Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt unsere Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Fake-Fake-Fake-Debatten und eine Ministerin ohne Aufgaben.

Bei der Tripartite wurde ein großer Kuchen verteilt und alle bekamen ein Stück. Die Rede ist nicht vom 850-Millionen-Euro-Kuchen. Der wird nur für den gut situierten Luxemburger Wähler aus der gehobenen Mittelschicht gebacken. Und wie wir mittlerweile von den Dreier-Verhandlungen wissen: Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel Pause.

Nein, bei der Gute-Laune-Tripartite war ein ganz anderer Kuchen heiß begehrt. Denn für Xavs 50. Geburtstag gab es einen Schokoladenkuchen aus dem Hause Oberweis – vorausgesetzt jeder spielte mit.

„Haut gëss de dech, soss kriss de den Owend kee Kuch!“: Xav zum Boss der Bosse, Michel Reckinger (Foto: SIP/Jean-Christophe Verhaegen)

Das Druckmittel hat hervorragend funktioniert. Der grantige Michel, die rote Nora und sogar die fiesen Journalisten wurden nach acht Stunden von Xav mit einem Stück belohnt. Dabei hatte der Premier bereits vorgesorgt und laut gut unterrichteten Nachtlebenskreisen seine After-Tripartite-Geburtstagsparty in einen liebgewonnenen Club im „Garer Quartier“ verlegt. Für alle, die nicht genug vom Kuchen abbekommen hatten, gab es da auch noch bis 6 Uhr morgens die besten Spaghetti der Stadt.

Allzu lange konnte Xav dort allerdings nicht verweilen. Am Tag danach musste er nämlich wieder das liberale Hüftbein beim DP-Kongress schwingen. Und dann muss man auch noch die doofen Parlamentarier über das ganze Maßnahmenpaket informieren. Wäre es doch nur irgendwie möglich gewesen, die Tripartite nicht am Geburtstag des Premiers abzuhalten, der Arme konnte ja gar nicht davon profitieren. Aber nein, die dritte Indextranche kommt vielleicht Ende des Jahres und die Maßnahmen laufen schon in drei Wochen aus, da war einfach kein anderes Datum für die Inszenierung, ähm Verhandlung, möglich.

Xav 3.0

Mit 50 sind Männer halt in einem Alter, in dem sie sich neu erfinden wollen. Mit dem „Solidaritéitspak 3.0“ gibt es daher auch einen „Xav 3.0“. Noch Tage vor der Tripartite hatte er getönt, dass Steuern kein Thema für dieses Gremium seien. Und dann: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?! Was soll’s, schieben wir halt noch ein paar Hundert Millionen Euro nach. Alle wollen das so, warum soll Xav sie daran hindern? Dann gibt auch der zornige Erdodan endlich Ruhe.

Mit Xav 3.0 gab es aber leider nur ein Mini-Update für seine Rhetorik. Wenn er nicht weiter weiß, schnippt Xav einmal mit den Fingern, dann geht’s weiter. Das sieht richtig dynamisch aus! Für den Rest gilt: Xav redet einfach mal drauf los und die Journalisten warten darauf, dass Paulette oder Yuriko erklären, was der Premier eigentlich sagen wollte.

Die Abenteuer der Yuriko Thatcher Harakiri

Dummerweise hatte Xav 3.0 seine Finanzministerin nicht vor seiner metaliberalen Metamorphose gewarnt. Yuriko hatte den Job von Pierrot übernommen, um die Kettenhündin der internationalen Finanz und der Staatsschuld zu mimen. Selbst vergangene Woche glaubte sie noch, das sei ihre Aufgabe. Pfff… #NäischtVerstan

Yuriko „the new Thatcher“ sagte in den Verhandlungen wohl solche Sprüche wie „It’s not going to happen“ und „over my dead body“ – so erzählte es zumindest Xav zur Erheiterung des liberalen Parteivolkes. Sein Kumpel Lexi hatte die Lektion sofort verstanden: „Wir sind eine Partei, die für Steuersenkungen steht.“ Hat da wer was von Gießkannenpolitik gesagt?

Yuriko Harakiri hatte dann auch Probleme, das Unverzeihliche zu erklären. Sind es nun 350, 500 oder 850 Millionen Euro? Und sind es Schulden, Geld aus einer magischen Schatulle oder Steuern der Bürger? Gilles Roth war verwirrt: der einfache „Landjong vu Mamer“ (Roth über Roth) hatte viele Fragen. Aber es war wie immer beim Finanzministerium und dem Rechnen: Pi mal ein paar Milliarden, also mehr oder weniger, also eigentlich egal. Die Rechnung kommt dann nach, stellt sich als falsch raus und als Resultat gibt es einen neuen finanziellen „Sputt“. Und das Spiel kann wieder von vorne beginnen.

„Waarm Bréidercher“

Das war aber nicht die einzige magische Verwandlung, die Xav seinen Freunden aufzwang. Inzwischen hat sich die DP nämlich auf eine neue Linie eingeschworen: Der Index ist toll! Staatsschulden sind cool! Gewerkschaften sind lieb! Allerdings ist der Kurswechsel noch etwas neu und die Kommunikation leider etwas überdreht.

„Fir waarm Bréidercher op mengem Kaffisdësch“, hieß doch tatsächlich ein Slogan auf dem DP-Kongress. Kommen nach dem Gratis-Transport, dem Gratis-Musikunterricht nun auch die Gratis-Backwaren? Ist das warme Brötchen für jene, die auf dem Trampolin den Luxemburger Traum verwirklichen oder nur für jene, die auf der Matratze pennen?

Als wäre das nicht genug, legten die Liberalen noch nach und wollen wohl „Gromperekichelcher“ in der Nachbarschaft verteilen. Im Bahnhofsviertel der Stadt wird es die allerdings nicht geben. Diese gibt es nur dort, wo die DP „no bei dir“ ist. Oder wie die Marie-Antoinette der Luxemburger Liberalen, Lydie Polfer, sagen würde: „Sollen se dach eng Mëtsch iessen!“

Foto: Mike Zenari

Der „Papa Staat“-Turn der Liberalen verwirrt ehrlich gesagt auch die Retrospect-Redaktion. Warum kann nicht alles bleiben, wie es war? Dass DP-Wähler auf jeden herabschauen, der gewissenhaft seine Steuern zahlt? Über faule und überbezahlte Staatsbeamte wettern? Nichts ist mehr sicher in diesen Zeiten.

Danger Dan gegen MC Myriam

Doch etwas ändert sich nie: Der Feind der Sozialisten und Kommunisten sind nie die Liberalen oder Rechten, sondern stets ihre eigenen Splittergruppierungen. Dieses Mal ging es um die Frage: Wen mag die rote Nora lieber? Den kurzzeitig abtrünnigen Danger Dan oder die noch linkere MC Myriam? Falls Sie es verpasst haben: Dan provozierte Myriam mit dem Spruch, sie wüsste, was in ihrer Rede steht, wenn sie diese denn selbst schreiben würde. Die antwortete mit … ja womit?

Haben Sie sich auch gefragt, warum es nicht gleich während der Sitzung einen Aufschrei über einen angeblichen Stinkefinger gab? Präsi Ferni hatte keinen Stinkefinger gesehen. Hier nochmal das Original:

Und wir müssen sagen: Wir sehen auch keinen! Die Retrospect-Redaktion überlegte sich, wie man die Bevölkerung wieder für Plenarsitzungen des Parlaments begeistern kann. Als Danger Dan ins hohe Haus zurückkehrte, wussten wir, dass es nur eine Frage der Zeit war, um unseren Plan umzusetzen. Den Stinkefinger für jeden Abgeordneten hatten wir längst vorbereitet, lediglich das Eskalationspotenzial des Danger Dan fehlte noch. Dass es sich beim Stinkefinger-Video um ein Fake handelt, hätte eigentlich jedem klar sein müssen, der es bei „Wort.lu“ gesehen und den Leitartikel darüber gelesen hat. Niemand verfügt über Videos von Plenarsitzungen in einer derart hohen Auflösung. Außer, wenn man das Ganze bereits im Retrospect-Studio aufgenommen und es den Kollegen zugespielt hat. #SorryButNotSorry

Glauben Sie nicht? Die Abgeordnete hat sich selbst am Ende der Sitzung entschuldigt und klargestellt, dass sie das gar nicht so gemacht habe. „Wenn ich dem Herrn Kersch diese Geste zeigen wollte, dann hätte ich sie ihm ins Gesicht gezeigt und in keinem Fall beim Weggehen“, so MC Myriam. Dabei sind wir es, die uns bei Myriam entschuldigen müssen. Trotzdem muss man nach dieser Szene Martine Hansen zustimmen: „Das ist wie im Klassensaal, da gibt es auch Störenfriede. Da muss man direkt eingreifen, wenn man nicht will, dass alles aus dem Ruder läuft“, sagte die „resolute“ Ex-Schuldirektorin dem „Luxemburger Wort“ über die Rolle des sonst gerne zubeißenden „Tiger“ Fern.

Nicht-zuständig-Corinne

Aber niemand ist so auf Krawall aus wie Corinne Cahen – nicht mal Danger Dan. Am internationalen Frauentag schrieb die Ministerin in den sozialen Medien, sie habe keinen Bedarf an einem solchen Tag. Sie habe sich noch nie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert gefühlt, so Corinne über Corinne. Vor einem Monat hatte sie bereits eine solche Weisheit rausgehauen: „Ich habe nirgendwo gespürt, dass bestimmte Nationalitäten diskriminiert werden.“

Frei nach dem Motto: „Fühlen Sie sich nie diskriminiert? Dann wählen Sie DP!“ Es ist ja auch klar, dass es im durchreformierten Marienländchen keine Diskriminierungen gibt. Corinne hat damit aufgeräumt. Als Familienministerin ist sie für die Rechte von LGBTI-Personen und die Integration von Ausländern zuständig. Corinne hat fertig, alles easy-peasy. Das würde erklären, warum sie in den letzten Jahren schlicht nichts zu tun hatte und nur mit Royal Baby Charel durch die Altenheime tourte.

Eine andere Möglichkeit ist natürlich, dass Corinne einfach nicht zuständig ist. Wie bei den Altersheimen in Covid-Zeiten ist jemand anders schuld. Da kann man halt nichts machen. Allerdings reagierte Corinne ungewohnt dünnhäutig, als sie tatsächlich auch Krawall erntete.

„Weem hëlleft et, wann ee mat Frëndinnen duerch Strooss zitt an sech gutt amuséiert?“, fragte Corinne pikiert auf Instagram. Eine Spitze gegen Paulette und all die anderen „Frëndinnen“, die bei der Demo mitmarschierten. All jene, die sich am Frauentag engagieren, haben natürlich nichts verstanden. Denn Corinne hilft „richteg a konkret“ – also privat, nicht in ihrem Job. Sie ist schließlich nicht … zuständig!

Wir können jedenfalls kaum erwarten, dass Corinne Cahen auch in der Kommunalpolitik für nichts zuständig sein soll. Auf der Kandidatenliste der Stater DP steht sie schon mal unter „Ferner liefen“. Doch die Ministerin, die nicht mehr Ministerin sein will, es aber zur Sicherheit doch noch bleibt, wird sicherlich ihren Weg machen. Andererseits, wie es die „Frëndinnen“ aus der liberalen Parteizeitung einst schon wussten: „Ein Mädchen aus einem Geschäft bleibt in ihrem Herzen immer ein Mädchen aus einem Geschäft.“