Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Ein offenherziger Monarch und weitsichtige Piraten.

Großherzog Henri ist doch irgendwie einer von uns. Er geht nicht gerne zum Zahnarzt (da kann jeder mitfühlen), fährt zu viel Auto (auch das Problem kennt der Durchschnittsluxemburger) und wäre gerne in einer normalen Familie groß geworden (no comment). Aber wie wir alle wissen, kann man sich die Familie – im Gegensatz zum eigenen Auto –  ja bekanntlich nicht aussuchen. Nicht einmal als Großherzog – oder gerade dann am allerwenigsten.

Diese doch recht privaten Details verriet der Monarch diese Woche einer Schulklasse, die ihm am Weltkindertag im Palast einen Besuch abstattete. Gut, dass RTL mit dabei war und das Interview filmte. So konnte der Untertan zu Hause dann auch erfahren, dass der Großherzog gerne kocht. Ihm bleibt aber auch nichts anderes übrig. Denn wie er selbst sagt: „Meine Frau kocht nicht gerne – und auch nicht gut.“ Oh, snap! Das hat wohl nicht nur die Kinder zum Schmunzeln gebracht, sondern sicher auch den einen oder anderen „Normalo“ vorm Fernseher.

Zum Schmunzeln waren an dem Tag auch einige Fotos aus dem Parlament. Also, noch mehr als üblich. Auch hier durften Schulklassen den schnöden Politik-Betrieb aufmischen. Und das ist ihnen offensichtlich auch gelungen. Alle Parlamentarier saßen brav auf ihren Plätzen und hörten den Schülern bei ihren Vorträgen aufmerksam zu. Einige haben sogar Notizen genommen – oder zumindest so getan als ob. Wenn das das Mittel zum Erfolg ist, dann sollen doch bitte öfter Klassen in der Chamber vorbeischauen.

Foto: Chambre des députés/Flickr.com

Die Leiden des jungen Sven

Sven Clement hat es wirklich nicht leicht. Da bereitet er sich rigoros auf die Brexit-Debatte in der Chamber vor. Der Chef-Pirat hat nämlich – und das erwähnt er multimedial bei so ziemlich jeder Gelegenheit – die ganzen 585 (!!!) Seiten des Brexit-Deals gelesen. Respekt, wem Respekt gebührt!

Allerdings: Nicht einmal Jean Asselborn hat sich so gut vorbereitet. Der musste im Parlament den debattenscheuen Xavier Bettel vertreten und ließ anlässlich des Austauschs mit den Abgeordneten durchblicken, dass er den Text nicht gelesen hat – und hielt sich lieber an die Aussagen des Brexit-Verhandlungsführers Barnier.

Ein Problem, das Asselborn definitiv nicht hat: Er wird nicht dafür kritisiert, dass er mit Rechtsparteien flirtet und diesen wie Sven Clement zu mehr politischem Einfluss verhilft. Die technische, wir betonen rein, absolut, ohne jeglichen Zweifel TECHNISCHE(!) Zusammenarbeit zwischen Piraten und ADR wurde diese Woche recht kontrovers diskutiert.

So verbrachten die beiden Piraten-Frischlinge im Parlament ihre Woche auch weitgehend damit, sich gegen Kritik von Medien und politischen Konkurrenten zu verteidigen. Unfair, falsch verstanden, bewusste Hetze: Allein im Umgang mit Kritik haben sich Clement und Co. aber wohl schon einiges von ihren neuen technischen Partnern abgeschaut.

Weitsichtiges Parteimedium

Was dabei etwas unterging: Nicht alle Medien finden den Deal zwischen ADR und Piraten kritikwürdig. Es gibt sogar ein Medium, das alles, was die Piratenpartei so macht und tut ziemlich dufte findet. So bezeichnet ein „Editorial“ bei „moien.lu“ die ganze Debatte als „Gejäiz“ und teilt alle Argumente, die man in den vergangenen Tagen auch von Sven Clement hörte. Passend dazu schrieb sich „moien.lu“ auf Twitter den Frust von der Seele: „Hues de emol verstane wéi de System zum eegene Virdeel benotzt ka ginn, ass et och nees net gutt.“


Die Kritik an den Piraten werde der Sache jedenfalls nicht gerecht, so das luxemburgischsprachige Medium. Nein, die Piraten hätten schlicht einen „gescheite Schachzuch“ gemacht und politische „Wäitsiicht“ bewiesen. Sie mögen jetzt denken, das klingt doch irgendwie nach Parteizeitung anno 1975? Dass Clement, Piratenpartei und „moien.lu“ irgendetwas miteinander zu tun hätten?

Eine absurde Idee. Im Impressum schreibt „moien.lu“ nämlich, dass es ein unabhängiges Medium sei und sich dem Einfluss von Parteien entzieht. Dass Sven Clement (Präsident der Piratenpartei) mit seinem Geschäftspartner Jerry Weyer (ebenso Gründungsmitglied der Luxemburger Piraten) über ihre Firma nahezu die Hälfte der Anteile bei „Moien News Media S.A.“ hält, ist bestimmt nur Zufall, höchstens eine Randnotiz, die jedenfalls keine Erwähnung im Impressum wert ist.

Man sollte die Piraten jedenfalls nicht mehr unterschätzen. Nicht nur, weil sie zum eigenen finanziellen Vorteil pragmatische Allianzen eingehen. Auch durch die diskrete Gründung und Führung ihres eigenen Parteimediums haben sie durchaus „Wäitsiicht“ bewiesen – wie weit sie diese für Luxemburg traditionelle politisch-mediale Verknüpfung letztlich bringt, bleibt aber freilich abzuwarten.

Verschollenes Oppositionshandbuch aufgetaucht

Dass eine Zeitung, mit einem treuen Parteigänger an der Spitze jedoch kein Garant für dauerhaften politischen Erfolg ist, weiß die CSV. Die altehrwürdige Volkspartei startete dennoch diese Woche ein ungeahntes, ja fulminantes Comeback: Die CSV hat nach fünf Jahren Praktikumszeit entdeckt, dass sie eine Oppositionspartei ist.

Aus gut unterrichteten Kreisen ist zu erfahren, dass Claude Wiseler vergangene Woche unter den Tribünen des Stadions ein verschollenes Handbuch fand: „Opposition für Dummies. Die Lehren des Pierre Werner“. Es wäre natürlich praktisch gewesen, das Wissen des Großmeisters bereits vor den Wahlen aufsaugen zu können und so die Schmach einer zweiten Niederlage zu verhindern. Aber es ist nie zu spät (Lektion 101).

Die CSV arbeitet das Buch nun eifrig durch, denn damit wird Opposition zum Kinderspiel!

Lektion 1: Suche dir ein Ziel aus. Einfach: Etienne Schneider bietet die meiste Angriffsfläche und hat sich mit seinem Interesse am Posten des EU-Kommissars selbst geschwächt.

Lektion 2: Organisiere eine Pressekonferenz. Wiederhole diesen Schritt mindestens ein Mal pro Woche. Total easy und macht Spaß. Diese Woche waren es gar zwei und die ersten Journalisten bringen bereits ihre Zahnbürste mit.

Lektion 3: Formuliere knackige Sätze, die in den Schlagzeilen der Medien und den Köpfen der Menschen hängenbleiben. Wie wäre es mit: „Etienne Schneider ist als Minister nicht mehr tragbar“.

Lektion 4: Nutze die Schwäche des Gegners. Sozis à la Fayot und Kersch mögen Offshore-Briefkastenfirmen nicht (warum auch immer, macht die CSV ja schließlich auch). Aber: Etienne hat 12 Millionen in Planetary Resources Inc. versenkt und das ist eine Firma im US-Steuerparadies Delaware, wie Laurent Mosar weiß. Und der kennt sich mit Steueroasen à la Panama doch ganz gut aus. Hah!

Pierre Werner wäre, naja, stolz?