Der Tourismus ist durch die Pandemie nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Luxemburgs Taxiunternehmen beklagen einen Auftragsausfall zwischen 50 und 90 Prozent. Zudem wird Kritik an den staatlichen Hilfeleistungen laut. Veraltete Gesetze seien schuld für die Misere der ganzen Branche.

Olivier Gallé kam nicht umhin: Der Direktor des Taxiunternehmens Colux hat seit Monaten nur Arbeit für einen von sechs Taxifahrern. 50 seiner Angestellten musste er seit dem Lockdown im März in die Kurzarbeit („Chômage partiel“) schicken. Das Unternehmen habe die Ausgleichszahlungen von 80 Prozent des Lohnes selbstverständlich erst einmal vorgestreckt, erzählt der Geschäftsführer. Die erste Abrechnung für die staatliche Rückerstattung, die „nach monatelanger Verspätung endlich kam“,  fiel allerdings deutlich geringer aus als Olivier Gallé und seine Kollegen erwartet hatten. Etwa 15 Prozent des Geldes fehlten.

Was war geschehen? Die Erklärung von Olivier Gallé lässt sich durchaus nachvollziehen: Angestellte Taxifahrer haben in der Regel einen Kollektivvertrag für eine Arbeitszeit von maximal 48 Stunden. Eine Sonderregelung, die es manchen Branchen erlaubt, flexibler auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Die Ausgleichszahlungen für die Kurzarbeit gehen jedoch auf eine Verordnung aus dem Jahr 1975 zurück, die diese Sonderregelungen nicht kennt.

Folgenreiche Gesetzeslücke

Auf Anfrage von Reporter.lu bestätigt das Arbeitsministerium die Sachlage wie folgt: „Die entsprechenden Berechnungen basieren gemäß Art. 1, Abschnitt 2 des abgeänderten großherzoglichen Reglements vom 15. September 1975 ausdrücklich auf einer 40 Stunden-Woche.“ Die rechtliche Lage sei demnach eindeutig, so ein Sprecher des Ministeriums. „Basierend auf dieser gesetzlichen Regelung werden die Berechnungen vorgenommen.“

Olivier Gallé kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Sein Argument: Selbst die Krankenkasse orientiere sich bei ihren Ausgleichszahlungen im Krankheitsfall eines Taxifahrers an den im Kollektivvertrag vorgesehenen 48 Stunden.

Ein paar Monate konnten wir mit Reserven überbrücken, langsam aber sicher können wir nicht mehr.“
Olivier Gallé, Direktor von „Colux“

Die Nichtberücksichtigung der acht zusätzlichen Stunden bei der Kurzarbeit hat für die Betroffenen wesentliche Folgen: „Ein Taxifahrer, dessen Stundenlohn ohnehin nicht viel höher liegt als der gesetzliche Mindestlohn, hat durch den Chômage partiel nicht nur den üblichen Lohnausfall von 20 Prozent, sondern von über 35 Prozent“, erklärt Olivier Gallé, der auch Präsident der 2019 gegründeten Vereinigung der Taxis, Mietwagen und Krankenwagen (Altva) ist.

Existenzielle Fragen

Sveinn Graas, Zentralsekretär im Syndikat Transport des OGBL, bestätigt auf Nachfrage von Reporter.lu, dass hier offensichtlich eine Gesetzeslücke besteht. „Die im Kollektivvertrag zusätzlich festgehaltenen acht Stunden werden nicht bei den Ersatzzahlungen des Chômage partiel berücksichtigt.“ Hinzu komme, dass die Angestellten im Transportsektor ohnehin in der Kurzarbeit faktisch meist deutlich mehr verlieren würden als die gesetzlich verankerten 20 Prozent. Das erkläre sich vor allem durch eine auf Überstunden aufgebaute Arbeitspraxis.

Wenn der Sektor keine weiteren Hilfen bekommt,  riskiert Luxemburg, dass es im Januar keine Taxis mehr gibt.“Cyrille Horper, Sprecher von „Webtaxi“

„Es geht hier um die Existenz jedes einzelnen Taxifahrers, aber auch um die Existenz gesamter Betriebe“, sagt Olivier Gallé. „Wir haben seit März einen Auftragsverlust von etwa 80 Prozent“. „Ein paar Monate konnten wir mit Reserven überbrücken, langsam aber sicher können wir nicht mehr.“ Der Unternehmer musste im September bereits zehn Fahrer vollständig entlassen. Weitere Entlassungen werden wahrscheinlich folgen.

Forderung nach mehr Unterstützung

Das Taxiunternehmen „Webtaxi“ arbeitet seinerseits mit einem Rotationsprinzip, um den Einnahmeverlusten etwas entgegenzuwirken: „Wir versuchen, dass jeder Fahrer einmal dran ist“, sagt Cyrille Horper aus der Kommunikationsabteilung des Taxiunternehmens, das zur Gruppe „Voyages Emile Weber“ gehört. Gerade kleine Firmen mit wenigen Fahrern, die ihre Dienste der „Webtaxi“-Zentrale seit Jahren anbieten, müssten so gut es geht unterstützt werden.

Auch „Webtaxi“ beklagt seit März enorme Verluste. Während des ersten Lockdowns seien die Aktivitäten auf knapp elf Prozent geschrumpft, heute liege die Auslastung wenigstens wieder bei etwa 50 Prozent. Jetzt, in Erwartung neuer Restriktionen, spüre das Unternehmen allerdings wieder einen deutlichen Rückgang. Es gebe keine Rush Hour mehr, Flughafenfahrten seien quasi inexistent und Touristen sowieso kaum anwesend. Auch Cyrille Horper warnt: „Wenn der Sektor keine weiteren Hilfen bekommt,  riskiert Luxemburg, dass es im Januar keine Taxis mehr gibt.“