Mit dem Inkrafttreten der Verfassungsreform Anfang Juli wird es zu einer spürbaren Stärkung des Parlaments kommen. Die Machtverhältnisse zwischen Parlament und Regierung werden neu definiert – allerdings nicht nur zugunsten der Abgeordneten.

In Frankreich gingen im vergangenen Monat mehr als eine Million Menschen auf die Straße. Der Grund: Die Rentenreform wurde ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchgedrückt. Die Regierung nutzte den sogenannten Artikel 49-3 der französischen Verfassung, der für haushaltspolitische Gesetze eingesetzt werden kann. Dadurch stimmten die Abgeordneten nicht über den Gesetzestext, sondern über das Vertrauen in die Regierung ab. Damit konnte die Minderheitsregierung von Elisabeth Borne die Konservativen im Parlament dazu bringen, den Text durchzuwinken, um Neuwahlen zu verhindern.

Dabei handelt es sich nicht um eine Besonderheit der französischen Verfassung. Solche Bestimmungen finden sich in ähnlicher Form auch in mehreren anderen EU-Mitgliedstaaten. Allerdings wurden sie nirgendwo so kontrovers und vermutlich auch so oft genutzt wie in Frankreich. Umso erstaunlicher ist es, dass eine ähnliche Regelung auch in Luxemburg vor einem Monat widerstandslos vom Parlament abgesegnet wurde. Nach einer Debatte von nicht einmal 20 Minuten wurde der Text ohne Gegenstimme angenommen.

Eine kleine Stärkung der Regierung

„Wenn es eine Rebellion in der Mehrheit gibt, dann kann der Premierminister sagen, ich knüpfe das Bestehen dieser Koalition an die Zustimmung zum Gesetz“, sagte Roy Reding (ADR) als Berichterstatter während der Debatte zur Änderung der parlamentarischen Geschäftsordnung vor einem Monat im Parlament. Ein Gesetzesprojekt könnte also künftig in manchen Fällen über das Weiterbestehen einer Koalition entscheiden. Dennoch ist diese mögliche Situation im Luxemburger Parlament nicht vollständig mit den französischen Bestimmungen gleichzusetzen.

Manchmal hat man dann bei der Abstimmung ein bisschen Bauchweh.“Mars Di Bartolomeo (LSAP)

„Es gibt einen wesentlichen Unterschied: Die Abgeordneten stimmen hier über ein Gesetzesprojekt ab und nicht über die Regierung“, sagt Mars Di Bartolomeo (LSAP) im Gespräch mit Reporter.lu. Ein Vorwurf wie jener, dass das französische Parlament nicht über die Rentenreform abgestimmt hat, könnte in Luxemburg also nicht erhoben werden. Dennoch könnte der neue Artikel zur Disziplinierung der Koalitionsparteien dienen. In Luxemburg war das bisher nicht nötig. Auch weil bis dato stets Zwei- bis Drei-Parteien-Mehrheiten möglich waren. In den Umfragen deutet sich nun allerdings eine Fragmentierung der Parteienlandschaft an, die auch Minderheitsregierungen wahrscheinlicher macht – und genau für diesen Zweck ist der besagte Artikel nützlich …