Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Anti-Gambia-Träume und populistische Boomerangs.
Wussten Sie schon, dass die Regierung am Ende ist? Der blau-rot-grüne Traum ausgeträumt? Nein? Dann haben Sie wohl in letzter Zeit nicht die größte, traditionsreichste Tageszeitung des Landes gelesen.
„Regierung ohne Mehrheit“, titelte das „Luxemburger Wort“ am Mittwoch auf der ersten Seite. „Aus der Traum“, so der Titel auf „Wort.lu“. Was war passiert? Was sich anhört wie eine akute Regierungskrise oder zumindest das Ausscheren eines Abgeordneten von Blau-Rot-Grün, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als eher unspektakuläres Ergebnis einer Umfrage.
ADR plus 2, Grüne plus 1, CSV, DP und LSAP jeweils minus 1 Sitz: Die neueste Ausgabe der „Sonndesfro“ klingt in der Tat interessant. Ähnlich wie bei der Titelseite des „Wort“ entdeckt man aber bei genauerem Hinsehen: Ganz so spektakulär ist das Ganze dann doch nicht. Die prozentualen Gewinne und Verluste der Parteien bewegen sich jeweils im Bereich von 0,8 bis 1,8 Prozent.
Was bei den darüber berichtenden Medien dagegen nur im Kleingedruckten steht: Die Fehlermarge der Umfrage liegt bei zwischen 1,0 und 2,3 Prozent. Im Klartext: Es könnte sein, dass die ADR laut der Umfrage nicht 1,8 Prozent hinzu gewinnt, sondern 0,5 Prozent verliert. Es könnte auch sein, dass die Regierung durchaus noch eine Mehrheit hat, die sie ja tatsächlich – im realen Leben – ohnehin noch hat. Es könnte also sein, dass bei mancher Schlagzeile im „Wort“ eher der Wunsch als die Wirklichkeit der Vater des Gedankens war.
„Gambia“, wie eine Flasche leer!
Seis drum. Um Sie nicht noch weiter mit dem Unterschied zwischen Demoskopie und Realität zu verwirren, verweisen wir lieber wieder auf das „Wort“. „Bettel hat fertig“, hieß es dort am vergangenen Montag in einem Kommentar. Der Premier sei „außerstande“, das Land zu regieren. Er sei „seiner Aufgabe nicht gewachsen“ und „mit seiner Schaffenskraft am Ende“. Mehr noch: Der Regierungschef sei „eigentlich nicht mehr ernst zu nehmen“.
Wir finden: Was erlauben Bettel?! Obwohl: Kein Wunder, dass der Premier fertig hat (und ist), wenn seine Regierung doch laut dem „Wort“ keine Mehrheit mehr hat. Ohne Mehrheit ist eine Regierung in der Tat schwer ernst zu nehmen. Quasi schwach wie eine Flasche leer! Also fast so schwach wie jene standfesten Regierungsgegner, die ihren Wunschtraum über das Ende der „Gambia“-Ära wohl noch knapp vier Jahre lang weiter träumen müssen.
Ganz übel auf der Maus ausgerutscht …
Weniger ums Träumen als ums Hetzen und Entschuldigen geht es dagegen bei der ADR. „Gambia“ hat nämlich nicht nur fertig. Die Regierung schert sich laut ADR-Frau Sylvie Mischel auch nur um Flüchtlinge und nicht um die „Misär“ der Eingeborenen. Ihren anrüchigen Post löschte sie zwar schnell wieder. Wie es aus gut informierten alternativdemokratischen Kreisen verlautet, war sie wohl vor ihrem PC ganz übel auf der Maus ausgerutscht. Doch in Zeiten von sekundenschnellen Screenshots war der Skandal dennoch perfekt.

Die anderen Parteien reagierten allesamt empört auf die „asylkritischen“ Aussagen der Alternativdemokratin. Auch Frank Engel war regelrecht außer sich. Wobei sich der CSV-Parteichef nicht nur über den „schlafenden Faschismus“ im Land aufregte und eine Einheitsfront der demokratischen Mitte vermisste. Der wahre Skandal im Skandal war laut Engel, dass er nicht mehr Likes für seinen Empörungspost erhielt. Wir finden: Ein klarer Beweis dafür, dass unser Land und die ganze Welt zugrunde geht.

In der ADR reagierte man indes prompt. Sylvie Mischel wurde öffentlich kritisiert und abgemahnt. Die Übeltäterin selbst trat dann von ihren Parteiämtern zurück und entschuldigte sich. Doch das gefiel längst nicht jedem. Die ADR-Frauen (ja, diese halb-geheime Unterorganisation gibt es tatsächlich) solidarisierten sich mit ihrer Wortführerin. Und auch Fernand Kartheiser, zufällig der Lebenspartner von Sylvie Mischel, ließ seine (Partei-)Freundin nicht im Regen stehen.
Sylvie Mischel hat jedenfalls aus der Angelegenheit gelernt. Ihr Fazit: Nicht ihr Post, sondern die darunter geschriebenen Kommentare ihrer Facebook-Freunde waren das Problem. „Léif Frënn, bléift w.e.g. politisch korrekt an de Kommentaren“, schrieb sie am Dienstag auf Facebook. Und auf die Frage eines Users, was denn genau „politisch korrekt“ sei, riet die erfahrene Social-Media-Expertin, dass man eben aufpassen müsse, dass ein Facebook-Post nicht von der Justiz als „Aufruf zum Hass“ aufgefasst werden könne. Auch dieser Post von Sylvie Mischel wurde aber leider gelöscht. Wir finden das schade, wissen aber auch: Solange man nicht vor Gericht landet, ist alles erlaubt und in Butter.
Die Medien sind schuld, schreiben die Medien
Wie sollen die Medien mit rechtspopulistischen Grenzüberschreitungen umgehen? Eine wahrlich interessante Frage. Berichten kann man, ignorieren eher nicht. Die Berichterstattung kritisieren, geht immer. All das dachte sich offenbar auch das „Tageblatt“, das in einem Leitartikel die Rolle der Medien kritisch unter die Lupe nahm. Alle Medien, die über den Fall Sylvie Mischel berichteten, seien nämlich in die Falle der ADR getappt. Die, also nicht manche, sondern „die Medien“ würden so letztlich zum Erfolg der Rechtspartei beitragen.
Wir können das nur unterstreichen. Es gibt wahrlich nichts schlimmeres als Medien, die Rechtspopulisten eine Plattform bieten. So wie das medienkritische „Tageblatt“, das in der vergangenen Woche nicht weniger als fünf Artikel über die „Affäre Sylvie Mischel“ schrieb, um eben jene Dauerberichterstattung später ohne Hauch von Selbstkritik zu verdammen. Ein Problem selbst aktiv herbeiführen, um dann mit selbstloser Inbrunst eine Lösung dafür vorzuschlagen: Das ist wahrlich die Champions League der publizistischen Kunst.
Wir haben diese Woche gelernt: 1. Irren ist menschlich. 2. Selbst Politiker und Journalisten sind Menschen. 3. Falls alle Stricke reißen, können Sie im Internet immer noch alles löschen und hoffen, dass niemand ein Screenshot gemacht hat.
Jetzt aber schnell zurück auf Facebook und irgendeinen Post von Frank Engel liken! Bis auf Weiteres ist das der sicherste Weg, um die Demokratie und die ganze Welt vor ihrem Untergang zu retten.