Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Gaaaaaanz viel Europa.
Wahlkampf ist eine besondere Zeit. Alle Regeln sind außer Kraft gesetzt, selbst das Unmögliche wird versprochen.
Und wir sollten auch heute das Engagement der Kandidatinnen und Kandidaten bewundern. Sie müssen mit den Hunden raus, für die Familie kochen und ihre Bude aufräumen – alles nur für die Kameras, für uns. Alle werden mobilisiert, selbst der Premier muss ran. Er ist zwar nicht Kandidat, aber schreibt Erstwähler und Ausländern Briefe, damit sie seine DP-Amigos wählen. Die einleuchtende Erklärung der DP-Präsidentin Corinne Cahen: Bettel kennen sogar 18-Jährige und Portugiesen. Die Liberalen vertrauen eben auf die Schlagkraft ihrer Liste.
Die ADR-Zeitreise und die Liebe für Fremdländer
Wir hätten ja nicht gedacht, dass Zeitreisen möglich sind. Doch die ADR-Werbefilmchen für ihre Kandidaten belehren uns eines Besseren. Gast Gibéryen schwelgte in dem Video in Erinnerungen. Er träumt offenbar noch heute von der Zeit, als es an der Luxemburger Grenze noch Grenzkontrollen gab und nicht einfach jeder, einfach so, mir nichts dir nichts ins Land kommen konnte.
Auch Sylvie Mischel ist es gelungen, uns mit in die Vergangenheit zu nehmen. Genauer gesagt in die fünfziger Jahre – in die Zeit, als die Frau noch brav zu Hause in der Küche stand (natürlich mit Küchenschürze) und für ihre Liebsten Kuchen gebacken hat. Bei Sylvie Mischel gab es Rhabarberkuchen, denn schließlich liebt sie als ADR-Kandidatin traditionelle Luxemburger Rezepte und Luxemburger Produkte, allen voran „Mellech a Botter“.
Was sie aber offensichtlich nicht weiß: Der Rhabarber ist ein Ausländer! „Der Name Rheum rhabarbarum stammt vom mittellateinischen Wort rheu barbarum in der Bedeutung einer fremdländischen Wurzel: rheum für Wurzel und barbarus für ausländisch“, belehrt uns Wikipedia. Wir wussten noch gar nicht, dass die ADR nun auf den Geschmack fremdländischer Kulturen gekommen ist. Andererseits: Hauptsache das ganze barbarische Gemüse spricht Luxemburgisch.
Doch die ADR kann auch anders. Ganz jung und hip – oder so. Über das bunte Graffiti von Street-Art-Künstler Sumo klebte die Partei nämlich einfach mal ein paar Wahlplakate. Dabei sollte das Werk eigentlich für den guten Zweck versteigert werden. Jetzt prangen da (von links nach, naja, ganz rechts) die Gesichter von Sylvie Mischel, Gast Gibéryen, Nicky Stoffel und Fred Keup. Kleiner Trost: Es sind noch ein paar Überreste des Graffitis zu sehen. Unter anderem der Spruch: „Live Life like it’s the Weekend“. Bei der ADR heißt das bestimmt: Lasst es am Wochenende mal so richtig krachen, am besten mit einem leckeren Stück Rhabarberkuchen.

„Richtige Fakten“ und „Fake News“
So, genug Wahlkampf. Jetzt: Fakten, Fakten, Fakten. Oder wie Pirat Marc Goergen sagen würde: „Richtige Fakten“. So richtig viele Fakten lieferte diese Woche kein Politiker, dafür aber ein 26-jähriger Youtuber namens Rezo – und „zerstörte“ damit die Politik der deutschen CDU. Und wie die Piratenpartei in Luxemburg scheint auch die CDU mit Fakten ein kleines Problem zu haben, wenn sie ihr nicht in den Kram passen. Rezo hielt in seinem Video nämlich nicht nur einen 55-minütigen Anti-CDU-Monolog – er belegte auch alles mit Statistiken, Zahlen, Quellen und Fernsehclips. Bäm!
Und das machte er auf ganz lässige Art und Weise – also so gar nicht CDU-mäßig. Seine Vorwürfe: Die Partei ist beim Klimawandel untätig, trägt dazu bei, dass Reiche immer reicher werden, Arme immer ärmer und macht nichts für die jungen Menschen. Deshalb müssen die jungen Leute wählen gehen, damit nicht die „Rentner“ alles entscheiden können – so seine Botschaft. Der Clip wurde über sieben Millionen Mal angeschaut, die konservative „FAZ“ musste eine ganze Armada an Journalisten auf einen Faktencheck seines Videos ansetzen. Und die CDU? Reagiert wenig überraschend: Sie wirft ihm vor, Fake News (was auch sonst) zu verbreiten und ein linksgrüner Aktivist zu sein.
„Die Schweiz ist genial, Europa ist uns egal“
Viel friedlicher war diese Woche der deutsche Satiriker Jan Böhmermann unterwegs. Pünktlich zur Europawahl überraschte er seine Zuschauer und Follower nicht mit Details zum Strache/Ibiza/Koks/Österreich-Skandal, sondern mit einer ganz zahmen Europahymne. Im Clip singen eine ganze Reihe Komiker über die Klischees ihrer Heimatländer. Sie nennen sich: Comedians for Worldpeace.
Auch Luxemburg ist vertreten. Für unser Land trällerte Ben Olinger mit. Gemeinsam singen sie über Tulpen und Gras in den Niederlanden, Knödel und Hitler in Österreich, Juncker, Banken und Youporn in Luxemburg. Sogar die Schweiz („die Schweiz ist genial, Europa ist uns egal“) und Großbritannien („I’m sure we’ll be fine on our own“) dürfen ausnahmsweise mitmusizieren.
Die Idee des Satire-Songs: Irgendwie schön, ziemlich direkt und maximal amüsant sowieso. Der Refrain aussagekräftig: „Allein sind wir allein, allein sind wir allein…“ (Oll tugäser nau). Wir haben einen Ohrwurm.
Gestatten, Scheriff Schneider
Im EU-Wahlkampf wurde diese Woche scharf geschossen. Für einen modischen Volltreffer sorgte am Freitag aber Landwirtschaftsminister Romain Schneider. Zur Präsentation des Programms der Foire Agricole in Ettelbrück erschien er mit breitem Cowboy-Hut. Das perfekte Outfit für Scheriff Schneider. Damit kann er auch auf Streifzüge und Kontrollgänge entlang des Zauns gehen, der für die verpesteten Wildschweine errichtet worden ist. Dafür würden wir dann aber auch noch die passenden Cowboy-Stiefel empfehlen.
