Ein ambitioniertes Projekt, überschrittene Budgets und keine Verantwortlichen: Im Budgetkontrollausschuss sollte Ex-Verteidigungsminister Etienne Schneider Erklärungen für die Kostenexplosion des Erdobservationssatelliten „LUXEOSys“ liefern. Die Lage bleibt jedoch unübersichtlich.
„I’m back, mä awer net fir laang“, sagt ein entspannter Etienne Schneider (LSAP) nach einer zweieinhalbstündigen Ausschusssitzung. Grund für seine kurze Rückkehr in die Politik ist das Militärprojekt „LUXEOSys“, das noch in der Amtszeit vom ehemaligen Minister kurz vor den Wahlen genehmigt wurde. Auf der Grundlage eines Berichts der Beratungsfirma PWC, beschloss Schneiders Nachfolger im Verteidigungsministerium, François Bausch (Déi Gréng), das Projekt anzupassen und das Parlament um eine Budgeterhöhung zu bitten. Die Ausgaben sollen demnach von 170 Millionen auf 350 Millionen Euro steigen. Es ist nur einer von mehreren Kritikpunkten.
Zusatzkosten waren zum Teil bekannt
„Wäre ich noch für das Projekt verantwortlich, hätte ich es genauso umgesetzt wie anfangs geplant“, sagte Etienne Schneider am Montag nach der Sitzung der Budgetkontrollkommission des Parlaments. Der Bericht von PWC äußerte allerdings mehrere Bedenken an der Machbarkeit des ursprünglichen Konzepts.
Aufgrund von fehlenden Sicherheitsvorkehrungen sollen die nötigen Antennen für die Steuerung von „LUXEOSys“ im belgischen Redu, und nicht wie geplant auf dem „Härebierg“, errichtet werden. Zusätzlich sollten die Kosten für das Datenzentrum in ein weiteres Militärprojekt integriert werden – was allerdings nie umgesetzt wurde. Zudem hat die Luxemburger Armee laut der Beratungsfirma nicht die nötigen Kapazitäten für die Betreibung des Satelliten. Sollte ein externer Dienstleister diese allerdings übernehmen, würden wieder zusätzliche Kosten anfallen. Laut dem ehemaligen Minister hätte man diese im Verteidigungsetat vorsehen können und mit den neu geschaffenen Posten zusätzlich die Attraktivität der Armee stärken können.
Trotzdem räumte Schneider ein, dass bereits zu Beginn das angesetzte Budget knapp gerechnet wurde. „Am Vorabend vor der Abstimmung informierte mich die Direktion der ‚Défense‘, dass der Preis des Herstellers OHB-I bei 165 Millionen Euro liege und damit nur 5 Millionen für „LuxGovSat“ übrig blieben“, sagte Etienne Schneider. Für 15 Millionen Euro über 10 Jahre sollte die Firma die Steuerung des Satelliten übernehmen. Durch den Verkauf der Satellitenbilder wollte das Ministerium diese Zusatzkosten aber wieder auffangen.
Straffer Zeitplan führte zu Verfehlungen
Zudem erklärten Experten dem Verteidigungsminister damals, dass die nötigen Antennen problemlos auf dem „Härebierg“ angesiedelt werden könnten. „Eine Durchführbarkeitsstudie wurde damals aber nicht gemacht“, sagte Djuna Bernard (Déi Gréng). Auf die Kritik reagiert Etienne Schneider lapidar: „Neue Erkenntnisse tauchen stets erst im Laufe eines Projekts von dieser Größe auf.“ Vor allem der Zeitplan habe aber dazu geführt, dass man sich keine Zeit für weitere Studien ließ. Bereits zum Zeitpunkt der Abstimmung sei „LUXEOSys“ sechs Monate in Verzug geraten, so Schneider. Für 2023 sollte Luxemburg das System der NATO zur Verfügung stellen – eine Frist, die von Anfang nur schwer einzuhalten war.
Der hohe Zeitdruck soll auch Grund für den Verzicht auf eine öffentliche Ausschreibung des Projekts sein. Lediglich ein „Request for Information“ wurde im Juni 2018 vom Ministerium angefragt – also bereits nach der Abstimmung im Parlament. Es ist jedoch fraglich, ob dies einer Ausschreibung gleichgesetzt werden könnte. „Eigentlich ist keine der Bedingungen erfüllt worden, um ohne Ausschreibung einen Vertrag mit der Firma OHB-I abzuschließen“, sagte die Vorsitzende des Ausschusses Diane Adehm (CSV).
Unklare Rolle von LuxGovSat
Es ist allerdings nicht die einzige Frage, die nach den Erklärungen des ehemaligen Ministers, offen blieb. Vor allem der Sinneswandel bei „LuxGovSat“ ist für die Abgeordneten schwer nachzuvollziehen. Eigentlich sollte das Joint-Venture des Staats und der „SES“ die Steuerung des Satelliten übernehmen sollen. Allerdings hat die Firma an der öffentlichen Ausschreibung für diese Aufgabe nicht teilgenommen. Die Abgeordneten wollen nun Vertreter des Verwaltungsrats von „LuxGovSat“ einladen, um weitere Erklärungen zu erhalten.
Etienne Schneider sieht sich auf jeden Fall nicht mehr in der Verantwortung. Er habe alles nach bestem Gewissen getan, so der frühere Vizepremier, der im Februar von all seinen politischen Ämtern zurückgetreten war. Hätte er die wahren Kosten gekannt, hätte er das damals auch im Gesetzestext angegeben, so Etienne Schneider. „Ich hatte ein quasi unendliches Budget, das ich ausgeben musste, um unseren Verpflichtungen gegenüber der NATO gerecht zu werden.“ Es habe also keinen Grund dafür gegeben, die Kosten absichtlich zu verschweigen, so der ehemalige Minister.
Ein weiteres kurzes Comeback von Etienne Schneider ist allerdings nicht ausgeschlossen. Er stehe dem Ausschuss jedenfalls weiterhin zur Verfügung, falls die Abgeordneten noch weitere Fragen haben sollten.