Während eines „Etat de crise“ kann die Regierung Maßnahmen per Verordnung beschließen. Die übliche parlamentarische Kontrolle wird somit eingeschränkt. Die ADR will es Bürgern deshalb während des Ausnahmezustands erleichtern, vor dem Verfassungsgericht gegen Maßnahmen zu klagen.
Der Paragraf 4 des Artikels 32 der Verfassung ist in seiner jetzigen Fassung relativ neu. Erst 2017 verabschiedete das Parlament eine Reform des Artikels, um auf die Terroranschläge in den Nachbarstaaten zu reagieren. Seitdem kann der Großherzog im Falle einer nationalen Krise den Ausnahmezustand ausrufen und die Regierung kann am Parlament vorbei und per Verordnung regieren.
Vor der Reform war der Artikel auf internationale Krisen beschränkt und wurde während der Finanzkrise nur für die Rettung der „Dexia“-Bank angewendet. Im letzten Jahr kam er zu Beginn der Pandemie zum ersten Mal in seiner neuen Fassung zum Einsatz.
Obwohl das Parlament in den drei Monaten des Ausnahmezustandes weiter tagte, war seine Kontrollfunktion stark eingeschränkt. Zwar informierte die Regierung die Volksvertreter regelmäßig über die beschlossenen Maßnahmen, aber ihr Einfluss auf die Verordnungen war faktisch gering. Mit dem ersten „Covid-Gesetz“ konnte das Parlament sich erst im Juli 2020 aktiv einbringen. Dementsprechend war es auch Bürgern kaum möglich, die Verordnungen anzufechten.
Möglichkeiten der Klage
Die ADR will Bürgern deshalb zukünftig während eines Ausnahmezustandes die Möglichkeit geben, gegen eine Maßnahme vor dem Verfassungsgericht zu klagen. „Gewisse Verordnungen gingen weit über die Verhältnismäßigkeit hinaus und waren ein weitreichender Eingriff in die bürgerlichen Freiheiten und die Versammlungsfreiheit“, begründete Roy Reding (ADR) vor einem Jahr diese Initiative.
Laut Verfassung können diese vorübergehenden Verordnungen auch gegen bestehendes Recht verstoßen, allerdings müssen sie stets „notwendig, adäquat, verhältnismäßig und mit der Verfassung und internationalen Verträgen konform sein“. Gegen die Maßnahmen können Betroffene vor Gericht klagen, allerdings kann die Klage erst in letzter Instanz von dem Verfassungsgericht bearbeitet werden. Gerade während einer Krise seien die üblichen Klagemöglichkeiten zu langwierig, sagte der ADR-Abgeordnete während einer Ausschusssitzung. Der Staatsrat will jedoch an der üblichen Prozedur festhalten.
In ihrem Gutachten zum neuen Entwurf des ADR-Abgeordneten zitiert die hohe Körperschaft das Verwaltungsgericht. Demnach würde „nichts verhindern, im Falle eines Notfalls die Zeit zwischen einem ersten Urteil des Verwaltungsgerichts und der Cour administrative zu verkürzen“, schreiben die Richter. Diese könnten dann auch über die Verfassungskonformität der Verordnungen entscheiden.
Eine endgültige Entscheidung, ob diese Änderung des Artikels nun durchgeführt wird, ist noch nicht gefallen. Auf Anfrage der ADR sollen die Arbeiten erst im September wieder aufgenommen werden.