Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Locker-flockiges Radio und eine Überdosis Pluralismus.
Kennen Sie das auch? Den kleinen November-Blues, wenn die Tage kürzer werden und die Nächte länger, wenn graues und regnerisches Wetter einen so richtig in Stimmung bringt? Dann schaltet man gerne mal auf Radio 100,7, um mit obskurer Indie-Musik aus Kanada das Gefühl vollkommen zu machen.
Doch man wird enttäuscht: Es läuft stattdessen die Expat-Sendung „The Jim Kent Show“. Der gewöhnliche 100,7-Hörer wird dann mit überschäumender Begeisterung konfrontiert, die ihn total verwirrt. Er hört Laute, die er nicht kennt („Yeaaah!“, „UUUH“, „Nooo!“) und fragt sich unweigerlich, welches Zeug dieser Jim Kent raucht.
Doch das neue, leichte bis seichte Format ist kein Zufall. In Kooperation mit „Delano“ aus dem Hause „Maison Moderne“ will der öffentlich-rechtliche Sender nämlich so richtig durchstarten. Das Ziel: Weg vom langweiligen, überkritischen Investigativjournalismus und den überöden Klassikkonzerten, hin zu meta-journalistischen Ufern und neuen, mehrsprachigen Zuhörern. Wenn der aus Steuergeldern finanzierte Rundfunk dann noch nebenbei einem Privatunternehmen, bei dem der Direktor einmal gearbeitet hat, mit regelmäßiger Werbung unter die Arme greifen kann: eine eindeutige Win-Win-Situation!
Da ist er, der Medienpluralismus
Ein klarer Fall von Win-(Win?)-Situation ist dagegen der Deal um Eldoradio-Aktien zwischen RTL und Editpress. Eldoradio, an dem Editpress bisher rund 25 Prozent der Anteile hält, ist eines der wenigen Produkte im Portfolio des Escher Verlagshauses, das überhaupt Gewinn abwirft. So heißt es zumindest aus streng vertraulichen Quellen des Handelsregisters. Die nahe liegende Erklärung: Dem Herausgeber des Tageblatt scheint es finanziell einfach zu gut zu gehen. Ansonsten würde man ja wohl nicht einfach so das Tafelsilber aus der Kanalstraße verscherbeln.
Jedenfalls gibt es beim Verkauf so richtig Cash auf die Hand. Vielleicht ist der wohltätige Käufer ja sogar bereit, etwas mehr als den Marktpreis hinzublättern. RTL hat es ja bekanntlich schon länger auf die Re-Monopolisierung des Radiomarktes abgesehen. Ob die Übernahme von 100 Prozent von Eldoradio eine Gefahr für den Medienpluralismus sein könnte, scheint demnach eine berechtigte Frage.
Die Antwort der Aufsichtsbehörde ALIA ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Ja, RTL bzw. CLT-Ufa darf sein Imperium weiter ausbauen. Es gebe kein legales Argument, um den Deal abzulehnen, heißt es von der ALIA. Der Präsident der Aufsichtsbehörde beruft sich dabei auf eine wohl satirisch gemeinte Definition von Pluralismus. Denn, so Thierry Hoscheit, „wann all Radio säin eegestännege Programm mécht, onofhängeg ee vun deem aneren, ass de Pluralismus do.“
Wir, die jeden guten Witz zu schätzen wissen, können diese Einschätzung mit beiden Händen und Füßen unterschreiben. Praktischerweise sollte man denn auch alle weiteren Radiosender und sonstigen Medien dem RTL-Imperium zuschlagen. Solange es danach noch mehrere Publikationen unter diesem einen breiten Dach gibt, „ass de Pluralismus do“.
China-Versteher Laurent Mosar
Andererseits: Pluralismus ist doch eh überschätzt. Das dachte sich wohl auch Laurent Mosar, als er dem weltbekannten Leitmedium „Beijing Rundschau“ ein Interview gab. „Laurent Mosar: Chinesische Erfolge durch effektives politisches System“, lautet die einprägsame Überschrift des Artikels.
„Der 61-jährige Mosar“, so lernen wir, ist ein wahrer „China-Kenner“. Jedes Jahr sei der ehemalige Parlamentspräsident mit Nebenverdienst im Verwaltungsrat der „Bank of China“ im Reich der Mitte zu Gast. Bei diesen Reisen habe er so einiges schätzen gelernt: „Die Chinesen sind sehr aktive, proaktive Leute. Sie arbeiten hart und sie sind sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien.“
Aber nicht nur die Arbeitsmoral der Chinesen scheint den Luxemburger Klimaschutz- und Islamexperten zu beeindrucken. „Des Weiteren sagte Mosar“, so die „Beijing Rundschau“, „dass China einen zum Land passenden Entwicklungsweg gefunden habe. Das effektive politische System sei die Garantie chinesischer Erfolge.“
Aha, mag sich ein nicht-chinesischer Leser jetzt denken. Und die Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und so? Dazu der China-Versteher Laurent Mosar: „Ich denke, dass China zurzeit ein sehr gut funktionierendes System hat, das sich von europäischen politischen Systemen unterscheidet. Aber wir müssen alle anerkennen, dass China sehr erfolgreich ist. Es ist ein anderer Typ von System, aber, wie ich immer sage: China hat ein gut funktionierendes System, das sehr erfolgreich ist. Ich muss dieses politische System respektieren.“
Gas geben … und dann Ruhe bitte!
A propos hart arbeiten: In Brüssel wird jetzt in die Hände gespuckt. Das ist jedenfalls das Motto des Dreamteams zur Rettung Europas: Monica und Euro-Nico. Der DP-Shootingstar gratulierte artig dem beliebtesten und kompetentesten Kommissar aller Zeiten: Nicolas Schmit.
Der frischgebackene Kommissar für „Jobs“ ist so unglaublich beliebt (obwohl er keine Frau ist), dass er das Gruppenfoto mit den neuen Kollegen verpasste. „Ein Kommissar musste mehr Hände schütteln als andere und fehlte deshalb“, stichelte seine neue Chefin Ursula von der Leyen. Was man für ein Video mit Monica nicht alles opfert … Auf jeden Fall fehlt es nicht an Enthusiasmus – das Begeisterungsniveau ist fast so hoch wie bei der „The Jim Kent Show“. „Lo gi mir Gas!“, sagte Monica und grinst mit Euronico um die Wette.
Aber nehmen Sie das mit Gas geben jetzt bitte nicht zu ernst. Es ist erst mal Wochenende und da schließen wir uns dem beliebtesten und kompetentesten Premier aller Zeiten an: „Ich wünsche mir Ruhe“, sagte Xavier Bettel im Interview mit dem „Land“. Medien und Opposition würden einfach zu viel „hyperventilieren“, obwohl die Regierungspolitik doch total dufte ist.
Auch hier können wir nur zustimmen und wünschen uns zur Sicherheit wie Laurent Mosar etwas mehr chinesische Verhältnisse. Und sei es nur damit unsere unfehlbare Regierung endlich ohne unnötige Ablenkung unser Land noch großartiger machen kann, als es ohnehin schon ist. Und jetzt: Ruhe bitte!