Eigentlich wollte Nicolas Schmit längst nicht mehr Arbeitsminister sein. Aber seine Versuche auf die europäische Bühne zu wechseln scheiterten. Nun sagt er, er wolle unbedingt Arbeitsminister bleiben. Doch die Luxemburger Politwelt scheint trotzdem manchmal zu klein für ihn.
Die Antwort ist kurz und knapp. „Arbeitsminister, unbedingt,“ sagt Nicolas Schmit, wenn man ihn nach seinem zukünftigen Traumjob fragt. Er klingt, als müsse er sich davon auch ein Stück weit selbst überzeugen. Denn eigentlich ist es eine Überraschung, dass Schmit im Oktober überhaupt noch ein Mal bei den Parlamentswahlen antritt.
Vor zwei Jahren schien Schmits Austritt aus der Regierung bereits ausgemachte Sache. Der LSAP-Minister sollte Henri Grethens Posten als luxemburgischer Vertreter beim europäischen Rechnungshof übernehmen. Schmit gab den Medien Bilanzinterviews, in denen er auf seine damals zwölfjährige Ministerkarriere zurückblickte. Die LSAP-Abgeordnete Tess Burton sollte für den Arbeitsminister in die Regierung nachrücken.
Doch dann kam alles anders: Ex-Wirtschaftsminister Grethen zog seine Kandidatur für den Vorsitz der „Spuerkees“ nach einem „unangenehmen Vorstellungsgespräch“ bei der Europäischen Zentralbank zurück, und behielt seinen Posten beim Rechnungshof. Nicolas Schmit blieb Arbeitsminister, obwohl er zuvor angekündigt hatte, er wolle seinen Platz an Jüngere übergeben.
Anhaltende Wechselgerüchte
„Ich wollte diesen Wechsel damals machen, doch es hat nicht geklappt. Damit ist das Kapitel für mich abgeschlossen. Punkt“, sagt er heute. Es fällt nicht leicht ihm das zu glauben, denn Schmit hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er gerne einen Posten mit internationalem Flair übernehmen würde.
Seit Jahren ist er immer wieder für Posten im Ausland im Gespräch: 2011 kam er in die engere Auswahl für den Posten als stellvertretender Generalsekretär der OECD, danach wurde er als Botschafter in Paris gehandelt, sollte EU-Kommissar werden, und schließlich zum europäischen Rechnungshof wechseln. Doch alle Wechselpläne scheiterten.
Nicolas Schmit residiert damit weiterhin im Arbeitsministerium am Rousegärtchen, gleich neben der Zithaklinik. Es ist mittlerweile sein neuntes Jahr auf diesem Posten. In der Öffentlichkeit wurde er wegen den anhaltenden Wechselgerüchten immer wieder kritisiert. Den Vorwurf der Amtsmüdigkeit lässt Schmit jedoch nicht gelten: „Ich habe in den letzten Jahren einige große Reformen auf den Weg gebracht. Und ich will nun dafür sorgen, dass diese Projekte sich in die richtige Richtung entwickeln.“
Wenn man nicht die richtigen Leute einsetzt, bleiben Gesetze oft ‚lettres mortes‘.“Nicolas Schmit
Die Arbeitsmarktzahlen sprechen für seine Politik: Die Arbeitslosenquote ist seit drei Jahren rückläufig. Sie liegt im Moment bei 5,5 Prozent. Es ist zwar schwer prüfbar, inwiefern diese Entwicklung direkt auf die Arbeit des Ministers zurück zu führen ist, doch mangelnden Einsatz kann man Schmit nicht vorwerfen. Schon in der letzten Legislaturperiode hat er eine Reform der Arbeitsbehörde ADEM auf den Weg gebracht, deren Umsetzung noch nicht abgeschlossen ist.
Vor drei Jahren hat Schmit zusätzlich eine tiefgreifende Reform der Gewerbeinspektion ITM angestoßen. In beiden Fällen, schreckte er nicht vor umstrittenen Personalentscheidungen zurück. Schmit besetzte beide Behörden mit neuen Direktoren. „Wenn man nicht die richtigen Leute einsetzt, bleiben Gesetze oft ‚lettres mortes‘,“ erklärt der Arbeitsminister sein Vorgehen.

Es ist ein typischer Schmit-Satz. Um seiner Aussage Gewicht zu verleihen, betont er die französischen Wörter am Satzende. Schmit gibt sich gern distinguiert und zielstrebig zugleich. Doch der frühere Diplomat ist mehr als ein politischer Selbstdarsteller. Er wird von Mitarbeitern und Gegenspielern gleichermaßen für seine Erfahrung und sein Fachwissen respektiert, und gilt als pflichtbewusster Minister, der seine Dossiers kennt.
„In den wesentlichen Fragen, hat er immer vollen Einsatz gezeigt, um einen Kompromiss zu finden,“ sagt OGBL-Präsident André Roeltgen. „Mir fallen jedenfalls keine Situationen ein, in denen er amtsmüde wirkte, obwohl immer wieder darüber spekuliert wurde, ob er seinen Posten verlassen wird.“ Der Gewerkschaftsboss könnte daher gut damit leben, wenn Schmit nach den Wahlen Arbeitsminister bleiben würde: „Auch wenn man als Gewerkschaftler natürlich nie ganz zufrieden ist.“
Die PAN-Kontroverse
Die lobenden Worte des OGBL sind allerdings nicht allein durch Schmits kompetentes Auftreten zu erklären. Der Arbeitsminister machte der größten Gewerkschaft vor zwei Jahren wesentliche Zugeständnisse in der hart umkämpften Diskussion um die Organisation der Arbeitszeit.
Über Monate hinweg hatte Schmit mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden um eine gemeinsame Lösung gerungen. Als auch in einer zwölfstündigen Klausursitzung auf Schloss Senningen kein Kompromiss zustande kam, entschied Schmit das sogenannte PAN-Gesetz (PAN steht für „plan d’action national en faveur de l’emploi“) auf eigene Faust zu reformieren. Betriebe, die über eine bestimmte Periode hinweg, längere Arbeitszeiten einführen wollen, müssen ihre Angestellten demnach mit zusätzlichen Urlaubstagen entschädigen.
„Fir eis war dat eng riicht an d’Gladder“, erinnert sich der Präsident des Handwerkerverbands, Romain Schmit. Für kleinere Betriebe seien die neuen Bestimmungen kaum anwendbar, da zusätzliche Urlaubstage für sie zu teuer seien. Doch die Unternehmerseite behält die PAN-Diskussion nicht nur wegen dem, aus ihrer Sicht, unglimpflichen Ausgang in schlechter Erinnerung. „Der Dialog zwischen den Sozialpartnern wurde hier langfristig beschädigt“, meint der Handwerkervertreter.
Ich habe einen Kopf, und deshalb denke ich manchmal nach.“Nicolas Schmit
Auf Nicolas Schmits Entscheidung folgte damals ein öffentlicher Schlagabtausch zwischen Arbeitgeberverbänden und Minister. Die Unternehmer warfen Schmit vor, er sei eingeknickt, und habe die Forderungen des OGBL eins zu eins umgesetzt. Der Minister stichelte daraufhin in einem RTL-Interview, er wisse nicht, ob Arbeitgeber-Präsident Jean-Jacques Rommes selbst schon ein Mal einen Betrieb geleitet habe, und zeigte sich „schockiert“ über die „populistische Ausdrucksweise“ der Unternehmerseite.
Provokante Aussagen
Die Episode illustriert, dass Schmit trotz seiner kultivierten Ausdrucksweise einen ausgeprägten Hang zur Kontroverse hat. Das bekommen nicht nur politische Gegenspieler zu spüren, sondern regelmäßig auch die eigenen Kabinettskollegen. Immer wieder, wich der Arbeitsminister in den vergangenen fünf Jahren mit provokanten Aussagen von der Koalitionslinie ab. Auf Ressortgrenzen nahm er dabei keine Rücksicht. Für Aufsehen sorgte er zum Beispiel, als er sich im April 2016 auf Twitter dafür Aussprach, die Burka „klar zu verbieten“, obwohl Premierminister Xavier Bettel ein gesetzliches Burkaverbot zuvor ausgeschlossen hatte.
La burqa n’est pas compatible avec nos valeurs.Elle dégrade la dignité +égalité des femmes .Il faut l’interdire dans la clarté
— Nicolas SCHMIT (@nicolasschmit2) April 14, 2016
Einige Monate später, forderte der Arbeitsminister in einem Interview mit dem „Luxemburger Wort“ einen „Kurswechsel“ in der Asylpolitik. Damit stellte er nicht nur öffentlich die Politik der Regierung in Frage, sondern attackierte frontal seinen Parteifreund Außen- und Immigrationsminister Jean Asselborn.
„Ich habe einen Kopf, und deshalb denke ich manchmal nach“, sagt Nicolas Schmit ohne falsche Bescheidenheit: „Ich bin schon seit langer Zeit ein sozial engagierter Mensch, und absolut keiner kann mir verbieten, dass ich zu Gesellschaftsthemen meine Meinung sage.“ Er gefällt sich in der Rolle des streitbaren Machers, der den konsensorientierten Diskurs der Luxemburger Politwelt mitunter aufmischt: „Wir brauchen hier im Land offene Diskussionen, darum muss es hin und wieder auch zu Kontroversen kommen.
Ich will mich nicht selbst loben. Aber ich stelle fest: Wenn ich mich zu einem Thema geäußert habe, ist oft später etwas passiert.“Nicolas Schmit
Zuletzt machte Nachhaltigkeitsminister François Bausch Bekanntschaft mit der provokanten Art seines Ministerkollegen von der LSAP. Ende Juli, weniger als drei Monate vor den Wahlen, zeigte Schmit sich solidarisch mit der „Ungeduld der Mitbürger“ in seinem Wahlbezirk, Osten.
In einem polemischen Facebook-Post beschwerte der LSAP-Minister sich, dass die Straßenschäden zwischen Berdorf und Echternach, zwei Monate nach schweren Überschwemmungen, noch nicht repariert seien: „Et as inakzeptabel dat Leit vu Berdorf an Emgeigend weider vertreischt gin op a Joer.Experten confirmeieren: Dat doten kann bis virum Wanter repartiert sin, wann een well an sech Moyenen get. (sic)“ Bausch antwortete prompt per Pressemitteilung, er „bedauere, dass hier von politischer Seite probiert wird Wahlkampf mit der Not der Leute zu betreiben.“
Es war nicht das erste Mal, dass Schmit für Zwist innerhalb der Regierungskoalition sorgte. Doch der Arbeitsminister bereut seine Aussagen nicht. „Ich will mich jetzt nicht selbst loben. Aber ich stelle fest: Wenn ich mich zu einem Thema geäußert habe, ist oft später auch etwas passiert. Die Burka ist ein gutes Beispiel. Am Anfang haben viele gemeint, wir bräuchten kein Gesetz. Heute haben wir eins. Ich lag also nicht ganz ‚à coté de la plaque‘.“ Schmit klingt in solchen Momenten wie ein Klassenbester, der weiß, dass seine Eskapaden toleriert werden, solange die Leistung stimmt. Im Gegensatz zu Politikern, müssen Klassenbeste jedoch nicht gewählt werden.