Seit mehr als drei Jahren diskutiert das Parlament die Übertragung von Kommissionssitzungen – getan hat sich wenig. Ein Gutachten des Ministeriums für den öffentlichen Dienst könnte das Projekt nun weiter verzögern. Einigen Parteien kommt das durchaus gelegen.
Die öffentliche Übertragung von Kommissionssitzungen des Parlaments wird in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr beschlossen. Der Grund: Memes. Dabei handelt es sich in der Internetkultur um oft humorvolle Sprüche mit einem Bild. In diesem Fall könnte es das Foto eines Beamten sein. Und genau das ist das Problem. So geht es zumindest aus einer Stellungnahme des Ministeriums für den öffentlichen Dienst hervor, die Reporter.lu vorliegt.
Im Juli 2022 hatte das Parlament das Ministerium für den öffentlichen Dienst beauftragt, zu überprüfen, inwiefern eine öffentliche Übertragung der Kommissionssitzungen mit dem Datenschutz für Beamte vereinbar ist. Die Antwort des Ministeriums folgte im November. Die dort geäußerten Bedenken beziehen sich jedoch nicht nur auf Fragen des Datenschutzes.
Schüchterne Beamte
Der Beamte könnte bei einer Antwort auf eine Frage eines Abgeordneten unbeabsichtigt gegen geltendes Recht verstoßen, befürchtet das Ministerium. Auch könnten einige Beamte eingeschüchtert sein, vor einem Ausschuss aussagen zu müssen, und dadurch leichter Fehler begehen. Zudem würde eine Anhörung von Beamten gegen die sogenannte „Circulaire Bettel 2“ verstoßen. Diese sieht vor, dass der Kontakt des Ministeriums mit der Presse über die jeweiligen Pressesprecher geregelt wird. Beamte können nur mit dem Einverständnis des Ministers und des Pressesprechers mit Journalisten reden. Mit anderen Worten: Das Vertrauen der Regierung in die Fähigkeiten der eigenen Beamten ist offenbar nicht besonders groß.
Dabei sind diese Beamten in den meisten Fällen bereits gewöhnt, in der Öffentlichkeit aufzutreten. „Die Beamten, die an Kommissionssitzungen teilnehmen, sind oft die gleichen, die auch bei einer Pressekonferenz mit ihrem Minister ein Gesetzprojekt vorstellen“, sagt die Abgeordnete Djuna Bernard (Déi Gréng) im Gespräch mit Reporter.lu.
Ich fürchte, wenn die Kameras erst mal laufen, werden nur noch Reden abgelesen.“Yves Cruchten, LSAP-Fraktionspräsident
Der Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP) entgegnet, dass auch Juristen der Ministerien an den Sitzungen teilnehmen, die sonst nicht öffentlich Position beziehen. Er gibt im Gespräch mit Reporter.lu zu bedenken, dass die Privatsphäre der Beamten durch eine Liveübertragung gefährdet sein könnte. So sieht es auch das Ministerium für den öffentlichen Dienst. Mehr noch, Minister Marc Hansen (DP) bestreitet das öffentliche Interesse an einer Übertragung.
„Das öffentliche Interesse darf nicht auf die Erwartungen eines Publikums, das gerne Details über das Leben anderer erfahren möchte, oder auf die Vorlieben der Leser für Sensationen oder gar Voyeurismus reduziert werden“, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums. Dass es bei Ausschusssitzungen in erster Linie um Transparenz von politischen Prozessen geht, spielt im Bericht eine ungeordnete Rolle.
Aussitzen bis nach den Wahlen
„Es liegt nicht an der Stellungnahme des Ministeriums, dass die Arbeiten nicht voranschreiten“, meint Martine Hansen (CSV) im Gespräch mit Reporter.lu. Die Co-Fraktionsvorsitzende der Christlich-Sozialen hat die Resolution zur öffentlichen Übertragung von Kommissionssitzungen vor mehr als drei Jahren eingereicht. Die CSV witterte dabei die Chance auf einen koalitionsinternen Konflikt. Während nämlich die DP Bedenken äußerte, sprachen die Grünen und die LSAP sich in ihren jeweiligen Wahlprogrammen prinzipiell für eine solche Übertragung aus.
Inzwischen stehen nur noch die Grünen hinter ihrer Forderung. „Ich fürchte, dass wenn die Kameras erst mal laufen, nur noch Reden abgelesen werden und die konstruktive Ausschussarbeit nicht mehr möglich ist“, sagt Yves Cruchten (LSAP) im Gespräch mit Reporter.lu. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialisten könnte sich aber vorstellen, in einer ersten Etappe nur für einige Ausschüsse die Übertragung einzuführen.

Ähnlich hatte sich vor zwei Jahren der damalige Abgeordnete von Déi Lénk, Marc Baum, gegenüber Reporter.lu geäußert. Und auch der Parlamentspräsident hält dies für einen Ausweg aus der festgefahrenen Lage. Welche Ausschüsse das sein könnten, ist jedoch noch nicht klar. Ohnehin müsste erst eine politische Entscheidung in diese Richtung getroffen werden, so Fernand Etgen. Selbst die Möglichkeit, vor jeder Sitzung zu entscheiden, ob diese übertragen werden soll, liege auf dem Tisch. Yves Cruchten könnte sich indes vorstellen, dass jene Sitzungen ausgestrahlt werden könnten, in denen Minister ein Gesetzprojekt präsentieren. Die vielen Optionen deuten vor allem darauf hin, dass die Fraktionen sich noch nicht tiefgründig mit der Frage auseinandergesetzt haben. Das liegt jedoch nicht nur an den Regierungsparteien.
Eigentlich sollte der Geschäftsordnungsausschuss einen ersten Vorschlag ausarbeiten, um die Übertragung zu ermöglichen. Doch auch dort hat sich in den vergangenen beiden Jahren nichts getan. Für Martine Hansen liegt das unter anderem an Roy Reding (ADR), dem Vorsitzenden des Ausschusses. „Es ist kein Geheimnis, dass die ADR gegen eine Übertragung ist“, sagt Martine Hansen. Roy Reding war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Luxemburg hinkt hinterher
Die Bedenken mancher Abgeordneten werden vom Ausland widerlegt. In Griechenland werden Ausschusssitzungen etwa schon länger im Internet übertragen. Letzte Woche bot sich die Gelegenheit, das auch in Luxemburg zu testen. Am vergangenen Donnerstag fand nämlich eine gemeinsame Ausschusssitzung zwischen dem luxemburgischen und dem griechischen Parlament statt. Eigentlich war geplant, diese auf der Internetseite des griechischen Parlaments zu übertragen. Luxemburg hat dem griechischen Parlament jedoch zu verstehen gegeben, dass dies hierzulande zurzeit aufgrund der Geschäftsordnung nicht möglich sei. Da die Sitzung zudem ohne Übersetzung ausgestrahlt werden sollte, hat das griechische Parlament letztlich selbst entschieden, auf eine Übertragung zu verzichten.
In Vorbereitung auf eine mögliche Übertragung der Sitzungen hat das Parlament einen internationalen Vergleich durchgeführt. Das Dokument, das Reporter.lu ebenfalls vorliegt, zeigt auf, dass neben dem griechischen auch 13 andere Parlamente oder Senate bereits heute Ausschusssitzungen ausstrahlen. In sechs weiteren Parlamenten ist es zumindest möglich, als Drittperson physisch an den Sitzungen teilzunehmen.
In Luxemburg überwiegt dennoch die Angst vor einem zu starken Eingriff in die parlamentarische Arbeit. Dabei geben manche Abgeordnete hinter vorgehaltener Hand zu, dass es dann nicht mehr möglich sei, Verständnisfragen zu stellen, da man fürchten müsse, dumm dazustehen. Bei anderen Abgeordneten würde zudem offensichtlich werden, dass sie sich nicht auf die Sitzung vorbereitet haben. Doch auch für Minister könnte eine Übertragung problematisch sein. Sie könnten dann etwa nicht mehr frei über laufende Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten der EU reden, heißt es. Dabei hatte die Resolution ohnehin die Möglichkeit vorgesehen, heikle Teile einer Sitzung weiter hinter verschlossener Tür abzuhalten.
Für eine Bewertung der parlamentarischen Arbeit würden öffentliche Sitzungen auch nicht ausreichen. Vor allem in der Koalition fände die eigentliche Arbeit in den interfraktionellen Sitzungen hinter verschlossenen Türen statt. Der ehemalige Fraktionsvorsitzenden der LSAP, Alex Bodry, hatte dies noch anders dargestellt. In seinen Augen würde vor allem in der Arbeit im Ausschuss offensichtlich, welche Abgeordnete sich tatsächlich vorbereitet haben und mitdiskutieren.
Reines politisches Kalkül
Innerhalb der Koalition sind die Grünen nun mit ihrer Forderung isoliert. Doch auch am Willen der Opposition kommen Zweifel auf. Laut Informationen von Reporter.lu sei selbst die CSV nicht für eine öffentliche Übertragung und fordere das nur, um den Streit innerhalb der Koalition zu befeuern. Martine Hansen hält dem jedoch entgegen, dass ihre Fraktion sehr wohl noch hinter ihrer Resolution stehe.
Die Grünen versuchen nun den Spieß umzudrehen und selbst in die Offensive zu gehen. Am Mittwoch wollen sie ihre Forderung der Liveübertragung von Kommissionssitzungen auf einer Pressekonferenz über Transparenz im Parlament erneuern. Damit werden sie allerdings kaum durchkommen.
Zwar ist die Übertragung technisch schnell umsetzbar, aber der politische Wille fehlt. Wenn überhaupt, wird das Vorhaben in einer Testphase höchstwahrscheinlich nur wenige Ausschüsse betreffen. „Etwas ist auf jeden Fall sicher: Der Geheimdienstkontrollausschuss wird sicher nicht öffentlich tagen“, sagt Parlamentspräsident Fernand Etgen. In der Frage der öffentlichen Übertragung von Sitzungen ist das wohl das Einzige, was als gesichert gelten kann.
