Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer freitags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Sensationelle Studien und ein Hauch von Wahlkampf.
Wussten Sie eigentlich schon, dass wir im Jahre 2100 höchst wahrscheinlich alle, also zumindest die allermeisten von uns, tot sein werden? Und vor allem: Dass unsere Facebook-Profile höchst wahrscheinlich, also wenn wir sie bis dahin nicht abschalten oder das Netzwerk erlischt, weiterleben werden?
Was wie eine logisch ableitbare Banalität klingt, ist tatsächlich das Ergebnis einer Studie des „Oxford Internet Institute“. Die entsprechende Schlagzeile „Facebook könnte in Zukunft mehr tote als lebende Nutzer haben“ war der „dpa“ diese Woche eine Meldung wert, die unter anderem von „wort.lu“ übernommen wurde.
„Auf der Grundlage von Nutzerzahlen aus dem Jahr 2018 sowie UN-Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung weltweit berechneten die Forscher, dass mindestens 1,4 Milliarden Facebook-Mitglieder bis 2100 sterben werden“, heißt es dort. Auch wir sind schockiert über diese schiere Finalität unseres sozialen Medien-Daseins.
Heilbare Frankophobie
Etwas schockierter waren diese Woche wohl nur Déi Lénk. Wobei die beiden Abgeordneten der Oppositionspartei wohl nicht nur deshalb traurig waren, weil sie aus natürlichen Gründen in 2100 wohl nicht mehr auf Facebook surfen können. Nein, David Wagner und Marc Baum blicken vor allem deshalb so derbe deprimiert drein, weil ihre französischen Wahlwerbespots von RTL abgelehnt wurden.
RTL refuséiert eis franséisch Spotts am Kader vun den #Europawalen2019 auszestralen. Domat gëtt den demokratesche Pluralismus beschnidden an déi offiziell Mediecampagne verléiert säin Zweck, nämlech d’Leit z’informéieren. Mir protestéieren dogéint https://t.co/MDWcR2bJ0Y #qp666 pic.twitter.com/vdf3NUPb1Z
— déi Lénk (@dei_lenk) April 30, 2019
Dumm nur, dass nicht nur RTL, sondern indirekt auch die Regulierungsbehörde Alia für den frankophoben Schnitzer verantwortlich ist. Und damit auch der Staat. Die Alia hat schlicht übersehen, dass im technischen Datenblatt zu den Medienkampagnen von RTL stand, dass Wahlspots auf Luxemburgisch sein müssen. Aber es ist ja auch das erste Mal dass die Alia, und nicht der Pressedienst der Regierung (SIP), den Wahlkampf überwacht.
Doch der traurige Dackelblick von Wagner und Baum zeigte vorerst nur bedingt Wirkung. Am Donnerstag äußerte sich der Premier- und Medienminister zwar höchstpersönlich zur Sache – aber nur weil ihm dank parlamentarischer Frage keine Wahl blieb. In einer ungeahnten Wendung stellte sich Bettel einfach hinter den staatlich geförderten Bertelsmann-Konzern und beteuerte, ansonsten sei das eine Sache zwischen Alia, den Parteien und RTL.
Richtig Herr Staatsminister, Ihre Politik hat damit ja rein gar nichts zu tun. Oder? In einem Anflug selektiver Amnesie vergaß Bettel nämlich zu erwähnen, dass die Regierung die Alia regelrecht mit der Mammutaufgabe überfallen hat. Als Blau-Rot-Grün kurzfristig entschied, die Alia mit der Überwachung des Wahlkampfes zu betrauen, hat man wohl ganz vergessen, dass dieser jeglicher juristische Rahmen fehlt, um irgendein Fehlverhalten ernsthaft anzuprangern.
Gut also, dass RTL auf Bitten der Alia dann doch eingelenkt hat. Wir sind erleichtert: Darüber, dass das traurige Linken-Duo endlich wieder lachen kann. Dass die Alia nicht „mam Hummer dropschloen“ musste, wie dessen Präsident dem „Radio 100,7“ sagte. Und dass Frankophobie anscheinend doch recht einfach heilbar ist.
Die jungfräuliche CSV
Für traurige bis wütende Reaktionen sorgte diese Woche auch ein Kommentar bei RTL. Zumindest fühlten sich einige Abgeordneten doch sehr auf die Füße getreten. Was war passiert? Die Journalistin Fanny Kinsch hatte kritisiert, dass auf den Europa-Wahllisten so viele nationale Abgeordnete stehen, die ihr Amt in Brüssel womöglich gar nicht annehmen würden. Die legitime Frage: Sollten sie sich nicht im Vorfeld für eines der beiden Mandate entscheiden, Kammer oder EU-Parlament?
Dabei pickte der Kommentar ausgerechnet die CSV als positives Beispiel heraus, so die Kritik der Kritik seitens der Regierungsparteien. Grünen-Parteichef Kmiotek fiel daraufhin so sehr aus allen Wolken, dass er auf einmal in Kirchenslang verfiel. Der CSV eine solche Jungfräulichkeit andichten? Wie kann man nur …
Wat ass de Punkt? Ausser vläit bei aktuellen Deputéierten. Watfireng Virginitéit soll hei der @CSV_news ugedicht ginn? A wéi wäit reecht déi dann, @RTLlu & @diego_bxl ? Romain Osweiler (Osten) wär 2013 an d’Chamber nogeréckelt wann CSV do 1 Minister gestallt hätt; Kandidat 2019
— Christian KMIOTEK (@KmiotekC) April 30, 2019
Kmiotek war mit seinem Wutausbruch aber nicht alleine. CSV-Bashing, da macht mir keiner etwas vor, dachte sich die LSAP. Nicolas Schmit war gleich so in rage, dass wir nur die Hälfte seines Twitter-Posts verstehen. Jean-Claude Juncker habe sich doch auch nur der EU-Wahl gestellt, um Kommissionspräsident zu werden (und nicht Abgeordneter), so der bescheiden-bodenständige Möchtegern-Juncker-Nachfolger.
Ech kennen a Spetzekandidat den sich net der Wahl gestallt huet well hien jo nemmen President wollt gin .As dat dat richtest Demokratieverständnis .Am Platz a richtigen Debat iwer Europa mol Beleg Polemik!Enttäuschend !
— Nicolas SCHMIT (@nicolasschmit2) 1. Mai 2019
Doch nicht alle fühlten sich durch den Kommentar so richtig auf die Füße getreten. Christophe Hansen war ganz begeistert, und postete den Text sogleich auf seiner Facebook-Seite. Hansen leidet wohl wie Bettel an selektiver Amnesie: Er scheint vergessen zu haben, dass der im Text erwähnte CSVler, der sich 2013 und 2014 sowohl bei den Nationalwahlen wie bei den Europawahlen aufstellte, kein anderer als er selbst war. Wir sagen: „richtest“ so! Bitte mehr von dieser „Beleg Polemik“!