In allen Covid-19-Teststationen mussten am Freitag gefälschte FFP2-Masken ausgetauscht werden. „Hôpitaux Robert Schuman“ hatte das Schutzmaterial für das „large scale testing“ geliefert. Erst nach REPORTER-Recherchen erfolgte der landesweite Rückruf.

Atemschutzmasken, die beim „large scale testing“ im Einsatz sind, bieten nicht den nötigen Schutz. Ein Tochterunternehmen der „Hôpitaux Robert Schuman“ (HRS) hatte die Ausrüstung an die Träger des Projekts geliefert. „Wir ziehen die Masken zurück und liefern Ersatz“, sagte der HRS-Verwaltungsdirektor Michel Schuetz am Freitagabend. Erst durch die Recherchen von REPORTER war er auf die mangelhafte Qualität der vorgeblichen FFP2-Masken aufmerksam geworden.

Die Entscheidung der Rückrufaktion fiel erst nach einem negativen Qualitätstest der Masken, den HRS in Auftrag gegeben hatte. Das Ergebnis: Die Masken der Marke „Shen Huang“ sind nicht konform mit dem EU-Standard FFP2.

Der Hintergrund: Aktuell durchlaufen jeden Tag Tausende Menschen das „large scale testing“. Bei Covid-19-Tests muss das Personal zum eigenen Schutz FFP2-Masken tragen, die laut Norm mindestens 94 Prozent aller Partikel, Bakterien und eben auch Viren aus der Luft filtern. Für das Personal der 19 Testzentren ist es äußerst wichtig, dass diese Masken mit der charakteristischen Schnabelform auch tatsächlich die versprochene Leistung bringen.

Belgien warnte vor den Masken

Im Prüfbericht betont das Testlabor, dass die Ergebnisse jeder einzelnen „Shen Huang“-Maske stark schwanken. Teils lag die Filterwirkung lediglich bei 84 Prozent, heißt es im Dokument, das REPORTER vorliegt. Bisher lies Luxemburg acht Masken separat auf ihre Qualität testen. Im Schnitt filterten diese acht Masken bei besagtem Test 93,4 Prozent der Partikel.

Die Maske der Marke „Shen Huang“ und der gleichen Produktnummer, wie jene die in Luxemburg zum Einsatz kamen, war zudem bereits im Juni von den belgischen Behörden getestet worden. Dabei schnitt die Maske noch deutlich schlechter ab. Das Ergebnis, rot unterlegt: Sie dürften auf keinen Fall als Schutzausrüstung (EPI: „équipement de protection individuelle“) etwa in Krankenhäusern zum Einsatz kommen. Sie könnten höchstens als „masque de confort“ dienen – sprich als Äquivalent von Stoffmasken. Die Filterwirkung lag bei unter 70 Prozent.

Testergebnis der Masken der Marke „Shen Huang“ im Bericht des belgischen Wirtschaftsministeriums. (Screenshot)

Von der Einhaltung des FFP2-Standards sind sie weit entfernt, so das Urteil des belgischen Wirtschaftsministeriums. Dementsprechend ließen die Behörden das Produkt nicht auf den belgischen Markt. Der HRS-Gruppe war dieser Test nicht bekannt, betonen die Verantwortlichen.

Erhöhtes Risiko, aber keine positiven Fälle

Noch am Freitag wurde das Personal mit anderen, hochwertigen Schutzmasken der Marke 3M ausgerüstet, sagte der Ecolog-Projektleiter Andre Hansen auf Nachfrage von REPORTER. Der Dienstleister beschäftigt die knapp 160 Mitarbeiter, die die Proben im Schichtbetrieb an den 19 Teststationen entnehmen.

Drei Mitarbeiter im Laborbereich des „large scale testing“ sind positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden, wie das LIH auf Nachfrage bestätigt. Allerdings seien die betroffenen Mitarbeiter nicht mit Testpersonen in Kontakt gekommen. Zu Sicherheit trage bei, dass das gesamte Personal des großflächigen Testprogramms alle zwei Wochen auf das Virus getestet werde, so das LIH weiter.

„Es ist nichts passiert“, betont Andre Hansen. Keiner der Mitarbeiter der Teststationen habe sich dem Sars-Cov-2-Virus infiziert. „Die Sicherheitsmaßnahmen an den Teststationen sind sehr hoch“, betont auch das „Luxembourg Institute of Health“ (LIH), welches das großflächige Testprogramm leitet. Die Mitarbeiter tragen einen Plexiglas-Gesichtsschutz, Handschuhe, Overalls und eben die FFP2-Masken.

Ein erhöhtes Risiko bestand aber durchaus. Das Testergebnis der Passform und Dichtheit der Masken stand am Freitag noch aus.

Gefälschte Angaben

Auf den Packungen und den Masken selbst prangt gut sichtbar das CE-Kennzeichen. Es garantiert die Einhaltung von EU-Qualität – vorgeblich. Daneben die Standard-Bezeichung FFP2 und die Norm EN 149. Doch die Angaben sind falsch, zeigen Recherchen von REPORTER.

Ein Mitarbeiter des Testzentrums in Esch-Raemerich mit einer Maske der Marke „Shen Huang“. (Foto: Christian Peckels)

Neben dem CE-Kennzeichen steht die Kennzahl 1282. Sie verweist auf die italienische Prüfstelle „Ente Certificazione Macchine“ (ECM) mit Sitz nahe Bologna. Bei echten Produkten garantiert das unabhängige und staatlich akkreditierte Testunternehmen damit, dass es die Masken geprüft hat und sie den EU-Standards entsprechen.

Internationale Recherche

Zusammen mit investigativen Journalisten aus 40 europäischen Ländern und koordiniert vom „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP) recherchierte REPORTER zu Atemschutzmasken mit fragwürdiger Qualität.

Doch ECM ist nicht zugelassen, um Atemschutzmasken offiziell zu begutachten, stellt die Luxemburger Behörde für Produktüberwachung Ilnas auf Nachfrage von REPORTER klar. ECM selbst warnt auf seiner Webseite, dass im Fall der „Shen Huang“ eine missbräuchliche Nutzung seiner Kennzahl als „benannte Stelle“ für die CE-Zertifizierung vorliege.

Luxemburg ist kein Einzelfall. Recherchen des OCCRP-Netzwerks zeigen, dass in zahlreichen europäischen Ländern mangelhafte Masken mit fragwürdigen „Zertifikaten“ im Umlauf sind. Teils sind die Produkte auch gefälscht. Der Aufdruck auf den Masken und den Packungen ist keine Bagatelle. Die missbräuchliche Verwendung des CE-Kennzeichens ist eindeutig illegal, schreibt das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung Olaf in einer Stellungnahme an das „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP). Die EU-Behörde ermittelt seit Beginn der Pandemie unter anderem zum Verkauf von illegalen Schutzmasken.

Irreführendes „Zertifikat“ täuschte HRS

REPORTER konfrontierte Ende Juni das „LIH“ als Träger des Projekts „large scale testing“, den Dienstleister Ecolog sowie die „Hôpitaux Robert Schuman“ (HRS) mit den Zweifeln an der Qualität der Masken.

Die erste Antwort: Die Masken seien nach EU-Norm zertifiziert und alle erforderlichen Papiere würden vorliegen, betonte der HRS-Verwaltungsdirektor Michel Schuetz. Die gleiche Angabe stand auf der Seite „Medlogistics.lu“, über die das HRS-Tochterunternehmen „Santé Services SA“ die Masken verkaufte.

Als Beleg dafür diente ein „Zertifikat“ der italienischen Prüfstelle ECM. Die Dokumente mit einem markanten roten Streifen sehen offiziell aus. Darauf prangt gut sichtbar das „CE“-Kennzeichen. Auf den ersten Blick scheint klar: Das italienische Labor bestätigt, dass die Masken die strengen EU-Standards erfüllen. Doch genau das ist nicht der Fall.

Das irreführende Dokument, das vorgibt, dass die Maske der Marke „Shen Huang“ den Kriterien einer CE-Zertifizierung entspricht. (Quelle: Webseite von ECM)

Im Kleingedruckten der „Zertifikate“ steht nämlich, dass es sich um eine freiwillige Prüfung des Produkts handele, die außerhalb der strengen Prozedur einer „CE“-Zertifizierung stattfinde. Die „European Safety Federation“ (ESF), der Herstellerverband von Schutzausrüstungen, warnt vor fragwürdigen Zertifikaten, unter anderem von ECM.

Qualität nicht überprüft

Die Masken-Zertifikate stellen laut ECM eine freiwillige Prüfung der technischen Unterlagen dar, die in keiner Weise die CE-Zertifizierung ersetzen könne. Die Journalisten des OCCRP-Netzwerkes fanden zehn Fälle mit großen Maskenbestellungen, in denen von ECM geprüfte Exemplare sich bei Tests von Behörden als gefährlich herausstellten.

Diese sogenannten freiwilligen Zertifikate werden in Luxemburg von der zuständigen Behörde Ilnas nicht als Nachweis der Sicherheit und Qualität der Masken erachtet, heißt es auf Nachfrage von REPORTER.

Von REPORTER auf diese Täuschung hingewiesen, zeigte sich der HRS-Verantwortliche Michel Schuetz überrascht: „Ich falle aus allen Wolken.“ Er hatte 50.000 Masken über einen österreichischen Zwischenhändler gekauft, der die Ware über den Flughafen Wien aus China importierte. Der österreichische Zoll erklärte die Masken als konform.

„Wir haben die Qualität dieser Masken nicht überprüft und es gibt kein anderes Krankenhaus im Land, das dies macht. Es gibt in Luxemburg kein Labor, das überhaupt solche Tests durchführen kann. Wir haben den anerkannten Zertifizierungsstellen vertraut, die die Konformität dieser Masken bezeugte“, erklärt Michel Schuetz.

„Alles Menschenmögliche getan“

Nach den Anfragen von REPORTER legte HRS alle Dokumente vor, die das Unternehmen vom Zulieferer erhalten hatte. Das Unternehmen habe alle notwendigen Prüfungen vorgenommen, um die Qualität des Produkts sicherzustellen, betont Michel Schuetz. HRS habe „alles Menschenmögliche getan“, betont der Direktor der „Fondation Hôpitaux Robert Schuman“, Georges Heirendt.

HRS lag etwa ein Bericht eines chinesischen Testlabors vor, wonach die Masken mehr als 99 Prozent der Partikel filtern würden. Tatsächlich gilt ein solches Dokument als ausreichender Beweis für die Qualität des Produkts. Doch in diesem Fall scheint es sich um eine Fälschung zu handeln. Bei der chinesischen Akkreditierungsbehörde CNAS ist kein Testlabor mit dem entsprechenden Namen bekannt. Die Einkäufer haben das auch nicht kontrolliert, bestätigt Michel Schuetz auf Nachfrage.

Teil des Problems war auch der Zeitpunkt des Kaufs: Die Ware kam am 20. April am Flughafen Wien an. Eine Woche später beschloss die chinesische Regierung deutlich verschärfte Kontrollen beim Export von Atemschutzmasken. Für HRS kam dies zu spät. Ende Juni hatte das HRS-Tochterunternehmen laut eigenen Angaben noch einen Lagerbestand von 37.000 Masken im Wert von knapp 150.000 Euro.

Bis Redaktionsschluss konnte das Ilnas keine Aussage zu den „Shen Huang“-Masken machen. Nur so viel: Man werde den Fall prüfen.

Kunden sind verständnisvoll

„Wir haben die Warnungen von REPORTER sehr ernst genommen und deshalb selbst die Qualitätstests in einem belgischen Labor beantragt“, so Michel Schuetz. Inzwischen war er wegen der Anfragen der REPORTER-Redaktion gegenüber seinen Kunden in Erklärungsnot geraten.

Der Ecolog-Direktor Andre Hansen zeigte sich verständnisvoll: „Ich kann nicht erkennen, dass unser Partner („Service Santé SA“, Anm. der Redaktion) fahrlässig gehandelt hat. Wir vertrauen unserem Partner.“ Der Prozess beim Einkauf der Produkte sei solide gewesen. Ähnlich äußerte sich auch das LIH.

Der Vorrat an Masken im Testzentrum in Esch-Raemerich. (Foto: Christian Peckels)

Die „Shen Huang“-Masken seien nicht in den HRS-Krankenhäusern verwendet wurden, betont der Verwaltungsdirektor Michel Schuetz. Das Personal habe man mit jenen Masken ausgestattet, die dem Krankenhaus aus dem nationalen Lagerbestand der Regierung zur Verfügung gestellt wurden. Man habe auch keine weiteren Kunden mit diesen Masken beliefert.

Versorgungsschwierigkeiten dauern an

Dass HRS für das „large scale testing“ ein mangelhaftes Produkt kaufte, hat auch mit der sehr geringen Verfügbarkeit von FFP2-Masken zu tun. Die üblichen Lieferkanäle waren mit Beginn der Pandemie schnell überlastet. Masken aus europäischer Produktion habe es nicht mehr gegeben. „Die Nachfrage nach FFP2-Masken explodierte innerhalb von 48 Stunden und sprengte die Lieferketten“, erklärt Michel Schuetz.

Der Logistikexperte rechnet, dass es noch Monate dauert, bis sich die Versorgung mit Schutzausrüstung entspannt.


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