Ab sofort sollen auch die Bürger aufpassen, dass sich das Parlament an seine eigenen Regeln zur Transparenz von Nebeneinkünften hält. Die entsprechende Reform ist manchen Parteien allerdings nicht genug. Vor allem LSAP und Grüne wollen weiter gehen.
An den Nebenverdiensten von Politikern scheiden sich die Geister. Das haben auch die Reaktionen auf die Recherchen von REPORTER vor einigen Wochen gezeigt. Vor allem aber gibt es auch unter den Parlamentariern höchst unterschiedliche Meinungen zum Thema. Die Frage, die dabei oft im Mittelpunkt steht: Wie weit soll die gebotene Transparenz bei der Offenlegung der finanziellen Interessen gehen?
Die Abgeordnetenkammer gab darauf kürzlich eine neue Antwort. Auf Druck der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO), die die Umsetzung von grundlegenden Transparenzregeln überwacht, änderte Luxemburgs Parlament das eigene Reglement nämlich in einem nicht unwesentlichen Punkt ab.
Die Bürger als Kontrollorgan
Ab sofort (die Reform trat gestern in Kraft) können sich auch Bürger an die Parlamentsverwaltung wenden, wenn ihnen „Unregelmäßigkeiten“ in den Erklärungen der Abgeordneten zu deren finanziellen Interessen auffallen. Diese Erklärungen sind wohlgemerkt öffentlich auf der Webseite der „Chambre des députés“ zugänglich. Auf der Seite eines bestimmten Parlamentariers findet man in der rechten Leiste einen Link zu der „Déclaration des intérêts financiers“.
Die Reflexe der einzelnen Parlamentarier sind noch nicht genug ausgereift.“Alex Bodry, LSAP-Fraktionschef
Im Wortlaut des neuen Reglements der „Chamber“ heißt es nun: „Chaque citoyen peut saisir le Président de la Chambre s’il constate une irrégularité dans la déclaration d’intérêts financiers d’un député. Si cette irrégularité dans la déclaration des intérêts financiers concerne celle du Président de la Chambre, chaque citoyen peut saisir la Conférence des Présidents.“
Laut internem Reglement sind die Abgeordneten angewiesen, alle ihre Nebeneinkünfte der Parlamentsverwaltung mitzuteilen und diese Erklärungen auch regelmäßig zu aktualisieren. Bei der Kontrolle hapert es jedoch, wie REPORTER bereits berichtete. Das gibt auch Alex Bodry (LSAP) zu, der an der punktuellen Abänderung des Reglements mitgearbeitet hat. „Das System ist auf der Verantwortlichkeit der Abgeordneten aufgebaut. Die Reflexe der einzelnen Parlamentarier sind jedoch noch nicht genug ausgereift“, formuliert es der LSAP-Fraktionschef.
Interessenkonflikte allgegenwärtig
Über den neuen Passus, dass künftig auch jeder Bürger das Parlament kontaktieren kann, wenn er oder sie überzeugt ist, dass eine Erklärung „Irregularitäten“ aufweist, würden die Meinungen unter den Parlamentariern denn auch auseinander gehen, so Bodry weiter. Generell gebe es immer wieder „viele Diskussionen“ über die Problematik von möglichen Interessenkonflikten.
Alex Bodry spricht etwa von einem rezenten Fall, bei dem es in der Finanzkommission um bestimmte Aspekte der Praxis von Anwaltskanzleien ging. Hier sei die Trennung des politischen Mandats und der sich aus Nebentätigkeiten ergebenen Interessen stets „schwierig“. „Es denkt keiner daran, vorher eine Erklärung abzugeben, ob er persönlich von einer gesetzlichen Änderung betroffen sein könnte“, sagt Bodry. Namen will er zwar nicht nennen. Doch die Zunft der Wirtschaftsanwälte ist bekanntlich sowohl im Parlament als auch im Finanzausschuss gut vertreten.
Im Sinne einer größeren Transparenz wird die LSAP ein Lobbyregister bei der Ausarbeitung von Gesetzesvorschlägen einführen.“Wahlprogramm der LSAP
„Natürlich sind immer wieder direkte Interessen im Spiel“, so Bodry. Mehr Transparenz sei allerdings seiner Meinung nach vor allem „im Vorfeld“ von Gesetzesprojekten geboten. „Wer war alles an den Vorarbeiten eines Gesetzentwurfs beteiligt, wer wurde angehört, in welchem Maße“ – das seien alles Fragen, auf die die Öffentlichkeit, aber nicht zuletzt auch die Abgeordneten selbst Antworten verlangen könnten. Für eine Verschärfung des Verhaltenskodex für Abgeordnete spricht sich Bodry hingegen ebenso wie die große Mehrheit seiner Kollegen in der „Chamber“ nicht aus.
LSAP und Grüne wollen weiter gehen
Der Verhaltenskodex für Parlamentarier sei letztlich nur ein Aspekt unter vielen, meint Bodry. Vielmehr gehe es um eine umfassendere Reform des parlamentarischen Betriebs. Er verweist dabei auf das Wahlprogramm seiner Partei, in dem die LSAP sich für eine „Aufwertung des Parlaments“ ausspricht. Ganz konkret heißt es dort: „Parlamentarische Ausschusssitzungen sollten in Zukunft prinzipiell öffentlich sein. Im Sinne einer größeren Transparenz wird die LSAP ein Lobbyregister bei der Ausarbeitung von Gesetzesvorschlägen einführen. Die Ausarbeitung von Gesetzesvorschlägen darf nicht durch Interessengruppen gestartet werden.“
Die Forderungen der LSAP decken sich fast eins zu eins mit dem entsprechenden Kapitel von Déi Gréng, die ebenso „Kommissionssitzungen des Parlaments öffentlich abhalten“, „Fraktionsmitarbeiter*innen zu den Sitzungen zulassen“ und „den Mitarbeiterstab der Fraktionen stärken wollen“. Und auch die Grünen wollen „ein nationales Lobbyregister schaffen um die Arbeit der Interessenvertreter transparenter zu machen und besser zu kontrollieren“. Letztere Forderung wird auch von der Piratenpartei geteilt.
Die anderen Parteien vermeiden das Thema dagegen. Im Programm der CSV wird die Frage der Transparenz der parlamentarischen Arbeit mit keinem Wort erwähnt. Die DP schaut bloß zurück und rühmt sich mit der abgeschlossenen Umsetzung „klarer Verhaltens- und Transparenzregeln“. Und auch bei ADR und Déi Lénk fehlt es in Sachen Parlamentsreform an konkreten Maßnahmen.