17 NGOs haben aus Protest die interministerielle Arbeitsgruppe „Menschenrechte und Unternehmen“ verlassen. Sie werfen den Interessenverbänden aus der Wirtschaft vor, die Arbeit an einem neuen Lieferkettengesetz zu sabotieren. Die Regierung schweigt dazu.

Es war ein kleiner Paukenschlag: Am 11. Mai verschickte die „Initiative pour un devoir de vigilance“ (IDV) einen Brief an Außenminister Jean Asselborn (LSAP). Die Initiative, die sich aus 17 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammensetzt, kündigte an, die interministerielle Arbeitsgruppe „Menschenrechte und Unternehmen“, der sie seit 2018 angehört, mit sofortiger Wirkung zu verlassen.

Der Grund: Die Wirtschaftsvertreter in der Arbeitsgruppe – die Repräsentanten der „Union des Entreprises Luxembourgeoises“ (UEL) und des „Institut National pour le développement durable et la responsabilité sociale des entreprises“ (INDR) – hätten hinter dem Rücken der NGOs einen Fragebogen an jene Unternehmen geschickt, die den Pakt für mehr Respekt von Menschenrechten unterschrieben haben. Dieser Fragebogen sei, im Gegensatz zu dem, was in der Arbeitsgruppe diskutiert wurde, jedoch sehr verwässert, so der Vorwurf der NGOs.

Hintergrund des Ganzen ist, dass Luxemburg noch immer nicht über ein Gesetz zu sogenannten Lieferketten verfügt. Durch eine solche Regelung sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, nicht mit Materialien zu arbeiten, bei deren Herstellung es zu gravierenden Verletzungen von Menschenrechten kommen könnte. Und das in ihrer gesamten Lieferkette, um den Respekt der Menschenrechte nach den Leitprinzipien der UNO zu garantieren. Ein solches Gesetz würde etwa verhindern, dass bestimmte Waren aus Ländern wie China oder Bangladesch importiert werden, wenn klar ist, dass sie durch Kinder- oder Zwangsarbeit produziert wurden.

Streitpunkt Finanzplatz

Die Diskussion ist an sich nicht neu, doch Luxemburg tut sich besonders schwer damit. Dies zeigt auch der Fall der EU-Grundverordnung zu den sogenannten „Konflikt-Mineralien“, die seit 2017 gilt. Luxemburg brauchte bis Juni dieses Jahres, um ein entsprechendes Rahmengesetz zu verabschieden. In den Diskussionen im Vorfeld der Abstimmung dieses Gesetzes, das lediglich drei Substanzen unter besondere Aufmerksamkeit stellt, wurde öfters auch auf die kommende EU-Richtlinie in Sachen Lieferketten verwiesen, die einen Gesamtansatz vorsieht.

Auch die EU-Richtlinie ist hart umkämpft. Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) zögerte lange, um sich zwischen einer nationalen Gesetzgebung – wie sie etwa in Frankreich, in Deutschland oder in den Niederlanden existiert – oder einer EU-Initiative zu entscheiden. Schließlich ersparte die EU dem Minister das Dilemma und leitete ein Projekt für eine Richtlinie in die Wege. Diese befindet sich nun im sogenannten „Trilog“, in dem Kommission, Parlament und Rat über einen definitiven Text beraten.

Uns wurde klar, dass die Positionen der Wirtschaft und der von bestimmten Unternehmen bei Weitem bevorzugt wurden, während Menschenrechtsfragen nur unzureichend berücksichtigt wurden.“Menschenrechtskommission

Besonders viele Spannungen gab es beim Thema Finanzplätze: Sollten auch diese dazu verpflichtet werden, auf Menschenrechte zu achten? Die Antwort Luxemburgs war ein klares Nein. Das EU-Parlament plädierte aber kürzlich dafür. Die Frage, die besonders die hiesige Fondsindustrie betrifft, ist demnach noch immer nicht geklärt.

Klar ist: Hinter den Kulissen wird mit harten Bandagen gekämpft. Der Brief, der von der „Initiative pour un devoir de vigilance“ an den Außenminister geschickt wurde und der bis heute unbeantwortet blieb, liegt Reporter.lu vor. Aus dem Schreiben geht hervor, dass der Vorfall mit dem Fragebogen der Wirtschaftsvertreter nur der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte …