Im Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit sieht sich die Menschenrechtskommission als unverzichtbares Regulativ. Politische Entscheidungen, besonders krisenbedingte Gesetze müssten kontrolliert werden. Dies gilt auch im Hinblick auf den Schulbeginn im September.
Alioune Badara Touré hat zwei Kappen auf. Er ist Vizepräsident der Menschenrechtskommission und Psychologe beim Centre psycho-social et d’accompagnement scolaires (CePAS). Als Psychologe war er täglich in direktem Kontakt mit Schülern und Lehrpersonal, er hat den Lockdown samt geschlossenen Schulen und die allmähliche Rückkehr zum Schulalltag aktiv miterlebt.
Sowohl zu den Bemühungen, benachteiligte Kinder nach dem Lockdown aufzufangen als auch zur mentalen Gesundheit der Betroffenen äußert er sich positiv: Die Schulen und das Ministerium hätten gute Arbeit geleistet. So konnten Kinder mit Lernschwächen identifiziert und nach dem Lockdown gezielt betreut werden. „Das Umfeld in Luxemburg ist stabilisierend“, so Touré.
Deshalb blickt er auch zuversichtlich in den Herbst: „Wir haben bereits beide möglichen Szenarien ausprobiert. Die Schulen sind bereit, sich schnell anzupassen“, sagt er. Schließlich sei im Juni bei den Schritten aus dem Lockdown sowohl Plan A als auch Plan B getestet worden. Heute kenne man Vor- und Nachteile von ganzen Klassen und von in A- und B- getrennte Gruppen. So könne man sich im Herbst dann je nach aktueller Situation anpassen.
Gesetze „nur so restriktiv wie nötig“
Als Vizepräsident der Menschenrechtskommission wird sein Ton jedoch kritischer. Die Menschenrechtskommission habe als beratendes Organ zum Schutz von Freiheits- und Menschenrechten besonders in Krisenzeiten eine entscheidende Rolle zu spielen, damit Gesetze „nur so restriktiv wie nötig“ verabschiedet werden. Der Schritt zurück, wenn eine Einschränkung erst einmal im Gesetz verankert ist, sei schwierig. „Deshalb muss man hier sehr aufpassen“, so Alioune Badara Touré.
Die Empfehlungen der Menschenrechtskommission zu den Entwürfen der Covid-Gesetze seien aus diesem Grunde elementar. „Wir müssen unsere Meinung sagen, auch wenn wir nicht danach gefragt werden“, sagt Vizepräsident Touré. Schließlich seien „die Grenzen zwischen sicherheitsbedingt nötig und freiheitsbedingt möglich“ nicht immer eindeutig festzustellen. Das mache die Perspektive aus Sicht der Hüter der Menschenrechte unverzichtbar.
Informationen gegen Unsicherheit
In ihren Gutachten zu den Covid-Gesetzen kritisiert die Menschenrechtskommission grundsätzlich auch die inkohärente und intransparente Kommunikation der Regierung. Das Fehlen von fundierten Erklärungen stärke die ohnehin durch die Pandemie befeuerte Unsicherheit. Unsicherheit wiederum lege die Basis für größeres Unverständnis in der Bevölkerung. Hier sei es Aufgabe der Menschenrechtskommission dem entgegenzuwirken, sagt Touré. Die Kommunikation wird auch bei der Schul-Rentrée ein entscheidender Faktor sein, damit Schüler, Lehrer und Eltern an einem Strang ziehen können, um so viel Sicherheit wie nötig und so viel Freiheit wie möglich zu gewährleisten.
„Während ich dieses Vorwort schreibe, wird mir klar, wie schwierig es ist, sich auf die Aktivitäten des vergangenen Jahres zu konzentrieren“, schreibt Gilbert Pregno, Präsident der Menschenrechtskommission in seinem Vorwort für den in diesen Tagen veröffentlichten Aktivitätsplan 2019. Die letzten Wochen, besonders der Lockdwown, hätten gezeigt, wie zerbrechlich wir und mit uns unsere demokratischen Grundrechte seien. „Wir werden viele Schlussfolgerungen ziehen müssen“, so Pregno.
Doch für Schlussfolgerungen ist die Zeit noch nicht reif. Viel zu fest ist Luxemburg erst noch in den Klauen der Pandemie gefangen. Die Einschätzung der Menschenrechtskommission zu politischen Entscheidungen wird auch in den nächsten Monaten eine essentielle Rolle für unsere Demokratie spielen. Im Hinblick auf den Schulbeginn im Herbst wird es vor allem um den Schutz von Risikogruppen und die Gewährleistung der Chancengleichheit gehen.