Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Endlich „Rentrée“ und andere Gründe, um einfach weiterzumachen.

Was war das für ein Sommer! Keine Abgeordneten weit und breit. Selbst die Politiker, die im vergangenen Jahr noch pausenlos und aufopferungsvoll den „Kolleg“ Sars-CoV-2 mit Dutzenden von makellosen Covid-Gesetzen in Schach hielten, gönnten sich diesen Sommer mal eine Auszeit. Auch wir haben die zwei Sonnentage in der #VakanzDoheem genossen und mal so richtig ausgespannt. Die Chip-Impfung vorerst überstanden, haben wir auch die Sommerlochdebatten über Corona-Steuer, kreatives Gassigehen im Bahnhofsviertel und die konservative Wiedergeburt der CSV humorlos zur Kenntnis genommen. Jetzt ist aber auch gut. Die politische „Rentrée“ kann kommen.

Ähnlich wie in der Schule läuft die „Rentrée“ im Parlament aber streng nach Stufenplan ab. Erst kommen die Streber dran, die schon im tiefen August nichts Besseres zu tun haben, als vom Außen- und Verteidigungsminister ein Statement zum Afghanistan-Konflikt zu fordern. Dann die Prokrastinierer, die sich Anfang September von der Belscher Plaasch per Videocall in die Kommissionssitzung zuschalten. Sobald die Kiddies aber wieder physisch und erstmal ohne Maske im Klassenzimmer antanzen müssen, ist auch für die bequemsten Volksvertreter der Sommerspaß vorbei. #SoSad

#Meischcoin

In einem enddigitalisierten Innovationsland wie Luxemburg dient die „Rentrée“ aber auch dazu, „the next big thing“ in der Technikwelt vorzustellen. Das dachten sich wohl auch der beliebteste und der bekannteste Minister des Landes. Claude Meisch (DP) und ein gewisser Marc Hansen (angeblich auch DP) luden am Donnerstag zur besten „Rentrée“-Pressekonferenz so far ein. Der sensationelle Grund für den Pressetermin: Der Staat steigt zusammen mit der Spuerkeess in das Krypto-Business ein. #Whaaaat?!

Leider handelt es sich dabei aber nicht um den lang ersehnten Launch des „Meischcoin“, der verspricht, Milliarden in sinnvolle Bildungskonzepte zu investieren. Nein, die beiden Minister haben etwas noch viel Spektakuläreres ausgetüftelt. Denn der Staat spart künftig dank Blockchain-Technologie ein Blatt Papier pro Student. Klingt banal, aber es ist ein wahrer Meilenstein der Digitalisierung. Ganze 60.000 Briefe, die Studenten jährlich erhalten, um einen Bankkredit zu beantragen, fallen auf einmal weg. Das sind sage und schreibe vier Mal mehr Briefe als die Krankenkasse täglich erhält! #Respekt

#Allez

Apropos „Rentrée“. Den armen Kindern bleibt wirklich nichts erspart. Nicht genug, dass die Ferien vorbei sind und die Pandemie immer noch nicht. Da müssen sie auch noch durchsichtige politische PR-Aktionen über sich ergehen lassen. Premier Xavier und Chief Inspector Claude statteten nämlich den kleinen, tapferen Covid-Warriors an ihrem ersten Schultag einen Besuch ab. Es war ein ganz „besonderes Highlight“ für alle Beteiligten, wie das „Luxemburger Wort“ richtig kommentierte.

Liberale Bildungspolitik: Claude Meisch und Xavier Bettel lenken die kommende Generation erfolgreich vom Unterricht ab.

Claude Meisch hatte aber wohl noch eine andere Agenda. Nach all dem Reformstunk wollte er nämlich endlich mal wieder bei den Lehrern punkten. Hoffnungsvoll fragte er die Kinder, ob sie ihre Lehrerin oder ihren Lehrer während der Ferien vermisst haben. Großes Schweigen. Da hilft auch das suggestiv-motivierende „Allez. Schon e bësschen, nee? Allez“ des Ministers nichts. Als er dann auch noch fragte, ob es nicht besser sei, ohne Maske in der Klasse zu sitzen, antwortete ein Kind: „Et kann een sech awer trotzdem nach ëmmer ustiechen.“ #OohhhSnap!

Man kann dem neunmalklugen Erstklässler-Kind aber keinen Vorwurf machen. Hätte es nämlich die Nachrichten verfolgt, wüsste es, dass der Minister laut eigener Aussage „kein Mediziner“ ist.

Xav und seine Freunde

Apropos Nachrichten: Wir sind an dieser Stelle froh, dass sich auch der Premier wieder in der Öffentlichkeit blicken lässt. Wir hatten uns fast schon Sorgen gemacht. Kurz vor der Sommerpause stand dem ersten Bürgermeister des Landes das Wasser bekanntlich bis zum Hosenboden. Zuerst hatte er in einem ehrenwerten Nachtlokal den „Kolleg“ erwischt. Dann hatte seine Kindergarten-Freundin Corinne plötzlich Zoff in den Politsandkästen „Chamber“ und „Twitter“. Und zum Schluss hat es dann auch noch ganz doll geregnet.

Für eine Schönwetter-Natur wie Xavier Bettel war das alles einfach zu viel. Deshalb war der Chef erst einmal weg. Zunächst eine Woche, dann einen Monat. Und so langsam sorgte sich das ganze Land – also zumindest die im Sommerloch versinkenden Politik-Redaktionen – um den Premier. War er etwa nicht mehr „operationell“? Oder noch beängstigender: Laufen die Regierungsgeschäfte auch ohne ihn?

Doch dann meldete sich Xav zurück und gab Entwarnung. Wie viele seine Kabinettskollegen war auch der Premier im Urlaub – und zwar in guter Promigesellschaft. Denn bei Weitem nicht jeder von uns kann von sich behaupten: „great pleasure to have spent some quality time with these most inspiring friends.“ Für Inspiration sorgte dabei neben Sidekick Charles Michel auch der ehemalige britische Premierminister Tony Blair.

Promibesuch im wohlverdienten Urlaub: Der ehemalige britische Premier Tony Blair (rechts) mit zwei seiner größten Fans.

Die Bilder lügen nicht: Es ist eine wahre Männerfreundschaft. Wissen wir doch spätestens seit der britischen Beteiligung am Irakkrieg 2003, dass Tony Blair ein aufrichtiger Politiker ist, mit dem man gerne abhängt und auf den sich seine echten Freunde verlassen können. Schließlich versprach America’s Poodle, wie seine Mates ihn nennen, dem damaligen US-Präsidenten George Bush bereits acht Monate vor Kriegsbeginn: „I’ll be with you, whatever.“ #Bromance

„Einmal gepoppt …“

Tony Bliar (sic!) gab irgendwann zu, sein Volk in Sachen Irak-Krieg belogen zu haben. Ganz ähnlich wie ein anderer Ex-UK-Politiker, mit dem Xav kürzlich gezoomt hat: Nick Clegg. Dessen falsche Versprechungen, die Studiengebühren in Großbritannien nicht zu erhöhen, nur um sie anschließend zu verdreifachen, brachte den liberalen Politiker damals nicht nur um die Wiederwahl. Die Episode sorgte auch für die beste Titelseite des Jahres bis Jahrhunderts: „Pinickio“ war geboren.

Der nette Nick arbeitet heute übrigens für eine Firma, auf deren Plattform sein liberaler Kumpel Xavier zur Höchstform aufläuft, und bei der Lügen und Fake-News wirklich überhaupt keinen Platz haben. #HonourBright!

„Great pleasure to have spent some quality time with these most inspiring friends“: Auch beim Plausch mit den Journalisten der ALJP war ausgelassene Stimmung angesagt.

Bei so viel gemeinsamer Zeit mit ehemaligen Politikern, die nach verpatzter Karriere in die Privatwirtschaft flüchteten, drängt sich natürlich die Frage auf: Will auch Xav sein Leben zurück wie sein früherer BFF-Sidekick Etienne? Sehnt er sich wie Tony Blair nach einer gut bezahlten Stelle bei JPMorgan oder wünscht er sich sein eigenes pseudopolitisches „Institute for Global Change“?

Wir hätten da noch ein paar bessere Ideen für Bettels Abschied von der nationalen politischen Bühne im Jahre 2033: Wie wäre es zum Beispiel mit dem CEO-Posten beim Chips-Hersteller „Pringles“. Immerhin scheint der Premier ja eine gewisse Vorliebe für die Marke mit dem „Pop“ zu haben. Dabei kann ihm auch seine langjährige Erfahrung in der Politik helfen: Wo sonst gibt es so viel warme Luft in so einer feschen Verpackung? Oder wie wäre es als Klimarettungsberater in der Joghurtmaschinen-Produktion? Vielleicht lässt sich ein gewisser griechischer Produzent ja sogar zu einer Kooperation überreden. #DreamBig

Ein Tütchen gefällig?

Eine ähnlich vielversprechende Kooperation strebt auch die Stadt mit den Dealern im Bahnhofsviertel an. Erste Annäherungsversuche dafür gab es diese Woche. Da standen Beamte der Stadt Luxemburg am helllichten Tag vor einer Brücke und verteilten verdächtig aussehende Tütchen an rasende Fahrradextremisten.

Auf frischer Tat ertappt: Mobilitätsschöffe Patrick Goldschmidt.

Dealen und dann auch noch an Fahrradfahrer: Der schlimmste Albtraum des „Alderman of the city of Luxemburg“ und erfolgreichsten Twitterer, seit es dort Donald Trump nicht mehr gibt, hat sich bewahrheitet. Sogar der nachweislich größte und glaubwürdigste Unterstützer des Fahrradfahrens – Patrick G. – ließ sich am Donnerstag beim Dealen ablichten. Der Mobilitätsschöffe der Stadt Luxemburg war bei der Gelegenheit sogar selbst mit einem Fahrrad unterwegs. Es war wahrlich ein gruseliges Schauspiel.

Aber mal im Ernst: Die Zustände im Bahnhofsviertel sind nicht mehr zu entschuldigen. Fast so schlimm wie im bekannten Hort für Schwerstkriminalität aka Wiltz. Und was macht der Polizeiminister? „Den Här Minister schwätzt ronderëm de Bräi an fir mech huet den Här Minister Kox kee Plang“, so der Chef der Polizeigewerkschaft „Vun der Long op d’Zong“ (VdLoZ) diese Woche im RTL-Interview.

Kriminelle außerstädtische Banden machen sich auf den Weg in die Hauptstadt.

Wie auch dieses Foto zeigt: Die kriminellen Banden sind überall. Hier etwa auf der Fahrradunterführung zum Bahnhofsviertel, ein weiterer Hotspot, zu dem sich Polizei und geschulte private Sicherheitsfirmen längst nicht mehr hin trauen.

An dieser Stelle versprechen wir aber: Nicht nur Parlamentspräsident Fernand E. – nein, auch wir behalten die kritische Lage für Sie weiter im Auge!