommenden zwei Jahren will die Gruppe Reaktionen zu diesen Vorschlägen sammeln.
Es ist ein Denkanstoß, der später vom UN-Rechtsausschuss aufgegriffen werden kann.“Stephan Hobe
Dem Gremium mangelt es nicht an Selbstvertrauen: Es sei „ein Forum für Verhandlungen über ein internationales Abkommen“, heißt es auf der Webseite. Der Gruppe fehle dafür aber ein Mandat der Vereinten Nationen, kritisiert Belgien recht undiplomatisch. Die Ergebnisse seien bestenfalls als Überlegungen von Akademikern anzusehen. Die Diskussionen in Wien zeigen jedoch, dass die Haager Vorschläge entscheidend für die künftigen internationalen Regeln sein könnten.
„Die 19 Punkte des Entwurfs lassen sehr viele Fragen noch extrem offen“, sagt der Direktor des Kölner Instituts für Luft- und Weltraumrecht Stephan Hobe im Gespräch mit REPORTER. Hobe war in Wien Teil der deutschen Delegation und vertrat ebenfalls wissenschaftliche Organisationen im Ausschuss. Der ausgewiesenen Kritiker der Luxemburger Initiative sieht die Haager Gruppe jedoch insgesamt positiv. „Es ist ein Denkanstoß, der später vom UN-Rechtsausschuss aufgegriffen werden kann“, meint Hobe.
Doch unter den Staaten ist Belgien mit seiner Kritik nicht alleine. Es sei „Rosinenpickerei“ einer kleinen Gruppe, kritisierte Russland. Im Haager Gremium seien die Länder sehr ungleich repräsentiert. Das bleibe nicht ohne Folgen: „Wir stellen fest, dass manche Passagen fast wortwörtlich aus kürzlich angenommenen nationalen Gesetzen stammen“, so der russische Vertreter.
Die Arbeit der Haager Gruppe stiftet Verwirrung und überlagert die Diskussionen innerhalb der Vereinten Nationen, urteilt Belgien über die Initiative mit Luxemburger Beteiligung. Und so ist in der Weltraumdiplomatie das Nachbarland manchmal ferner als die nächste Galaxie.