Washington, Brüssel, Straßburg oder Singapur: Einige Abgeordnete reisen um die Welt, um Luxemburg in internationalen Gremien zu vertreten. Die vom Parlament übernommenen Kosten beliefen sich 2019 auf 430.000 Euro. Bei der Transparenz der einzelnen Ausgaben hapert es jedoch.

8.000 Euro für einen Flug nach Washington D.C.: Im März 2017 wurde Nancy Kemp-Arendt eine Dienstreise in die US-Hauptstadt medial zum Verhängnis. Ein Artikel in der Satirezeitung „Feierkrop“ über den „teuren Abstecher“ der Abgeordneten zu einer Sitzung der parlamentarischen Versammlung der NATO hatte damals für eine Debatte über die Spesen der Luxemburger Volksvertreter gesorgt.

„Ich war der große Verlierer dieser Debatte“, sagt die CSV-Abgeordnete heute. Auch sie sei über den kolportierten Betrag überrascht gewesen. Ihr Flug musste damals umgebucht werden, damit sie rechtzeitig für die Debatten über den Staatshaushalt zurückkehren konnte, so die Erklärung. „Ich wusste nicht, wie viel das kosten würde“, beteuert Kemp-Arendt im Gespräch mit Reporter.lu. Zudem stellte die Parlamentsverwaltung in einer Reaktion auf die Berichterstattung in der Presse klar, dass der Preis für das Flugticket unter 5.000 Euro lag.

Vor wenigen Wochen machte Yves Mersch eine ähnliche Erfahrung. Laut einem Bericht des „Spiegel“ hat das luxemburgische Direktionsmitglied der Europäischen Zentralbank seine Ehefrau auf Kosten der Institution zu Dienstreisen mitgenommen. Eine Praxis, die in Luxemburgs Parlament unmöglich wäre. „Mein Mann ist bereits zwei Mal mit mir gereist, aber er hat stets die eigenen Flugkosten übernommen“, sagt Nancy Kemp-Arendt.

Spätestens seit der Diskussion um Kemp-Arendts Flugticket unterliegen die Parlamentarier in der Tat einer strengeren internen Kontrolle. Die anfallenden Ausgaben müssen sie allerdings nicht veröffentlichen. Wie Reporter.lu erfahren konnte, haben sich die im Parlament vertretenen Parteien in internen Gremien auch wiederholt gegen eine transparentere Praxis ausgesprochen.

Missbrauch ist nicht ausgeschlossen

„Die Familienmitglieder der Abgeordneten tauchen in unserer Buchhaltung nicht auf“, heißt es von der Parlamentsverwaltung auf Nachfrage. Das Parlament buche zwar stets ein Zimmer mit Doppelbett, aber die Anreisekosten des Partners übernimmt die Verwaltung nicht – auch nicht, wenn diese, wie im Fall Yves Mersch, offiziell eingeladen wurden.

Ich würde es begrüßen, die Kosten der Dienstreisen transparenter aufzuschlüsseln, aber es wäre zu kurz gegriffen, sie einfach zu veröffentlichen.“Sven Clement, Abgeordneter der Piratepartei

Nach der „Feierkrop“-Kontroverse hat das Parlament die internen Regeln allerdings verschärft. Seitdem laufen alle Flugbuchungen stets über die Verwaltung. Laut Nancy Kemp-Arendt war dies aber bereits für ihren Flug nach Washington D. C. der Fall. Zudem ist eine kurzfristige Umbuchung nur im Falle einer weiteren parlamentarischen Verpflichtung und in Absprache mit dem Parlamentsvorstand („Bureau“) möglich. Laut Verwaltung ist seit 2017 keine Umbuchung eines Fluges mehr vorgekommen, die zu Mehrkosten für die Steuerzahler geführt hätte.

„Ich war der große Verlierer dieser Debatte“: Die CSV-Abgeordnete Nancy Kemp-Arendt am Rande einer Sitzung der parlamentarischen Versammlung der NATO. (Foto: NATO PA)

Was die weiteren anfallenden Kosten betrifft, müssen die Abgeordneten Geld vorstrecken. So können sie sich die Kosten für das Hotelzimmer erstatten lassen. Für jede Stadt hat das Parlament jedoch ein Maximalbudget für die Übernachtung festgelegt. Die Prozedur ist strikt, versichert die Verwaltung. Mehrere Gremien des Parlaments sind in den Prozess für die Rückerstattungen von Dienstreisen eingebunden. So bearbeiteten sowohl die Präsidentschaft, das Sekretariat, der Vorstand und ein Finanzinspektor die Anträge der Abgeordneten. Demnach sei es heutzutage „unmöglich“, die Regeln zu umgehen, heißt es von der Verwaltung.

Zwischen Transparenz und Privatsphäre

Im Detail überprüfen kann man diese Aussagen als Außenstehender jedoch nicht, denn die einzelnen Beträge sind nicht öffentlich. Damit hinkt das Parlament dem internationalen Trend zu mehr Transparenz hinterher. Nachdem 2009 öffentlich wurde, dass mehrere Mitglieder des britischen Parlaments Missbrauch bei den Kostenerstattungen betrieben haben, wurden die Regeln im „House of Commons“ deutlich verschärft. Die Spesenabrechnungen der Abgeordneten können nun über die Webseite der „Independent Parliamentary Standards Authority“ auf den Cent genau überprüft werden. Auch die Abgeordneten im US-Kongress veröffentlichen ihre Ausgaben, die bei der Ausübung ihres Mandats anfielen.

Die meisten europäischen Staaten tun sich mit der Transparenz allerdings schwer. Kurz vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich wurde bekannt, dass der Kandidat der Partei „Les Républicains“ François Fillon seine Frau über acht Jahre als parlamentarische Mitarbeiterin beschäftigt hatte. Anschließend beschloss das Parlament, die Kontrollen zu verschärfen. Aus einem Freibetrag wurden mehrere Budgetpunkte für das Mieten eines Büros, Personalkosten oder auch Dienstreisen aufgeschlüsselt. Auf Transparenz wartet man jedoch weiterhin. Nur ein Bruchteil der französischen Abgeordneten publiziert freiwillig die eigenen Ausgaben.

Obwohl gegen mehrere Abgeordnete des Europäischen Parlaments Verfahren wegen Veruntreuung von Steuergeldern eingeleitet wurden, bleiben die Ausgaben auch hier unter Verschluss. Zwar müssen die Abgeordneten einen Beleg einreichen, um eine Erstattung der Kosten ihrer Dienstreise zu erhalten, aber diese müssen genau wie andere Zulagen nicht offengelegt werden. In einem Urteil erklärte der Europäische Gerichtshof, dass die Veröffentlichung die Privatsphäre der Abgeordneten beeinträchtigen würde.

Reisekosten bleiben überschaubar

„So gut ist der amerikanische Kaffee nicht“, sagt Sven Clement (Piratepartei), der Luxemburg unter anderem mit Nancy Kemp-Arendt im NATO-Parlament vertritt. Er könne sich Schöneres vorstellen, als drei Tage lang in einem Konferenzsaal zu tagen und schlechten Kaffee zu trinken, so der Abgeordnete im Gespräch mit Reporter.lu. Es seien demnach keine Ferien auf Kosten der Steuerzahler. „Wir werden für diese Arbeit nicht überbezahlt“, meint auch Gusty Graas (DP).

Konkret heißt das: Für einen Sitzungstag erhalten die Abgeordneten eine Pauschale von 90 Euro, für den An- und Abreisetag 60 Euro. Die Zulagen sollen die Kosten für die Verpflegung vor Ort decken. Zum Vergleich: Für eine Ausschusssitzung zu Hause oder einen halben Sitzungstag im Plenum erhält ein Abgeordneter bereits 110 Euro Sitzungsgeld („jetons de présence“).

Dienstreisen gehören zum Alltag vieler Luxemburger Parlamentarier dazu: Die Abgeordneten (v.l.n.r.) Claude Haagen, Josée Lorsché und Mars di Bartolomeo bei einem Treffen der parlamentarischen Versammlung der OSZE in Berlin. (Foto: Chambre des Députés)

Auf Nachfrage von Reporter.lu gibt die Parlamentsverwaltung weitere allgemeine Zahlen heraus. 2019 habe die Abgeordnetenkammer rund 430.000 Euro für die Dienstreisen von Parlamentariern und Mitarbeitern des Parlaments ausgegeben. Laut der Verwaltung entspricht dies etwa einem Prozent des Gesamtbudgets des Parlaments. Insgesamt nahmen im vergangenen Jahr 43 Abgeordnete an 120 Dienstreisen teil. Die Kosten liegen im Schnitt bei etwa 3.500 Euro pro Auslandsaufenthalt.

Ein bescheidener Betrag, bedenkt man, dass die Abgeordneten fast immer in einer Delegation reisen. Nur einmal blieb das Parlament auf seinen Kosten sitzen. Im Februar musste eine Reise nach Dakar abgesagt werden, doch die Hotelbuchung für 1.500 Euro konnte zu dem Zeitpunkt nicht mehr erstattet werden, heißt es dazu aus der Parlamentsverwaltung.

Ein weiteres Beispiel: Laut Verwaltung kostete die fünftägige Sitzung des Europarats im Januar 2019 in Straßburg insgesamt 11.500 Euro. Die Transportkosten für die acht Abgeordneten beliefen sich auf 560 Euro. Die restlichen Gelder beinhalten das Tagesgeld und die Buchungen der Hotelzimmer. Die Rückerstattungsanträge dürfe das Parlament allerdings nicht veröffentlichen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle bleibt intern

„Sie passen gut auf dich auf“, sagt Sven Clement über die Parlamentsverwaltung. Er könne sich kaum vorstellen, dass man durch Dienstreisen Gelder unterschlagen könne. Er musste einmal eine Reise in Jordanien aus familiären Gründen abbrechen. Die Kosten für die Umbuchung trug er selbst, sagt der Abgeordnete der Piraten. Nur einmal habe er zuerst Freunde in Berlin besucht und sei anschließend nach Stockholm geflogen.

Selbst bei einer solchen Kopplung von Reisen übernehme das Parlament stets nur die Reise zum Zielort und die Rückreise, so der Abgeordnete. Sollte ein Parlamentarier nach der Konferenz weiterreisen und von dort zurückfliegen, übernehme das Parlament die Kosten nur, wenn es einen geringen Preisunterschied zwischen beiden Flügen gebe, erklärt die Verwaltung auf Nachfrage.

Our aim is to assure the public that MPs’ use of taxpayers’ money is well-regulated (…).“Britische „Independent Parliamentary Standards Authority“

„Ich würde es begrüßen, die Kosten der Dienstreisen transparenter aufzuschlüsseln, aber es wäre zu kurz gegriffen, sie einfach zu veröffentlichen“, sagt Sven Clement. Abgeordnete, die Luxemburg regelmäßig im Europarat in Straßburg vertreten, würden natürlich weniger Kosten verursachen als ein Abgeordneter, der einmal nach Washington D. C. reise, so Clement. Auch Gusty Graas hat seine Bedenken. Es könnte sonst der Anschein erweckt werden, es würde sich hierbei um eine zusätzliche Vergütung handeln, so der DP-Politiker.

Ein transparenter Umgang mit den Kosten von Dienstreisen wäre der Abgeordneten Nancy Kemp-Arendt im März 2017 behilflich gewesen. „Ich hätte absolut kein Problem damit, dies öffentlich zu machen“, so die Abgeordnete. Allerdings wissen in den meisten Fällen weder sie noch die anderen Abgeordneten, wie viel ihre Flugtickets kosten. Bereits dort hört die Transparenz auf.

Sven Clement listet indes auf seiner Webseite in der Rubrik „Transparency“ auf, wohin er gereist ist und wieviel CO2-Emissionen dabei verursacht wurden. Die vom Steuerzahler übernommenen Kosten der Dienstreisen werden nicht erwähnt.