Mütter, die beim Staat arbeiten und innerhalb von zwei Jahren wieder schwanger werden, können finanzielle Vorteile in Anspruch nehmen. Das führt allerdings dazu, dass sie längere Zeit im Beruf ausfallen. Eine Praxis, die im Widerspruch zur blau-rot-grünen Familienpolitik steht.
In den USA bekommen Frauen zur Geburt von ihrem Mann ein sogenanntes „Push Present“. Die Frau bringt das Kind zur Welt, der Mann schenkt ihr als Belohnung dafür etwas Schönes. Für die viele Mühe, die Anstrengung, die Strapazen der Geburt.
In Luxemburg gibt es ein finanzielles Geschenk für werdende Mütter im Staatsdienst – wenn sie denn bestimmte Bedingungen erfüllen. Konkret geht es um einen Punkt im Gesetz zum „Statut Général des Fonctionnaires de l’Etat“ aus dem Jahr 1998. In dem steht: Wenn eine Frau nach dem ersten Kind eine Teilzeit-Stelle oder einen unbezahlten Urlaub beantragt und innerhalb von zwei Jahren wieder schwanger wird, bekommt sie während des zweiten „Congé de maternité“ ein volles Gehalt ausgezahlt. Obwohl sie entweder gar nicht, 50 Prozent oder 75 Prozent arbeitet.
Im Privatsektor hingegen wird der Arbeitnehmerin laut Code de la Sécurité Sociale das höchste Monatsgehalt der vergangenen drei Monate vor dem Mutterschaftsurlaub ausbezahlt. Wer 50 Prozent der Zeit arbeitet, bekommt auch 50 Prozent ausbezahlt. Bei Teilzeitarbeit wird die Vergütung demnach anteilmäßig berechnet – darf aber nicht unter den entsprechenden Mindestlohn fallen.
Eine der Bedingungen: Die Arbeitnehmerin muss unmittelbar vor dem Mutterschaftsurlaub mindestens sechs Monate gearbeitet haben. Wird sie also in einem „Congé sans solde“ schwanger, hat sie keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld.
Zwei Jahre für Kind Nummer zwei
Möglichst schnell nacheinander Kinder bekommen und dafür belohnt werden – das geht nur im öffentlichen Dienst. Ein Familienbild, das nicht mit dem Programm der aktuellen Regierung – allen voran der DP – übereinstimmt. Sie plädiert dafür, dass Frauen nach der Geburt des Kindes schnell wieder ins Berufsleben einsteigen. Sie sollen unabhängig sein, neben Familie eine Karriere haben, Geld verdienen. Ein Familienmodell, bei dem die Frau zu Hause bleibt, während der Mann arbeitet, passt nicht zur Sichtweise der DP.
Wir haben uns damals gefragt, ob das nicht kontraproduktiv ist.“Anik Raskin, CNFL
Durch dieses Gesetz erhalten Staatsbeamtinnen einen Anreiz, sich zumindest zu überlegen, mehrere Kinder nacheinander zu bekommen. Das bringt aber eine längere Pause vom Berufsleben mit sich und könnte den Wiedereinstieg in den Job erschweren.
Die Klausel ist unter vielen Beamten bekannt. Die Überlegung einer schnellen Familienplanung lohnt sich beim Staat zumindest aus finanzieller Sicht.
Die Frage nach dem Mutterschaftsurlaub im öffentlichen Dienst falle gar nicht in ihren Aufgabenbereich, sagt Familienministerin Corinne Cahen auf Nachfrage von REPORTER. Sie persönlich fände es aber logisch, dass man das bekomme, was einem ja nach Gehalt zusteht.
Sie verweist auf das Ministerium für den öffentlichen Dienst. Das wird von Marc Hansen (auch DP) geleitet. Dort heißt es, dass dieser Punkt bisher nie diskutiert worden sei – auch nicht 2018, als das Gesetz geändert und diese Klausel integral übernommen wurde.
Finanzieller Druck auf Paare?
Zum Thema befragt, sagt ein Sprecher des Ministeriums für den öffentlichen Dienst: „Ich glaube nicht, dass das die Entscheidung beeinflusst ob oder wann man man Kinder bekommen will.“ Ist die Frau aber im unbezahlten Urlaub und bekommt nach den zwei vorgeschrieben Jahren noch ein Kind, gibt es im „Congé de maternité“ gar kein Geld.
Für die Behörden ist der Vorteil der Klausel klar: Die Mitarbeiterin fällt zwar aus, vielleicht sogar für längere Zeit. Dafür aber nur einmal am Stück. Doch mit der Klausel kann der Staat auch den Druck auf Paare erhöhen. Nicht jeder Versuch, schwanger zu werden, gelingt sofort. Mit einem solchen finanziellen Anreiz kann wohl oder übel die Familienplanung beeinflusst werden.
„Ganz im Sinne der modernen Familienpolitik“
Grund für den Abschnitt im Gesetz aus dem Jahr 1998 ist ein Punkt aus dem Jahr 1987. Damals wurde eingeführt, dass eine Beamtin während ihres unbezahlten Urlaubs einen „Congé de maternité“ beantragen kann – bis dahin hatte sie keinen Anspruch darauf. Im Laufe der Jahre wurde der Punkt mehrmals geändert. Bis schließlich 1998 festgehalten wurde, dass die Mutter in einem „Congé sans traitement“ oder im „Service à temps partiel“ ein volles Gehalt ausgezahlt bekommt.
Das sei damals „ganz im Sinne einer modernen Familienpolitik“ gewesen, so Steve Heiliger, Generalsekretär der CGFP. Eine „Verbesserung“ in dem Sinne, dass es Frauen zum damaligen Zeitpunkt einfacher gemacht wurde, um nach dem Kinderkriegen überhaupt wieder in den Beruf einzusteigen.
„Wir haben uns damals gefragt, ob das nicht kontraproduktiv ist“, sagt hingegen Anik Raskin vom „Conseil National des Femmes du Luxembourg“. 1998 habe man im Gesetz verhindern wollen, dass Frauen, die Mütter werden, komplett im Job aufhören. Raskin meint, mit dem Gesetz würde man Frauen zwar nicht ganz aus dem Berufsleben reißen – sie seien aber dazu geneigt, länger auszusteigen.
Finanziell attraktive Option für CGFP
Einmal mehr klaffen die Bedingungen zwischen Privatsektor und öffentlichem Dienst auseinander. Im Privatsektor ist es selten, dass der Arbeitgeber einem unbezahlten Urlaub zustimmt. Im öffentlichen Dienst ist es mindestens genauso selten, dass die Gewerkschaft CGFP von sich aus auf eine finanziell attraktive Option für ihre Mitglieder verzichtet.
Obwohl es diese Unterschiede gibt, blieb eine Debatte über die Vergütung des Mutterschaftsurlaubs im öffentlichen Dienst bisher aus. „Wir wären natürlich froh, wenn der öffentliche Dienst eine Vorreiter-Rolle einnehmen könnte. Der Privatsektor könnte diesen Punkt von uns übernehmen“, sagt Steve Heiliger von der CGFP.