Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Heuchlerische Reden und Freudsche Versprecher.
Laut Aristoteles ist der Mensch ein politisches Tier. Bei der DP hat man das wohl etwas zu ernst genommen. Auch wenn die Partei vielleicht nicht sonderlich politisch ist, hat sie immerhin viele Tiere. Dazu zählt etwa Fernand „Tiger“ Etgen. Der kompetenteste und durchsetzungsfähigste Parlamentspräsident, seit es Parlamentspräsidenten gibt, hat seinen Biss schon früh geübt. Seinen Spitznamen erhielt der Politiker in seiner Schulzeit. Ein Lehrer wollte ihn für etwas bestrafen, was er nicht getan hat. Anschließend habe Etgen sich das Bein eines Lehrers gegriffen, diesen durch den Raum zur Tür gezogen und ihm gesagt: « Reiz net den Tiger! »
Im gleichen Artikel im „Lëtzebuerger Land“ heißt es, Xav habe Corinne Cahen einst als „Tigresse“ bezeichnet. Bei soviel Tierliebe stehlen die Liberalen bald noch den Piraten die Show. Doch in der Partei tummeln sich nicht nur Raubkatzen. Unter Kollegen ist Xav etwa als Papagei bekannt. Früher plapperte er noch Akademikern nach, heute ist es Manu Macron.
Mit sagenumwobenen 13 Auftritten auf dem Parlamentspodium (davon ist einer seine Vereidigung), einer parlamentarischen Anfrage und einer Motion ist Frank « Chamäleon » Colabianchi als Meister der Tarnung in der Partei bekannt. Und um die vielen Marc Hansen der Luxemburger Politik auseinanderzuhalten, ist in Gesprächen über den liberalen « Minister » auch liebevoll vom Faultier die Rede.
Auf jeden Fall haben sich die Spitznamen im liberalen Zoo schon voll durchgesetzt. Immerhin hat die Vorsitzende des US-Parlaments, Nancy Pelosi, während ihres Besuchs in Luxemburg unseren Fern durchgehend « Tiger » genannt. #Grrr
VIP: Very Important Premier
Jedenfalls scheint auch sein Besuch im Vatikan auf den Premier abgefärbt zu haben. Seine Rede auf dem Weltklimagipfel in Ägypten ähnelt zumindest der eines spirituellen Führers: « Xavier Bettel mécht Appell fir Solidaritéit tëscht den Natiounen », titelte « RTL ». Später twitterte er dann eine Erklärung von 64 Staaten zu Klima und Kinderrechten. Tenor: Die Kinder der Welt zählen auf uns. #HabemusPapam #Amen 🙏
Und die Welt kann so viel von Luxemburg lernen: gratis öffentlicher Verkehr, eine Solaranlage auf jedes Dach und viel Geld für grüngewaschene … äh nachhaltige Fonds. Was Xav komischerweise nicht erwähnte: Luxemburg finanziert seinen Klimaschutz ganz solidarisch. Halb Westeuropa kauft bei uns Sprit und mit den Einnahmen kaufen wir uns Elektroautos und retten ein paar Quadratkilometer Regenwald. Komisch, dass das nicht alle so machen. Aber die moralische Überlegenheit kommt davon, dass man Wasser predigt und Diesel … äh Wein trinkt. So machen es die Päpste seit Jahrhunderten.
Xav ist natürlich nicht nur der Papagei mit dem reinsten Herzen, sondern auch eine extrem wichtige Person auf der COP27. Das hat Luxemburgs bekanntester rasender Reporter knallhart recherchiert. « Tu et u mon frère », schreibt der Präsident von Guinea-Bissau. « Super!!! », meint der niederländische liberale Buddy Mark Rutte. Und die Schwester ist glücklich über das Müsli. Xavs Sperrbildschirm hat der hexalinguale Philip Crowther auf Twitter dokumentiert.
Manche kritische Zeitgenossen mögen sich nun fragen: Mit den politischen WhatsApp-Connections angeben – muss das wirklich sein? Und lenkt das inhaltslose iPhone-Screen-Geprahle nicht von dem eigentlichen Grund für Xavs Besuch auf der Klimakonferenz ab?
Wir halten es da allerdings mit Xavs Pressesprecherin: « Ok, merci! »
Triple-A-Sozialismus, einfach erklärt
Was kann man in 18 Jahren im gleichen Amt erreichen? Sepp Blatter machte die FIFA in dieser Zeitspanne zu einer korruptionszerfressenen Organisation. Und was ist das Erbe von Jean Asselborn, Außenminister seit 2004? Glaubt man der CSV, dann ist die Bilanz des Silberrückens der Regierung nicht ganz klar. Spaßbremse Dr. Claude Wiseler bemühte das Bonmot: « Jeder kennt Luxemburgs Außenminister, aber niemand Luxemburgs Außenpolitik. » #OhSnap
Die Retrospect-Analyse: Das ist ein bisschen unfair. Denn der beste Außenminister, seit es falsch sitzende Atemschutzmasken gibt, hat diese Woche ganz klar gesagt, was Sache ist: « Mir sinn houereg. » Gut, es war ein Freudscher Versprecher, aber die Wahrheit liegt bekanntlich im Unterbewusstsein. Nur bei der Frage, Minister welcher Partei sich am schamlosesten an Russen, Chinesen und sonstige lupenreinen Demokraten ranschmeißen, da streikt sogar Jangs Über-Ich.
Aber der Außenminister – Millennials können sich kaum an einen anderen erinnern – sprach gleich nochmal das aus, was eigentlich ungesagt bleiben sollte. Gelten Menschenrechte und Nachhaltigkeit nicht für « unsere » Investmentfonds? « Wir sind in Luxemburg auf einem Platz, der sich Finanzplatz nennt. Mit diesem Finanzplatz, der uns sehr viel bringt, um eine hochwertige Sozialpolitik zu machen… », sagte der Triple-A-Sozialist im « RTL Kloertext » und wurde dann höchst respektlos unterbrochen. Selten hat aber jemand die LSAP-Politik seit den 1980er Jahren so treffend zusammengefasst: Drogengeld, Mafiageld, Diktatorengeld – Hauptsache, Sozialisten dürfen es großzügig verteilen.
« Madame Mart, ech kann net Lëtzebuerg hei nei erfannen », wechselte Jang schließlich in seinen Lieblingsmodus Mansplaining. « Wenn wir bei unseren Prinzipien bleiben, dann sind wir das Business los », sagte auch schon der radikale Sozialist und Ex-Wirtschaftsminister Jeannot Krecké 2011. Jang fiel aber so gar nichts ein, was er zu diesem Zitat sagen könnte. Außer: « Es war eine andere Zeit. » Dumm nur, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits in seiner zweiten Amtszeit war. Aber Jang ist eben nicht gewohnt, dass man seine Politik kritisiert: « Kanner, dir maacht mech e bëssi … », seufzte er, als er in der TV-Runde arg in Bedrängnis gebracht wurde. « Ech gouf awer och provozéiert… », rechtfertigte er sich, als er diese Woche im Parlament gegen die Opposition pöbelte.
Ein Leitmedium schafft sich ab
Während Jang aber zumindest einen Fuß in der realen Weltpolitik hält, ist das bei anderen nicht so klar. Das « Luxemburger Wort » begab sich in trübe Gewässer und interviewte den Schweizer Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser. Warum, könnte man jetzt fragen. Aber selbst das Interview, das nicht auf zwei Print-Seiten passte, liefert darauf keine Antwort. Schade auch, dass des Luxemburgers liebste Schauergeschichte aus der Feder Gansers gar nicht erwähnt wurde. Seine Thesen zu den « Bommeleeër » und die Verstrickung der CIA hat den geschäftstüchtigen Fuchs nämlich hierzulande bekannt gemacht.
Den « Wort »-Journalisten hätte an ihren eigenen Fragen auffallen können, dass das Interview eventuell, also ganz vielleicht keine so gute Idee war. « Sie schaffen es nicht in die Leitmedien. Warum? », fragen sie den Schweizer. Tja, warum wohl? Ganser hat natürlich eine Antwort: Es ist eine große Verschwörung gegen ihn! Die Frage, die sich beim Leser eher aufdrängt: Warum definiert sich das « Wort » nicht als Leitmedium? Vielleicht ist das Prädikat « Leitmedium » aber auch beim vielen Umziehen verloren gegangen. Wie es aus gut unterrichteten Verschwörungskreisen heißt, war anscheinend auch der Schimmelbefall im nigelnagelneuen Hauptsitz in Howald eine False-Flag-Aktion, hinter der die Amerikaner stecken!!! #Pssst
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