Nach einem Legionellenbefund im Trinkwasser eines Studentenwohnheims lässt die Universität das Gebäude nun räumen. Doch einige Studierende protestieren und werfen dem Rektorat schlechtes Management und einen fahrlässigen Umgang mit ihrer Gesundheit vor.
Während Stéphane Pallage, der Rektor der Universität Luxemburg, die Bewohnerinnen und Bewohner des Studentenwohnheims im alten Dominikanerkloster auf dem Limpertsberg besuchte, trank er mehrere Gläser Leitungswasser. Er habe während des lange dauernden Gesprächs Durst bekommen, erklärt er im Interview mit Reporter.lu. Die Studierenden hingegen fühlen sich durch seine Handlung provoziert.
Kurz vor seinem Besuch am 1. Juli hatte der Rektor die komplette Räumung des Wohnheims angekündigt. Der Grund: verschmutztes Trinkwasser. Untersuchungen hatten ergeben, dass das Wasser neben Ablagerungen durch rostige Rohre auch durch Legionellen verunreinigt war. Mit Bakterien also, die zu gefährlichen Lungenkrankheiten und im schlimmsten Fall zum Tod führen können.
Nur eine Vorsichtsmaßnahme?
Die Konzentration der Legionellen im Studentenwohnheim sei jedoch „weit von einem kritischen Wert entfernt“, heißt es in einer E-Mail der Universitätsverwaltung vom 2. Juli. Der Beschluss, alle Bewohner so schnell wie möglich an einen alternativen Standort umzusiedeln, sei in diesem Sinne eine reine „Vorsichtsmaßnahme“. Das Kaltwasser entspreche den Qualitätskriterien und sei trinkbar, versichert die Universität in ihrem Schreiben, das die Aussagen des Rektors noch einmal zusammenfasst. Dennoch ließ sie noch am selben Tag mehrere Sixpacks Wasser pro Person zum Studentenwohnheim liefern.
Es ist diese Inkohärenz, die die Studierenden verunsichert. Sie werfen der Universität ein chaotisches Management und Intransparenz bei der Kommunikation vor. Der schlechte Zustand des Dominikanerklosters ist nicht erst seit den letzten Wasserproben bekannt. Bereits im August 2019 beschwerten sich Studierende in einem Brief, der Reporter.lu vorliegt, unter anderem über die schlechte Qualität des Trinkwassers. Weitere Beschwerdeschreiben folgten. Und blieben, nach Angaben der Studierenden, überwiegend ohne Folgen. „Und jetzt muss plötzlich alles ganz schnell gehen“, sagt eine Studentin im Gespräch mit Reporter.lu. „Der Rektor trinkt das Wasser und wir müssen über Nacht raus, das ist doch grotesk.“
In Luxemburg wird nicht systematisch auf Legionellen untersucht. Hier wird dazu geraten, das Wasser nach längerem Stillstand ein paar Minuten laufen zu lassen. Gegen Legionellenbefall bringt das jedoch gar nichts.“Xavier Brembati, Direktor von Luxbiologie
Tatsächlich sprechen die Reaktionen auf den Legionellenbefund nicht für einen professionellen Umgang mit dem Risiko durch die Bakterien. Weder das nationale Gesundheitslabor, noch das Gesundheitsministerium wollen sich zum jetzigen Zeitpunkt zu dem Thema äußern. Die Behörden fühlen sich nicht zuständig.

„Von einem Glas Leitungswasser, das mit Legionellen verschmutzt ist, stirbt man nicht“, sagt Xavier Brembati auf Nachfrage von Reporter.lu. Der Direktor von Luxbiologie möchte den Vorfall im alten Dominikanerkloster zwar auch nicht kommentieren. Er erklärt aber, dass ein Legionellenbefall in kaltem Wasser unbedenklich ist, bei erhitztem Wasser samt Dunstbildung jedoch gefährlich werden kann. „Die infizierten Partikel setzen sich auf den Lungen ab und können die Atmung behindern“, erklärt der Direktor des Labors.
In den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Belgien sind regelmäßige Kontrollen auf Legionellen deshalb Pflicht. „Hier in Luxemburg wird Trinkwasser nicht systematisch untersucht“, sagt Xavier Brembati. „Hier wird dazu geraten, das Wasser nach längerem Stillstand ein paar Minuten laufen zu lassen. Gegen Legionellenbefall bringt das jedoch gar nichts.“
Protest von Studierenden
Das alte Dominikanerkloster auf dem Limpertsberg wird seit 2005 als Studentenwohnheim genutzt. Es gilt als eine der preiswertesten Wohnmöglichkeiten für Studierende in Luxemburg, ein Zimmer kann man bereits ab 325 Euro mieten. Es wird überwiegend von ausländischen Studierenden genutzt, die Fluktuation in dem Haus ist hoch. Mehr als die Hälfte der 60 Bewohnerinnen und Bewohner hat mittlerweile einen neuen Mietvertrag mit der Universität unterschrieben und ist in ein alternatives Studentenwohnheim umgezogen.
Etwa zwanzig der Bewohner und Bewohnerinnen des Wohnheims jedoch lehnen sich aktiv gegen die Räumung durch die Universität auf, einige von ihnen haben ihre Zimmer bis heute nicht verlassen. Im Rahmen einer Protestkundgebung vor dem Wohnheim am 8. Juli suchten sie Hilfe bei der Presse. RTL berichtete noch am selben Abend über die Aktion und ließ Studierende zu Wort kommen, die die Universität deutlich angriffen.
Dabei beklagen sich die Studierenden nicht nur über schlechte Kommunikation und inkohärente Handlungen der Universitätsverwaltung, sondern werfen ihr auch Fahrlässigkeit und Diskriminierung vor. „Seit wann haben wir verseuchtes Trinkwasser benutzt?“, fragt eine Studentin im Gespräch mit Reporter.lu. „Einen Analysebericht haben wir bis heute nicht gesehen. Würden hier Studierende mit Luxemburger Pass leben, hätte die Universität sicher anders gehandelt.“
Individuelle Probleme ohne Lösung
Die Universität weist jegliche Anschuldigungen von sich und reagiert mit Kompensationsmaßnahmen. Sie kündigt an, allen Bewohnern zwei Monatsmieten zu erlassen und für eine eventuelle Differenz zwischen der Miete im Dominikanerkloster und der neuen Unterbringung aufzukommen. „Wir haben für jeden Betroffenen eine alternative Wohnmöglichkeit gefunden, die Wohnheime sind alle moderner und besser in Schuss als das alte Dominikanerkloster“, sagt Stéphane Pallage.

Trotz vermeintlichem Upgrade wohnen einige weiterhin im ehemaligen Kloster. Die Universität habe am Montagmorgen nun mit dem Abstellen von Wasser und Strom gedroht, wie die Studierenden Reporter.lu mitteilten. „Uns bleibt nichts anderes übrig, als sofort nach Esch oder nach Niederkorn umzuziehen“, erzählt eine weitere Studierende, „Das setzt viele von uns stark unter Druck“.
Dafür, dass ein sofortiger Umzug aus der Hauptstadt in den Süden des Landes für viele von ihnen große Probleme mit sich bringt, hat die Universität kaum Verständnis. Zudem kämpfen einige Studierende seit gut einer Woche mit Angst, Druck und Schlaflosigkeit. Zu den grundlegenden Fragen über den Zustand der Unterkunft auf dem Limpertsberg und die Vorgehensweise der Universität kommen zahlreiche, individuelle Geschichten und Gründe für den Protest hinzu.
Wir sind Opfer der landesweiten Wohnungskrise. Entweder du bist privilegiert und hast Geld, oder aber Luxemburg ist nichts für dich.“ Ein Student
Eine dritte Studentin bezweifelt, unter diesen Umständen ihre Doktorarbeit zeitlich fertigstellen zu können. „Statt zu schreiben, packe ich“, erklärt sie. „Normalerweise müssen Zwangsräumungen ein paar Wochen vorher angekündigt werden“, sagt sie und versichert, zunächst einmal in ihrem Zimmer zu bleiben. Ein paar Studenten, die gerade ihre Habseligkeiten nach Niederkorn gebracht haben, beschweren sich über die schlechten Zustände in den Alternativunterkünften. Sie zeigen Fotos von Käfern auf der Matratze, abgebröckeltem Putz und rostigen Rohren.
Ein junger Mann aus dem Nicht-EU-Ausland fürchtet um seinen Studienplatz, sollte er sich jetzt bei der Universität beschweren. Und eine junge Masterstudentin fragt sich, wie sie ihrem Studium auf dem Kirchberg, ihrem Praktikum im Bahnhofsviertel und ihrer Arbeit in einem Café auf dem Limpertsberg gerecht werden soll, wenn sie in Zukunft in Esch wohnt.
Eine Frage des Geldes
„Ich kann verstehen, dass einigen von ihnen unsere Vorschläge nicht gefallen“, sagt Stéphane Pallage, Rektor der Universität, dazu. Natürlich sei die Lebensqualität für viele Studierende in der Hauptstadt höher. Doch es gebe dort schlicht nicht genug Wohnmöglichkeiten. „Eine Entfernung von 20 bis 25 Kilometern ist durchaus zumutbar, zumal die Transportmittel gratis sind“, beurteilt Stéphane Pallage die Situation.
Gratistransport hin oder her, der Groll gegen die Universität sitzt bei einigen der Studierenden tiefer. „Wir sind Opfer der landesweiten Wohnungskrise, da kann auch die Uni nicht helfen“, sagt ein junger Jurastudent. „Entweder du bist privilegiert und hast Geld, oder aber Luxemburg ist nichts für dich.“ Der Legionellenbefund ist für ihn nur die Spitze des Eisberges. „Luxemburg ist zwar reich, aber die Fassade beginnt zu bröckeln.“