Wäre das Parlament ein Unternehmen, hätte es ein Problem: kein Mutterschaftsurlaub, keine Elternzeit und – oh Wunder – ein Mangel an jungen Frauen. Die normalen Standards der Arbeitswelt müssen auch in der Politik gelten. Ein Kommentar.
Bei jeder Wahl ist es das gleiche Spektakel: Die Parteien suchen verzweifelt nach potenziellen Kandidatinnen. Alte weiße Männer gibt es im Überfluss, doch es fehlt an jungen Frauen, die bereit sind, ein Mandat zu übernehmen. Und dann wird gerätselt, woran das wohl liegen mag. Trauen sie sich etwa nicht?
Die Debatte über Mutterschaftsurlaub und Elternzeit für Mandatsträgerinnen zeigt, dass die Antwort banaler ist. Im Parlament, in der Regierung und in Gemeinderäten ist Familienplanung ein Fremdwort. Junge Mütter (oder Väter) sind völlig auf sich allein gestellt – es gibt keine Regeln, keine Unterstützung und kein Interesse für ihre Sorgen. Wäre die Politik ein Unternehmen, dann würde sich niemand wundern, warum dort niemand arbeiten will.
Unrealistische Forderungen an Politikerinnen
Ein Unternehmen, in dem argumentiert wird, eine Frau müsse sich eben zwischen Karriere und Kindern entscheiden, gilt zu Recht als hinterwäldlerisch. Wer fordert, dass Politikerinnen ihren Kinderwunsch nach Legislaturperioden ausrichten, hat ein komisches Verständnis davon, wie Beruf und Familie vereinbar sein sollten.
Gerade in Luxemburg ist Politik in der Realität ein Beruf und keine Aufgabe, die für begrenzte Zeit ausgeübt wird. Da greift das Argument der Familienministerin und DP-Präsidentin Corinne Cahen nicht, dass ein Mandat eben kein Arbeitsverhältnis sei. Das ist eine Ausrede, die sich auf Formalitäten stützt.
Wer ins Parlament oder gar die Regierung will, muss die Ochsentour durchstehen. Eine junge Politikerin wird sich in der Regel parteiintern engagieren, ein kommunales Mandat ergattern, sich einen Namen machen und schließlich einen nationalen Wahlkampf erfolgreich bewältigen. Können wir dann ernsthaft fordern, dass sie als Abgeordnete zurücktritt, wenn sie schwanger wird und damit ihre politische Karriere faktisch beendet?
Eine Frage der Organisation
Der berechtige Einwand lautet: Wie soll eine Elternzeit rein praktisch aussehen? Wird eine Abgeordnete (oder Abgeordneter) während seiner Auszeit ersetzt? Wenn ja, ist das demokratisch? Wenn nein, überfordert das die Kollegen?
Das sind legitime Fragen, doch die Politik fordert von Unternehmen, die weit weniger als 60 Mitarbeiter haben, mit dem Fehlen junger Eltern klarzukommen. Es wäre vermessen, wenn das Parlament das als unmöglich deklariert, was andere Organisationen jeden Tag stemmen.
Wenn es gerade nicht um Frauen und Kinderkriegen geht, dann sind Politiker sehr erfinderisch: Sie splitten Mandatszeiten, missachten Reihenfolgen beim Wahlergebnis oder nehmen einen zurückgetretenen Staatssekretär wieder ins Parlament auf. Und es geht tatsächlich: Die Differdinger Schöffin Laura Pregno (Déi Gréng) lässt sich während sechs Monaten von einer Gemeinderätin vertreten.
Ein Zeichen gegen die Familienfeindlichkeit setzen
Politik als Beruf ist familienfeindlich. Sitzungen und Versammlungen bis spät abends, „Dëppefester“ am Wochenende und die geforderte, permanente Erreichbarkeit lassen wenig Raum für Partner und Kinder. Das ging lange Zeit, weil der Mann sich auf seine Karriere konzentrierte, während zu Hause seine Frau den Nachwuchs großzog.
Das ist kein Modell für die Zukunft. Wir brauchen ein Parlament, das die Gesellschaft möglichst widerspiegelt. Das ist in vielen Hinsichten schwierig, doch eine Elternzeit für Abgeordnete einzuführen ist einfach. Damit wäre zumindest die Botschaft an Eltern mit Kleinkindern klar: Bitte engagiert euch!