Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Jedes Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Ein ambitionierter Escher Jong und Testen auf Luxemburgisch.
„Hallo, mein Name ist Pierre. Ich bewerbe mich hiermit um den freien Posten des Vorsitzes der Eurogruppe. Ich kann gut mit Menschen, interessiere mich schon länger für Finanzen und bin Liberaler, also politisch sehr flexibel. Ich verspreche gerne kopernikanische Revolutionen und ausgeglichene Budgets. Zur Not mache ich aber einfach, was mir gesagt wird. Wie gesagt, ich bin flexibel und könnte schnellst möglich anfangen.“
So ähnlich stellte man sich bisher das Bewerbungsschreiben von Pierre Gramegna für den bald frei werdenden Posten des „Eurogruppen-Chefs“ vor. Diese Woche war es dann tatsächlich so weit. „Pierre Gramegna se porte candidat à la présidence de l’Eurogroupe“, hieß es offiziell am Donnerstag in einem von der Regierung verschickten Communiqué.
In der angehängten „lettre de motivation“ versucht „Pierrot“, wie ihn seine Fans aus dem politisch-journalistischen Komplex auf Twitter nennen, den ultimativen finanzpolitischen Spagat. Er will es all seinen Amtskollegen recht machen und haut dazu unfassbar konkrete Vorschläge raus: „Transparency“, „more solidarity“, „an equally balanced approach“, „green and digital transitions“, „set our sights on the future“: So und nicht anders will Gramegna die „momentous challenges“ der EU bewältigen. Und auch der Trumpf in jedem luxemburgischen EU-Bullshit-Bingo, das Bettel’sche „Brückenbauen“ darf natürlich nicht fehlen.
„Jong vun Esch“ will hoch hinaus
Bei all diesen prestigevollen Plattitüden versteht es sich von selbst, dass die Bewerbung von „Pierrot“ nach dem Scheitern vor zwei Jahren die Unterstützung der Crème de la Crème der Luxemburger Politik hinter sich hat. Jean-Claude Juncker sieht in ihm einen geeigneten Kandidaten, Xavier Bettel ist downright „delighted“ und versichert seinem Parteifreund – wer hätte es gedacht – seinen „full support“. Und selbst der sonst so bodenständige EU-Abgeordnete Charles Goerens kann sich auf Twitter ein emotional angehauchtes „Go Pierro“ (sic!) nicht verkneifen.
Was kann man als Eurogruppenchef überhaupt konkret bewirken? Und hat Gramegna neben seinem, noch bis 2023 laufenden Mandat als Finanzminister in einer sich ankündigenden Wirtschaftskrise überhaupt noch Zeit für den Vorsitz der EU-Finanzminister? Diese Fragen stellen wahrlich nur Leute, die nichts vom einzigartigen Prestige des europäischen „Brückenbauens“ verstehen.
Damit das mit dem Teilzeit-Wechsel nach Brüssel aber auch definitiv etwas wird, raten wir dazu, ein Video von Pierre Gramegna aus dem vergangenen Wahlkampf mitzuschicken. „Mäin Numm ass Pierre, dir hutt mech wahrscheinlech scho mol an der Zeitung oder an der Télé gesinn“, heißt es dort vom ebenso bescheidenen wie authentischen „Jong vun Esch“. Wir finden: Neben nichtssagenden Allgemeinplätzen in der „lettre de motivation“ und äußerst vorhersehbaren „Endorsements“ von politischen Verbündeten darf im Bewerbungspaket die nötige Street credibility nicht fehlen.
Prinzessinnenpatriotismus
Den Drang des „Jong vun Esch“ zu grenzüberschreitendem Fame hat ein gewisses „Meedchen vu Nidderkuer“ freilich nicht mehr nötig. Und auch in Sachen Influencertum auf Instagram, Twitter und Co. hat Tessy Antony, ähm Tschuldigung, „Tessy de Nassau, former HRH Princess de Lux“, wie es richtig heißt, den meisten einheimischen Politikern etwas voraus. Am Nationalfeiertag hatte die frühere Prinzessin und heutige (laut Twitter-Bio) „Social Entrepreneur, Mother, Business Woman, Philanthropist, UNAids Ambassador, Public Speaker, Activist“ denn auch eine wahrlich herzerwärmende Botschaft parat.

Auch wir finden: Gegen etwas oberflächlichen Nationalstolz, Freude und ein Glas Wein hat kein Virus eine Chance. Auch der Hauch von Luxemburger Rechtschreibung ist einem wirklich überzeugten Patrioten letztlich rot-weiß-blau-egal. In diesem Sinne: „Vive Letzebuerg.“ Oder wie es die metajournalistische Redaktion von „Moien.lu“ als Antwort auf den Tweet auf den Punkt bringt: „Merci fir dese léiwe Message a loosst hir de Pättche vun eiser schiener Musel schmaachen ;)“
Large scale Luxemburgism
Andererseits: Das böse Coronavirus ist dann doch eine echte Gefahr für das stolze Luxemburgertum. Denn wie es eine aufmerksame Leserbrief-Schreiberin im „Luxemburger Wort“ richtig bemerkt hat, sind die Einladungen zum „Large scale testing“ zwar auf vier Sprachen verfasst. Aber nicht auf Luxemburgisch …

Auch wenn man als guter Durchschnittsluxemburger mindestens drei der vier Sprachen in der Einladung ohne Mühe versteht, hört an dieser Stelle der Spaß auf! Denn es geht ums Prinzip! „Ech fille mech net ugeschwat. Ech loosse mech net testen“, so das Fazit der konsequenten, nur aus Prinzip und chauvinistischer Borniertheit einsprachigen Luxemburgerin. Angesichts der von manchen Experten und Politikern schon befürchteten „zweiten Welle“ raten auch wir zur Sicherheit: Hal de Bak & Bléif doheem!
Ohnehin ist das Formular zur Anmeldung für einen Covid-19-Test recht kompliziert, wie Gesundheitsministerin Paulette Lenert diese Woche einräumte. Und in der Tat: Gleich beim Aufrufen der Webseite wird man mit einer „Sicherheitsfrage“ konfrontiert, die es in sich hat. Zum Beispiel: „Was ist die Hälfte von 12?“ Die Frage ist uns nicht nur zu kompliziert, sie ist zudem nicht einmal auf Luxemburgisch gestellt. Wir fühlen uns demnach nicht angesprochen und wünschen stattdessen ein schönes Wochenende. Go Pierrot, Vive eist Land & Kussi un all.